# taz.de -- Ausstellung zu Frauen in der Architektur: Sie baut ausnahmslos alles | |
> Wie kaum eine andere Disziplin ist Architektur seit jeher eine | |
> Männerdomäne. Eine Ausstellung zeigt, dass selbstverständlich auch Frauen | |
> bauen. | |
Bild: Die Architektinnen Elisabeth von Knobelsdorff und Therese Mogger an der T… | |
Wenn die Hausfrau in der Küche steht und brutzelt, vorher Gemüse schnippelt | |
und hernach alles flink in Töpfe wirft oder in den Ofen schiebt, dann hat | |
sie dank dieser Erfindung mit oder ohne Beruf noch genügend Zeit für Kinder | |
und den lieben Ehemann: So oder ähnlich wurde für sie argumentiert, für die | |
Frankfurter Küche, Urtypus moderner Einbauküchen dieser Welt. | |
Die gebürtige Wienerin Margarete Schütte-Lihotzky entwickelte die | |
verschlankte Form der bis dato bekannten Küche 1926 für Ernst Mays | |
Wohnprojekt Neues Frankfurt: Hängeschränke, Schiebetüren, ein schmaler | |
Grundriss – alles sollte mit einem Handgriff erreichbar sein, die | |
industrialisierte Arbeit stand Pate. | |
Längst hat Schütte-Lihotzkys Frankfurter Küche den Olymp der Design- und | |
Architektur-Moderne erklommen, über mangelnde Anerkennung konnte sie | |
deutlich weniger klagen als viele ihrer in „Frau Architekt“ präsentierten | |
Berufskolleginnen. Und trotzdem war jene Arbeit für Schütte-Lihotzky | |
eigentlich ein Aushängeschild wider Willen: „Ich hatte mit Küche und Kochen | |
nichts am Hut“, bekannte die Architektin später, „aber die Männer um mich | |
herum haben mich halt zu dieser Aufgabe gedrängt.“ | |
Geschichten, die aktuell im Deutschen Architekturmuseum (DAM) präsentiert | |
werden, handeln nicht selten von einer eventuell gar nicht absichtlichen | |
Ignoranz: Für die kühle Eleganz von Cafés und Ausstellungsständen zeichnete | |
Lilly Reich ebenso verantwortlich wie Mies van der Rohe, auch wenn ihr Name | |
deutlich seltener im Fokus steht. Gesine Weinmiller wurde noch 1993 als | |
Zweitplatzierte eines großen Wettbewerbs für die Assistentin von Norman | |
Foster gehalten. | |
## Der Mythos der weiblichen Muster | |
Interessanter sind aber Geschichten, die Misogynie als ein | |
geschlechterübergreifendes Phänomen illustrieren: Über die | |
Weiterbeschäftigung von Grit Bauer für ein von ihr entworfenen Wohn- und | |
Atelierhaus musste gar ein Schiedsgericht entscheiden, weil einige der | |
künftigen Bewohnerinnen, jawohl, einer Frau das Vorhaben nicht zutrauten. | |
„Seit mehr als 100 Jahren: Frauen im Architektenberuf“ lautet der | |
Ausstellungs-Untertitel, dem man noch ein „aus oder in Deutschland“ | |
hinzufügen will, denn Namen wie Zaha Hadid, die aktuell wiederentdeckte | |
Lina Bo Bardi oder auch die russische Raumfahrt-Architektin Galina | |
Balaschowa kommen nicht vor (man findet sie allerdings im Kinder-Katalog). | |
Letzterer widmete das DAM vor zwei Jahren eine eigene Retrospektive, | |
ansonsten waren Architektinnen in führenden Positionen wie kaum | |
überraschend auch im Museum eher unterrepräsentiert. | |
Dabei baut, natürlich, auch die Frau. Ausnahmslos alles: Kirchen und | |
Kibbuzim, Kindergärten und Planetarien, Wohnsiedlungen und Geschäftshäuser, | |
Hochhäuser und Kulturzentren, Museen, Sportparks, Bundesbanken und gar den | |
berüchtigten Berghof auf dem Obersalzberg. Gerdy Troost, die auf einem Foto | |
im Gespräch mit Adolf Hitler vertieft zu sehen ist, hat die Innenräume | |
nicht nur für dieses NS-Bauwerk entworfen. | |
„Frau Architekt“ lässt die Erwartung, es müsse sich nur irgendwie ein | |
genuin weibliches Muster oder eine weibliche Ethik ausmachen lassen, ins | |
Leere laufen. Und dass die Frau zum Ornamentalen, zum liebevollen | |
Schnörkelchen statt zur modernen Linie neige, wird ebenso schnell als | |
Mythos ad acta gelegt. | |
Zur Einstimmung ein paar Szenen aus dem Arbeitsalltag: eine Architektin mit | |
Baby bei der Besprechung, Marlene und Hans Poelzig mit Kollegen | |
biertrinkend im Wald; eine Architektin in kerniger Bauarbeiterkleidung, die | |
andere erklimmt gerade im Bleistiftrock eine Leiter. Nicht wenige eignen | |
sich die zu ihrer Zeit männlich konnotierten Moden und Verhaltensmuster an, | |
tragen die Haare kurz und zurückgekämmt, die Kleidung nicht zu aufreizend | |
und greifen zur Zigarre, um auf Augenhöhe mit ihren Kollegen zu bleiben. | |
## Im Ausstellungsdickicht | |
Auf 22 Architektinnen wirft die detailreich kuratierte Schau ein | |
Schlaglicht. Diese Stärke ist zugleich ihr Dilemma, denn der Einzelnen | |
bleibt oft nur ein kurzes Aufblitzen vergönnt. Viel mehr kann es nicht | |
sein, die Fläche im Haus ist bekanntlich begrenzt. Das produziert bisweilen | |
unglückliche Bilder: An einer Längsseite des Ausstellungskubus reiht sich | |
Tischchen an Tischchen, manchmal ist nicht zwei Meter Platz für ein ganzes | |
Werk mit Biografie. Wer aber seine Vorstellungen abstreift, ein Vorhaben | |
wie dies brauche unbedingt mehr Raum, dem bietet das Ausstellungsdickicht | |
auf kleiner Fläche eine beeindruckende Materialsammlung. | |
Was ändert sich am Status quo, 100 Jahre nachdem Frauen hier erstmals zum | |
Architekturstudium zugelassen wurden? Die jungen Studentinnen, die in einem | |
Video zu Wort kommen, bemerken nahezu keinen Unterschied zu ihren | |
männlichen Kollegen – mit Ausnahme der Biologie: Die Option des Mutterseins | |
lässt sich eben nicht wegdiskutieren, sehr wohl pragmatisch durch | |
Betreuungsangebote erleichtern. | |
„Frau Architekt“ bleibt exemplarisch bei ihren Protagonistinnen, von denen | |
sich längst nicht jede als Vertreterin ihres Geschlechts definieren lassen | |
möchte. Keine vorgegebene Narration führt durch die eng gepackte Schau, nur | |
eine zeitliche Chronologie. | |
Wer mehr erfahren möchte über Architektinnen wie Lotte Cohn, die das neue | |
Tel Aviv entscheidend mitprägte, über die Westberliner Hochhausbauerin | |
Sigrid Kressmann-Zschach oder die wunderbare Ingeborg Kuhler, kann zum | |
Katalog greifen: Er geht biografisch, politisch und historisch in die | |
Tiefe. Hier ist die Recherche der Kuratorinnen hinterlegt, aus der die | |
Ausstellung eine Quintessenz zeigt. | |
2 Jan 2018 | |
## AUTOREN | |
Katharina J. Cichosch | |
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