# taz.de -- Film „Big Time“ über Stararchitekten: Ein Schornstein spuckt R… | |
> Der Dokumentarfilm „Big Time“ über den dänischen Stararchitekten Bjarke | |
> Ingels erzählt eine große Erfolgsgeschichte. | |
Bild: Traumziel USA: Architekt Bjarke Ingels mobil in New York | |
Bjarke Ingels ist ein sympathischer Kerl, der wie verrückt arbeitet. | |
Deshalb hatte er nie Zeit für eine Beziehung. Erst jetzt hat er, mit 43 | |
Jahren, seine große Liebe gefunden, eine junge spanische Architektin. | |
Könnte damit zusammenhängen, dass er aufgrund andauernder starker und nicht | |
wirklich diagnostizierbarer Kopfschmerzen infolge einer | |
Baseballschlägerattacke etwas kürzer treten musste. | |
Als Kind, erzählt seine Mutter dem Dokumentarfilmer Kaspar Astrup Schröder, | |
fiel Bjarke als hochbegabt auf, und der Vater ergänzt, dass er nach dem | |
Abitur trödelte, Comiczeichner werden wollte und er ihn schließlich an der | |
Königlich Dänischen Kunstakademie fürs Architekturstudium angemeldet habe. | |
Bjarke Ingels' Eltern, die er und der Filmemacher gleich zu Beginn von | |
dessen Film über den international gefeierten Stararchitekten besuchen, | |
bewohnen übrigens auf einem idyllischen Seegrundstück einen hübschen | |
60er-Jahre-Bungalow mit Flachdach. Auf dieses Dach sei er immer geklettert, | |
erzählt Bjarke Ingels, und meint, seine Liebe für die begehbaren | |
Rasendächer seiner Bauten stamme womöglich daher. | |
Diese Dächer haben ihn berühmt gemacht und sind auch wirklich spektakulär: | |
Im Fall des „8Tallet“ bildet das begehbare Rasendach eine Endlosschlaufe, | |
denn das monumentale, elfgeschossige Gebäude für 475 Wohnungen zeichnet im | |
Grundriss eine Acht nach. Ingels hat überhaupt das Talent, die Dinge etwas | |
anders und spielerischer anzugehen als erwartbar. Dem Kopenhagener | |
Müllheizkraftwerk baut er eine Skipiste mit alpinem Schwierigkeitsgrad aufs | |
Dach, und am hübschesten: Der Schornstein, so schwebt es ihm vor, soll | |
Rauchringe auspuffen. | |
Das ist nicht so leicht wie man denkt, vielmehr ist einiger experimenteller | |
Aufwand nötig und sehr viel Goodwill von den Betreibern. Im Modellversuch | |
klappt es ganz hervorragend, wie man sehen kann, und der Rauchring ist | |
wirklich pure Poesie. Das kennt man von Architektur sonst nicht. Leider | |
wird im Film nicht klar, ob der Traum verwirklicht wurde. | |
## Nur hier kann man wirklich groß bauen | |
Dafür wurde ein anderer Traum von Ingels wahr: der von den USA. Nur hier | |
kann man wirklich groß bauen. Und das ist es, was der Architekt will. Sein | |
Büro Bjarke Ingels Group heißt nicht umsonst im Akronym B.I.G. Für sein | |
erstes Hochhaus in Manhattan, das „VIA 57 West“, erhielt er 2016 den | |
Internationalen Hochhaus-Preis des Architekturmuseums Frankfurt. | |
Wobei Hochhaus nicht so ganz der richtige Begriff ist. Denn Ingels legte | |
eine merkwürdige Dreieckskulptur an den Hudson River. Das Haus mit der | |
längsten Dachschräge Manhattans ermöglicht allen Bewohnern von der | |
windgeschützen Terrasse, die jede Wohnung hat, den Blick auf Fluss und | |
Sonnenuntergang. Was freilich nichts daran ändert, dass die Planung der | |
Apartments selbst standardisierten Wohn- und Lebenskonzepten folgt. | |
Neben dem „One World Trade Center“, dem kürzlich eröffneten Nachfolgebau | |
der am 11. September 2001 zerstörten Zwillingstürme, baut Bjarke Ingels | |
jetzt das „Two World Trade Center“. Fertiggestellt wird es dann das höchste | |
Gebäude auf dem nordamerikanischen Kontinent sein und die zukünftige | |
Zentrale von Ruppert Murdochs Fox und News Corp. in New York. | |
## 1.000 Siege feiern | |
Bekannt ist die Aussage von Bjarke Ingels, dass es ihm um „eine pragmatisch | |
utopische Architektur“ gehe, „die sich zum Ziel setzt, gesellschaftlich, | |
wirtschaftlich und umweltmäßig perfekte Orte zu schaffen“. Dazu muss der | |
Architekt aber, wie Ingels im Film sagt, „1.000 Siege feiern“. Denn nur | |
dann kriegt er sein Projekt so durch, wie er sich das vorstellt. | |
1.000 Siege schaffen aber nicht einmal Stararchitekten. Weswegen es Unsinn | |
ist, sie in den Medien ständig zu beweihräuchern und so zu tun, als ob mit | |
ihnen und ihren Bauten irgendetwas gewonnen wäre für die Menschen in den | |
Städten, in denen sie stehen. Gebäude, und seien sie auf noch so kluge Art | |
und Weise extravagant wie bei Bjarke Ingels, können eine fehlende oder | |
falsche Stadtplanung nicht wiedergutmachen. | |
Deshalb hätten jene Mitarbeiter städtischer Baubehörden unbedingt ein | |
Filmporträt verdient, die auf gewissenhafterer Planung, einer besseren | |
sozialen Mischung und intelligenteren Baulösungen bestehen, als es die | |
Gewinnabsichten der Entwickler und Investoren vorsehen. | |
Und relevanter als der Starschnitt wäre auch ein Film, der vom „Two World | |
Trade Center“ ausgehend die komplexen Besitzverhältnisse und die Streite um | |
die Baufinanzierung, um Höhen und Geschossflächen am Ground Zero | |
beleuchtete. Ein solcher Film würde zeigen, wo zwischen der städtischen | |
Port Authority und dem Immobilienimperium Silverstein Properties die | |
meisten der 1.000 Siege verloren werden. | |
8 Feb 2018 | |
## AUTOREN | |
Brigitte Werneburg | |
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