| # taz.de -- Buch über Architektin: Das Marlene-Poelzig-Haus fehlt | |
| > Das Buch „Haus Marlene Poelzig, Berlin. Abriss und Aufbruch“ erzählt von | |
| > der Architektin und reflektiert Lücken der Architekturgeschichte. | |
| Bild: Haus Poelzig, mit Terrasse vor dem Spielzimmer und Planschbecken für die… | |
| Der zweidimensionale Rundgang beginnt in Marlene Poelzigs Atelier. Die | |
| Fenster füllen mehr als die Hälfte der Wände, das Licht spiegelt sich auf | |
| dem dunklen Boden. Blättert man weiter in dem Buch über das Haus Marlene | |
| Poelzig blickt man auf das helle, zum großen Garten hin offene Esszimmer. | |
| Von hier aus konnten Marlene Poelzig und ihr Mann, der berühmte Architekt | |
| Hans Poelzig, ihre Kinder beim Spielen beobachten. 1930 bis 1970 wohnte die | |
| Familie im nach seiner Architektin benannten Haus in der Tannenbergallee | |
| 28, Berlin-Westend. | |
| Physisch kann man das Haus heute nicht mehr betreten. 2020 wurde der Abriss | |
| genehmigt. Dagegen protestierten Bürger:innen und Vertreter:innen | |
| aus Baukultur und Politik, [1][die sich in der Initiative „Haus Marlene | |
| Poelzig“ zusammenschlossen]. Ihr Ziel: das einzig bekannte Haus einer | |
| Architektin in der Weimarer Republik als Denkmal feministischer | |
| Baugeschichte zu erhalten, und als interdisziplinäre Künstlerinnenresidenz | |
| neu zu beleben. 2021 platzte der Traum. Das verfallene Haus wurde zugunsten | |
| von Villenneubau abgerissen. | |
| Wäre es anders gekommen, hätte es ein Mann entworfen? Ausgehend von dieser | |
| Frage versammelt das von Hannah Dziobek, Hannah Klein und der Initiative | |
| Marlene Poelzig herausgegebene Buch „Haus Marlene Poelzig, Berlin. Abriss | |
| und Aufbruch“ fünfzehn Reflexionen, Interviews und Manifeste. Liebevoll | |
| durch Entwurfsskizzen getrennt, steht jeder Raum des essayistischen | |
| Rundgangs für ein Thema; von Autor:innenschaft über Care-Arbeit bis hin | |
| zu Erinnerungskultur. | |
| Marlene Poelzig, geborene Moeschke, stellt Kunstwissenschaftlerin Andrea | |
| Aranda als vielseitige Künstlerin vor, die flammenartige Verzierungen, | |
| organisch fließende Skulpturen und avantgardistische Kostüme entwirft. 1918 | |
| begann die künstlerische Zusammenarbeit mit Hans Poelzig, die in eine Ehe | |
| und den Beruf als Architektin mündete. | |
| ## Sie entwarf ihr eigenes Wohnhaus | |
| Sie wirkte u.a. am Bau von Filmhäusern und am Haus des Rundfunks mit. Ihr | |
| 1930 fertiggestelltes Wohnhaus entwarf sie allein. Es gilt mit seiner | |
| pragmatischen Nutzung natürlichen Lichts und der fließenden Verbindung | |
| zwischen Innen- und Außenräumen als Höhepunkt ihrer Karriere. Die | |
| Mehrzweckräume und großzügigen Kinderbereiche wurden international als | |
| fortschrittliche Vereinigung von Privatleben und Beruf gepriesen. Trotzdem | |
| blieb sie in der Rezeption oft nur die „Assistentin“ Hans Poelzigs. | |
| Auch wenn die beiden als gleichberechtigtes Künstler:innenpaar galten, | |
| bemühte sich [2][Hans Poelzig] oft vergeblich um Anerkennung und | |
| Realisierung der Projekte seiner Frau, wie Kunsthistorikerin Dr. Heike | |
| Hambrock in einem Briefwechsel zeigt. Nach Hans Tod 1936 stellte Marlene | |
| Poelzig ihr architektonisches Schaffen allmählich ein – auch wegen | |
| fehlender Unterstützung. | |
| Die Architektin Karin Hartmann erinnert: ein großes Wohnhaus entwerfen zu | |
| können, war und ist ein Privileg. Marlene Poelzig war es möglich, als | |
| weiße, bürgerliche, mit einem angesehenen Mann verheiratete Frau. | |
| Emanzipatorische Architektur müsse daher intersektional denken, und | |
| Privilegien klar benennen, fordert die Architekt:innengruppe „c/o | |
| now“. | |
| Der essayistische Rundgang scheut auch den kritischen Blick in unangenehme | |
| Ecken der Geschichte nicht. 1937 verkaufte Marlene Poelzig das Haus an den | |
| Nazi-Regisseur Veit Harlan. Der Architekturhistoriker Prof. Volker M. | |
| Welter zeichnet nach, wie die rigide Geometrie und das Freiheitsgefühl des | |
| Hauses mit seinem neuen Bewohner nationalsozialistisch umgedeutet werden | |
| konnten. | |
| Schließlich wird auch der selektive Blick auf Architektur selbst kritisch | |
| seziert. Wer bestimmt, was erhaltenswert ist? Wer kategorisiert in | |
| sogenannte „Besonders Erhaltenswerte Bausubstanz“, „Alltagssubstanz“ und | |
| „Denkmäler“? Das Landesdenkmalamt Berlin verwehrte dem Haus Marlene Poelzig | |
| den Denkmalschutz: es sei durch die Umbauten zu entfremdet vom | |
| Originalzustand. Dagegen hätten Gebrauchsspuren und Fragmentierung als | |
| Zeitzeugnisse einen eigenen Wert, schreibt die Kulturwissenschaftlerin | |
| Mariam Gegidze. Etwas zynisch bemerkt der Architekturhistoriker Prof. Dr. | |
| Matthias Noell, dass selbst abgerissene Gebäude eine Geschichte erzählen – | |
| in diesem Fall die der systematischen Nicht-Beachtung von Architektinnen. | |
| Aber auch ohne physischen Ort geht das Projekt der Initiative Haus Marlene | |
| Poelzig weiter. Der Sammelband ist ein zugänglicher Einstieg – und lädt mit | |
| zahlreichen Literaturempfehlungen ein, den Blick auf die Architekturen um | |
| uns herum weiter zu schärfen. Insbesondere auf die Vielzahl an menschlichen | |
| Kräften, die unbemerkt hineingeflossen sind. | |
| 30 Jul 2025 | |
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| ## AUTOREN | |
| Yi Ling Pan | |
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