| # taz.de -- Denkmaldebatte in Schleswig-Holstein: Echter Schutz nur noch fürs … | |
| > CDU und FDP fordern eine Reform des Denkmalschutzes. Auslöser sind | |
| > Konflikte, weil Lübeck Bauten aus der Zwischenkriegszeit unter Schutz | |
| > gestellt hat. | |
| Bild: Das Kaufhaus der Arbeitersiedlung Herrenwyk ist heute Museum. Die Stadt L… | |
| Hamburg taz | In Schleswig-Holstein ist ein Streit um den Denkmalschutz | |
| entbrannt. Auslöser sind aktuelle Konflikte in Lübeck. Im [1][ehemaligen | |
| Industriegebiet Herrenwyk] im Stadtteil Kücknitz [2][protestieren | |
| Bürger:innen und die Genossenschaft Lübecker Bauverein], die die | |
| Interessen zahlreicher Eigentümer:innen und Mieter:innen in der | |
| Siedlung vertritt, gegen die Entscheidung der Stadtverwaltung, [3][Teile | |
| der Werkssiedlung als „Sachgesamtheit“ unter Denkmalschutz zu stellen]. | |
| Die Anwohner:innen waren vorab nicht beteiligt. Viele haben erst aus | |
| der Presse von der Entscheidung erfahren. Wegen der hohen Denkmaldichte | |
| Lübecks als Unesco-Weltkulturerbe regelt eine Sonderregelung im | |
| [4][Denkmalschutzgesetz Schleswig-Holstein], dass nicht das Landesamt für | |
| Denkmalpflege, sondern die Stadtverwaltung zuständig ist. | |
| Die Aufnahme von Teilen Herrenwyks als Kulturdenkmal begründet die | |
| städtische Behörde für Archäologie und Denkmalpflege mit dem hohen sozial-, | |
| industrie-, siedlungs- und baugeschichtlichen Wert der Anlage, die fast | |
| vollständig erhalten ist. Als [5][Relikt der frühen Industrialisierung und | |
| der NS-Zeit] umfasst sie eine Vielzahl von Gebäuden aus den 1920er- und | |
| 1930er-Jahren, darunter Fabrikhallen, Arbeiter:innenwohnungen und | |
| andere Strukturen von historischer Bedeutung. Das Gelände symbolisiert als | |
| ein Zentrum der Industrieentwicklung nicht nur den gesellschaftlichen | |
| Übergang in die Moderne, sondern war während des Nationalsozialismus auch | |
| Schauplatz von Zwangsarbeit. | |
| ## Kulturelle und soziale Spuren | |
| Ein Verlust dieser Elemente würde, so die Argumentation, nicht nur bauliche | |
| Substanz, sondern auch kulturelle und soziale Spuren beseitigen, die für | |
| das Verständnis der Regionalgeschichte unverzichtbar seien. Am Erhalt der | |
| Siedlung bestehe deshalb ein öffentliches Interesse. | |
| Der [6][Bauverein plant eine Klage gegen die Entscheidung], weil sie | |
| Modernisierungspläne wie den Ausbau eines Logistikzentrums oder die | |
| Schaffung von bis zu 200 Wohneinheiten erschwere. Eine lokale Initiative | |
| richtet sich gegen die pauschale Unterschutzstellung, weil sie den | |
| Immobilienwert mindere und die Region wirtschaftlich zurückwerfe, wie eine | |
| Sprecherin laut Lübecker Nachrichten (LN) auf einer Versammlung am | |
| vergangenen Mittwoch sagte. | |
| [7][In der Margarethenstraße im Quartier um den Hanseplatz gibt es parallel | |
| dazu einen ähnlichen Konflikt]: Dort plante der Lübecker Bauverein, einen | |
| Wohnblock aus den 1930er-Jahren abzureißen und durch einen Neubau zu | |
| ersetzen. Die Stadtverwaltung möchte das Gebäude hingegen als [8][bauliches | |
| Zeugnis für das Neue Bauen] in Lübeck erhalten und stellte es im August | |
| 2024 unter Schutz. Der Bauverein soll es sanieren. | |
| ## CDU fordert Staffelung nach „Denkmalwert“ | |
| Der sieht sich damit finanziell überfordert. Eine Sanierung sei fast so | |
| teuer wie ein Neubau und wohnungspolitisch der falsche Weg, weil so viel | |
| weniger Wohnungen gebaut werden könnten, sagte Genossenschaftsvorständin | |
| Christine Koretzky den LN. | |
| CDU und FDP im Kieler Landtag drängen nun auf eine Reform des | |
| Denkmalschutzgesetzes. „Wir müssen das Denkmalschutzrecht überdenken“, | |
| [9][fordert der Lübecker CDU-Landtagsabgeordnete, Hermann Junghans]. Die | |
| Lübecker Beispiele stünden exemplarisch „für eine ganze Reihe kritischer | |
| Unterschutzstellungen in Schleswig-Holstein“, die als „überzogene | |
| Bevormundungen der Eigentümer“ empfunden würden. Ohne ein Mitspracherecht | |
| drohe die Akzeptanz für den Denkmalschutz verloren zu gehen, so Junghans. | |
| Denkmalschutz müsse nachvollziehbarer und effizienter werden. | |
| Junghans schlägt vor, zwischen Denkmalen mit „national herausragender | |
| Bedeutung“ und mit „geringer Bedeutung“ zu unterscheiden und nach | |
| Denkmalwert zu staffeln. „Das Holstentor hat einen offensichtlich höheren | |
| Denkmalwert als ein 100 Jahre alter Wohnblock.“ So könne mit | |
| denkmalrechtlichen Genehmigungen effizienter umgegangen werden, das hieße: | |
| keine Photovoltaik-Anlage aufs Holstentor, bei Wohnblöcken und anderen | |
| Denkmalen in privater Hand aber schon. | |
| Auch die FDP fordert „eine andere Schwerpunktsetzung, mehr Transparenz bei | |
| den Entscheidungen, mehr Mitsprache der Eigentümer und selbstverständlich | |
| auch Widerspruchs- und Klagemöglichkeiten“, so ihr Fraktionsvorsitzender | |
| Christopher Vogt. Beide Parteien sehen in einer flexibleren Gesetzgebung | |
| die Chance, Innovationen wie Photovoltaik oder Breitband-Kabelnetze zu | |
| fördern. | |
| Beide Fälle in Lübeck machen die Spannungen zwischen dem Erhalt | |
| historischer Substanz und aktuellen Anforderungen an wirtschaftliche | |
| Entwicklung, Klimaschutz und den Ausbau von Wohnraum deutlich. Das | |
| Industrieareal Herrenwyk ist dafür ein paradigmatisches Beispiel. Die | |
| Unterschutzstellung erschwert bestehende Pläne für einen umfassenden Umbau. | |
| Diese Pläne, wie man das rund 24 Hektar große Areal nutzen könnte, sind eng | |
| mit der historischen Entwicklung des Gebiets verbunden und reichen bis in | |
| die 1990er-Jahre zurück. | |
| Das Gelände, das mit dem Bau des Hochofenwerks Lübeck ab 1905 und der | |
| parallelen Errichtung der Werkssiedlung zwischen 1906 und 1923 entstand –, | |
| wurde nach dem Niedergang der Schwerindustrie in den 1980er- und | |
| 1990er-Jahren schrittweise saniert und für gewerbliche Zwecke umgenutzt. | |
| Bis 2000 wurde das [10][ehemaligen Hochofen- und Metallhüttenwerk] saniert. | |
| Seitdem gibt es einen Rahmenplan für das Gewerbegebiet, nach dem die | |
| verkehrsgünstige Lage an der Autobahn Richtung Hamburg und in unmittelbarer | |
| Nähe zum Skandinavienkai in Travemünde genutzt werden soll, um Logistik- | |
| und Industrieansiedlungen zu fördern. | |
| Parallel dazu gibt es seit den 1990er-Jahren Initiativen zur Schaffung | |
| neuer Wohnflächen, die den Wandel zu einem Quartier mit Wohn- und | |
| Gewerbenutzung vorantreiben sollen. So hat etwa [11][der Bauverein] dort in | |
| den 1990er-Jahren ein neues Wohnquartier errichtet. Hintergrund ist die | |
| Konversionsstrategie der Hansestadt, die [12][nach dem Wegfall von | |
| Arbeitsplätzen in der Schwerindustrie] das Areal für nachhaltige Nutzungen | |
| öffnen wollte. | |
| 2 Sep 2025 | |
| ## LINKS | |
| [1] /Erinnerung-unter-Haushaltsvorbehalt/!5045509 | |
| [2] https://www.hl-live.de/text.php?id=174596 | |
| [3] https://www.ln-online.de/lokales/luebeck/luebeck-stellt-grossteil-der-siedl… | |
| [4] https://www.gesetze-rechtsprechung.sh.juris.de/bssh/document/jlr-DSchGSH201… | |
| [5] https://geschichtswerkstatt-herrenwyk.de/museum | |
| [6] https://www.ln-online.de/der-norden/herrenwyk-und-margarethenstrasse-denkma… | |
| [7] https://www.ln-online.de/lokales/luebeck/luebeck-bauverein-will-haus-in-mar… | |
| [8] /Neues-Bauen/!t5200226 | |
| [9] https://hermann-junghans.de/presse/lokal/25/Denkmalschutzrecht-ueberdenken.… | |
| [10] https://luebeck.org/herrenwyk | |
| [11] https://www.luebecker-bauverein.de/geschichte.html | |
| [12] https://geschichtswerkstatt-herrenwyk.de/forschung | |
| ## AUTOREN | |
| Robert Matthies | |
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