| # taz.de -- Rap-Musik in der Peripherie: „Ich habe mich lange gefangen gefüh… | |
| > Sie will weder für Female Rap, noch für Zeckenrap stehen. Die Rapperin | |
| > Haszcara über die Szene, ihre Kritik daran und warum das Genre „männlich�… | |
| > ist. | |
| Bild: „Schreiben ist für mich wie Rausch“: Haszcara | |
| taz: Haszcara, Sie rappen „Ich präsentier keinen Female Rap“. Warum wehren | |
| Sie sich dagegen? | |
| Ich wehre mich nicht dagegen. Aber wie ich in dem Text sage: Ich | |
| repräsentiere nicht Female Rap, sondern einfach nur mich. Damit ist | |
| gemeint, dass ich nicht repräsentativ für alle anderen rappenden Frauen | |
| bin. | |
| Lehnen Sie Female Rap als Genre ab? | |
| Das ist eine schwierige Frage. Einerseits möchte ich keine Unterschiede | |
| zwischen Geschlechtern machen. Aber die Mehrheitsgesellschaft denkt und | |
| handelt nun mal in diesen Kategorien. Ich fände es unangemessen, die | |
| Kategorie Geschlecht unsichtbar zu machen und so zu tun, als existierte sie | |
| nicht, denn sie existiert ja. | |
| Warum haben es Frauen im Rap so schwer? | |
| Was für Schwierigkeiten meinen Sie? | |
| Vielleicht ist die Frage falsch. Haben es Frauen im Rap schwer? | |
| Ja. Aber nicht nur im Rap, sondern generell im Leben. Klar, Rap ist eine | |
| Männerdomäne. Frauen haben es vor allem schwer, wenn sie nicht das | |
| heterosexuelle Begehren von Männern erfüllen können oder wollen, also nicht | |
| sexy genug sind. Aber zu sexy sein geht auch nicht, denn dann ist man eine | |
| „Schlampe“ und auch unten durch. Der Kampf zwischen Heiliger und Hure eben. | |
| Wie muss eine Frau im Rap-Business performen, um sich zu behaupten? | |
| Ich glaube, am liebsten mögen die meisten Männer ’ne süße R-’n’-B-Lad… | |
| Aber es gibt ja im Deutschrap auch einige Rollen, die anders sind. Zum | |
| Beispiel Schwesta Ewa, Lady Bitch Ray oder SXTN. Die haben sich alle was | |
| „Männliches“ angeeignet und dadurch zur selben Zeit Akzeptanz und Ablehnung | |
| erfahren. | |
| Was halten Sie davon, wenn Frauen sich „männliches“ Verhalten aneignen und | |
| reproduzieren, wie beispielsweise Lady Bitch Ray mit ihrem Female Porn Rap? | |
| Persönlich feiere ich Lady Bitch Ray ziemlich doll. Ich habe auch ihr Buch | |
| gelesen, „Bitchism“. Es hat mich damals sehr geprägt, sie hat auch | |
| queerfeministische Inhalte, auch wenn sie nicht immer konsequent darin ist. | |
| Sie kommt nicht aus ’ner queerfeministischen Szene, und das merkt man hier | |
| und da, aber ich finde total geil, was sie macht, weil sie, wie sie selber | |
| sagt, kein Blatt vor die Muschi nimmt. Das inspiriert mich. Ihre Art ist | |
| sehr aggressiv sexuell, und ich kann verstehen, wenn manche das nicht | |
| mögen. Aber das ist ja genau, was Männer ständig machen, vor allem im Rap. | |
| Da ist das ganz normal. Wenn es ’ne Frau macht, ist das gleich skandalös. | |
| Ich find’s geil und empowernd. | |
| Und SXTN? Die beiden Rapperinnen rappen in ihrem Track „Hass Frau“: „Du | |
| nichts, ich Mann / blase bis du kotzt, aber kotz auf meinen Schwanz“. Ist | |
| das emanzipatorisch? | |
| Was heißt emanzipatorisch? Ich kann nur sagen, was ich an denen mag. Ich | |
| kann mich mit ihnen identifizieren, weil das einfach Assibräute sind, die | |
| kein Blatt vor dem Mund nehmen. Sie eignen sich einen männlichen Habitus | |
| an, was man natürlich kritisieren kann. Ich würde nicht sagen, dass es | |
| emanzipatorisch ist, wenn eine Frau sagt: „Ich fick deine Mutter, du | |
| Hurensohn“, nur weil sie es als Frau sagt. | |
| Was ist dann das Emanzipatorische an SXTN? | |
| Sie lassen sich nichts sagen. Wenn sie von irgendwelchen Typen reden, die | |
| sie ficken wollen, und sie sagen einfach „Ich bin zu für dich“. Stellen Sie | |
| sich vor: Auf einer Party, wenn da ein Song gespielt wird, wo die rappen: | |
| „Du willst mich ficken, aber du darfst es nicht“, dann kommt das ja bei den | |
| Leuten im Kopf an, auch bei den Männern. Ich glaube schon, dass das was | |
| macht. Insofern finde ich das ziemlich nice. Respect. | |
| Warum ist Rap etwas „Männliches“? | |
| Weil Rap bedeutet, was über sich zu erzählen und selbstbewusst zu sein. | |
| Naja, man labert halt drei Strophen lang über irgendetwas. | |
| Ein ziemlich männliches Redeverhalten. | |
| Sie wissen, was ich meine. | |
| Fühlen Sie sich dem Genre Zeckenrap, also linkem Politrap, zugehörig? | |
| Nein. Aber das ist auch nicht mein Hauptinhalt. Meine Inhalte sind eher | |
| persönlich. Das überschneidet sich manchmal mit politischen Ansichten. Aber | |
| das ist ähnlich wie die Kategorie Female Rap: Ich will in erster Linie mich | |
| selbst präsentieren. Außerdem bestehen auch gleich ganz andere Ansprüche an | |
| einen, wenn einem das Label Zeckenrap, also explizit linker Rap, | |
| zugeschrieben wird. Da kann es zum Beispiel passieren, dass man dafür | |
| angegriffen wird, dass man nicht so korrekte Musik hört. | |
| Sie hören auch Bonez MC und RAF Carmora, die haben zum Teil | |
| frauenverachtende Inhalte. Wie können Sie das mit sich vereinbaren? | |
| Das war ein sehr langer Prozess. Früher konnte ich das überhaupt nicht und | |
| fand das ganz schrecklich. Später hab ich ein paar Leute kennengelernt, die | |
| solchen Rap gehört haben, aber in ihren Handlungen ganz anders waren, sich | |
| zum Beispiel gegen Homophobie eingesetzt haben. Das hat mich zum Nachdenken | |
| gebracht. Als ich angefangen habe, mich für Raptechniken zu interessieren, | |
| konnte ich dann auch was damit anfangen. Manche Texte geben mir auch ein | |
| Lebensgefühl von Freiheit. Außerdem kann ich mich manchmal damit | |
| identifizieren. | |
| Inwiefern? | |
| Da ist einerseits dieses Gruppengefühl, aber auch, wenn es einem richtig | |
| schlecht ging, man war ganz unten, und dann schafft man was, ist | |
| erfolgreich. Ach, ich laber’ um den heißen Brei herum. Ich finde die Jungs | |
| einfach sympathisch. Für mich zählen Taten mehr als Worte. | |
| Das klingt nach Kindheit im Getto und Knast-Erfahrung. Sind Sie nicht im | |
| behüteten Göttingen aufgewachsen? | |
| Ich komme nicht aus einem Getto, aber ich hatte und habe es nicht leicht, | |
| mit der Familie und so … Ich war auch nie im Gefängnis, aber ich hab mich | |
| sehr lange gefangen gefühlt, in mir, in meinen Umständen. Wenn dann ein | |
| Rapper sagt: „Ja Mann, ich weiß noch damals im Gefängnis / aber heute ist | |
| alles okay, es geht mir besser“, kann man sich damit identifizieren. | |
| Wie sind Sie aufgewachsen? | |
| Ich bin in Göttingen geboren, meine Eltern aber nicht. Ich bin zwar hier | |
| aufgewachsen, aber wurde viel damit konfrontiert, dass ich anders sei oder | |
| „exotisch“ aussehe. Was überhaupt nicht stimmt – ich habe keinen Akzent … | |
| bin im Winter weiß wie’n Käsebrot, es sei denn, ich gehe ins Solarium. | |
| Inwiefern beeinflusst die Stadt ihre Raptexte? | |
| Maßgeblich. Ich habe mich oft nicht zugehörig gefühlt, was auch daran lag, | |
| dass ich auf ’ner Bonzenschule in einem reichen Viertel war. Die Leute | |
| haben alle auf’m Dorf gewohnt und kamen so ’rüber wie so durchschnittliche | |
| Familien. Ich habe das Gefühl, dass die Leute von hier oft nicht so ’nen | |
| weiten Horizont haben. | |
| Ist Rappen eine Art Therapie für Sie? | |
| Auf jeden Fall. Schreiben ist für mich wie ein Rausch. Ich schreib auch | |
| schon seit vielen Jahren Tagebuch. Und ich sage beim Rappen relativ | |
| ungefiltert, was ich denke. Es ist der Ort, wo ich ich selber sein kann. | |
| Dabei ist es ja total öffentlich. | |
| Es ist aber wichtig, sich zu zeigen. Das hat mich viel Mut gekostet und | |
| kostet es immer wieder. Aber Musik wird vor allem dann interessant für | |
| andere, wenn sie sehen, was das für ein Mensch ist. Kunst und Musik | |
| funktionieren ja viel über Identifikation. Man fragt sich ständig: „Was hat | |
| das mit mir zu tun?“ und projiziert immer. Musik berührt einen, wenn man | |
| sie auf sich beziehen kann. | |
| Was regt Sie an der Rapszene auf? | |
| Zum Beispiel, dass Sexismus mehr toleriert wird als Rassismus. Die meisten | |
| Leute sind ja eher antirassistisch drauf. Aber bei Sexismus, da wird dann | |
| häufig gesagt: „Naja, das ist halt Rap.“ | |
| In einigen Texten formulieren Sie auch eine Kritik an der linken Szene. | |
| Mit der Zeit habe ich gemerkt, dass oft sehr identitäre Absichten eine | |
| Rolle spielen. Vor allem wird das deutlich am Nahost-Konflikt. Es ist schon | |
| wichtig, sich damit zu beschäftigen und eine Position zu haben, aber ich | |
| glaube, dass oft Chancen verpasst werden, die es gäbe, wenn man mehr | |
| zusammenarbeiten würde. | |
| Ist es schwer, in der Rapszene wahrgenommen zu werden, wenn man aus | |
| Göttingen kommt? | |
| Ja, auf jeden Fall. Die Rapszene ist hier eher klein. Ich bin da nie so | |
| wirklich angekommen, das liegt, glaube ich, auch daran, dass ich ’ne Frau | |
| bin und da eher Typen abhängen. Aber ich seh’ das mehr als strukturelle | |
| Schwierigkeit, ich würde das jetzt keinem vorwerfen wollen. Wenn ich mit | |
| Typen Musik machen wollte, hatte ich oft Angst, dass die denken, ich will | |
| nur mit denen flirten oder so. Die Frage „Ist das ’ne potenzielle | |
| Flirtpartnerin?“ spielt immer irgendwie mit rein. In explizit linken | |
| Kontexten ist das nicht ganz so. | |
| Großstadtsehnsucht? | |
| Ja, auf jeden Fall. Es war schön, hier aufzuwachsen, aber ich ziehe jetzt | |
| nach Berlin. Hauptsächlich wegen der Musik, weil ich glaube, das ich da | |
| mehr Sachen machen und mich besser weiterentwickeln kann. Aber auch, weil | |
| ich hier oft auffalle und sehr viele Leute und jede Ecke kenne. Ich hab’ | |
| einfach Hunger auf mehr. | |
| Lesen Sie mehr über Musik an der Peripherie in der taz.amWochenende oder | |
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| 31 Jul 2017 | |
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| Katharina Schipkowski | |
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