Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Neues Album von Jay-Z: Abrechnung mit dem rappenden Ich
> Der US-Superstar übt auf seinem neuen Album „4:44“ Selbstkritik – und
> fordert von anderen HipHoppern mehr Zusammenhalt.
Bild: Jay-Z kritisiert sich auf seinem neuen Album selbst, eine Seltenheit im H…
Jay-Z bringt sich selbst um die Ecke. Als HipHop-Legende wird er
respektiert von Jung und Alt – den Ton im Rap gaben zuletzt aber andere
Künstler an. Also zieht Jay-Z den Trumpf und tötet sein Ego gleich zum
Einstieg seines neuen Albums „4:44“, das am Freitag erscheint. „Kill Jay …
heißt die Abrechnung, die Shawn Carter mit seinem rappenden Ich führt. Es
ist ein Geständnis voller Selbstzweifel und die Einlösung eines
Versprechens, das er vor vielen Jahren bereits auf „The Black Album“ abgab:
Jay-Z lässt seine Hörer wieder an sich heran.
Damals, vor 14 Jahren, kündigte der Rapper aus Brooklyn an, das Mic an den
Nagel zu hängen. Ironischerweise bewirkte er mit seinem vermeintlich
finalen Album das Gegenteil: „The Black Album“ erfand den Rapper Jay-Z neu.
Das lag nicht nur an den großen Produzenten der Stunde, die Kanye West, The
Neptunes und Just Blaze hießen, sondern an der tiefgreifenden Erzählung des
Rappers. Angereichert um Anekdoten seiner Mutter, wurde die Persönlichkeit
von Shawn Carter hinter der Player-Persona Jay-Z greifbar.
Wenig überraschend annullierte der damalige Mittdreißiger daraufhin sein
Karriereende. Die folgenden Alben aber enttäuschten. Mit Ausnahme des
Gangsterfilm-inspirierten Storytellings auf „American Gangster“ setzte sich
Jay-Z weniger mit seiner Musik ein Denkmal, sondern profilierte sich als
Geschäftsmann und gab an der Seite von Beyoncé den Promi-Gatten. Sein
populärster Coup: die Plattform Tidal, ein größenwahnsinniger [1][Angriff
auf den Streaming-Markt], mehrfach totgesagt und gerettet durch exklusive
Veröffentlichungsdeals mit Prince und Beyoncé.
Auf „4:44“ erfindet sich Jay-Z nun musikalisch neu: als erwachsenster
Rapper seiner Zeit. Im Zentrum der Platte, im titelgebenden „4:44“, steht
der Rapper für testosterongesteuerte Fehltritte ein. Die Fehler bei sich
selbst suchen: Auf dem Superhelden-Schlachtfeld, das sich Rap nennt, ist
das eine kleine Sensation.
Doch Jay-Z verweilt nicht im Privaten, er schlägt auch eine Brücke ins
Politische. Wenn Shawn Carter auf seinem dreizehnten Soloalbum den
Zusammenhalt der Familie predigt, spielt er nicht nur auf die Ehekrise und
die Zwillingsgeburt im Hause Carter-Knowles an. Wenn er den „Family Feud“
beiseite legen will, ruft er auch zur popkulturellen Solidarität auf.
Finanzielle Freiheit als einzige Hoffnung
Rap ist ein Milliardengeschäft und Jay-Z ein Mogul. Davon erzählt er in
„The Story of O. J.“, angelehnt an den ehemaligen American-Football-Spieler
O. J. Simpson, der sich einst in die US-amerikanische High Society
kämpfte, wo er sich heillos zwischen den Stühlen verlor, bevor ihn
schlimmere Dämonen heimsuchten.
Jay-Z ist heute eine Galionsfigur der erfolgreichsten afroamerikanischen
Popkultur, HipHop, und auch er weiß von einer rassistischen Sackgasse zu
erzählen: „Rich nigga, poor nigga, house nigga, field nigga – still nigga.…
Dort, wo keine Gleichheit erfahren wird, winkt die finanzielle Freiheit
vielen als einzige Hoffnung; in der gesellschaftlichen Realität aber bleibt
die Anerkennung meist aus.
Als Konsequenz des Ausschlusses fordert Jay-Z den Zusammenhalt im HipHop.
Seine Kampfschrift lässt er auf geradezu traditionelle Weise
instrumentieren: Der Chicagoer Produzent No ID, Mentor von Kanye West und
musikalische rechte Hand von Common, bestreitet die Produktion des Albums
im Alleingang und fasst um „4:44“ eine musikalische Klammer aus Samples.
Darunter finden sich Musikzitate, die sich nur einer wie Jay-Z leisten
kann, aber leider nicht immer überraschen. So bemüht man den abgedroschenen
Reggae-Klassiker „Bam Bam“ von Sängerin Sister Nancy und beschwört die
HipHop-Historie mit dem totgehörten Evergreen „Fu-Gee-La“ von The Fugees.
Besser funktionieren die Referenzspielchen, wenn Nina Simone und Stevie
Wonder zu Wort kommen und die Grundlage liefern für drastische
Bürgerrechts-Pamphlete. Man kann „4:44“ als Retro-Gehabe abtun oder aber
als minimalistische Großtat verstehen, die sich den neuesten Rap-Trends
nicht beugt. Das ist keine Selbstverständlichkeit für einen gestandenen
Endvierziger, der in einem Becken voll Hyperlink-aktiver Minderjähriger
schwimmt.
Doch „4:44“ funktioniert allein deshalb, weil Jay-Z in seiner
Selbstreflexion eine neue Gelassenheit findet. Wenn man Alter im Rap als
Stärke ausspielt, dann so.
4 Jul 2017
## LINKS
[1] /Konkurrenz-fuer-Spotify-und-Co/!5295213
## AUTOREN
Wenzel Burmeier
## TAGS
Jay Z
Rap
HipHop
Neues Album
Beyoncé
Kanye West
Rap
HipHop
Beyoncé
Popmusik
## ARTIKEL ZUM THEMA
Beyoncé und Jay-Z in Berlin: Hand in Hand bis zur Forbes-Liste
Beyoncé und Jay-Z boten eine fulminante Show im Berliner Olympiastadion.
Die sozialpolitische Wucht ging leidet vor lauter Liebesbeweisen unter.
Neues Album von Kanye West: Vor allem ein Publicity-Stunt
Zwischen Twittershitstorm und Erschöpfungssyndrom: HipHop-Superstar Kanye
West hat sein neues Album „Ye“ veröffentlicht.
Rap-Musik in der Peripherie: „Ich habe mich lange gefangen gefühlt“
Sie will weder für Female Rap, noch für Zeckenrap stehen. Die Rapperin
Haszcara über die Szene, ihre Kritik daran und warum das Genre „männlich“
ist.
US-HipHop-Almanach 2016: Harte Hunde, weiche Seiten
Es tut sich was im US-HipHop: Die Rollenmodelle bröckeln und Trumps
Wahlsieg führte zur Politisierung. Wer kann davon künstlerisch profitieren?
Konkurrenz für Spotify und Co.: Der Streaming-Krieg
Der Siegeszug des Streaming scheint unaufhaltbar, doch die Künstler werden
schlecht entlohnt. Nun entwickeln findige Managements eine neue Strategie.
Neues von Beyoncé, Rihanna & Kanye: Don’t call it a comeback
Beyoncé macht Protestgesten, Rihanna postet Fotos, Kanye bricht einen
Twitter-Beef vom Zaun. Um die Musik allein geht es längst nicht mehr.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.