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# taz.de -- Neues von Beyoncé, Rihanna & Kanye: Don’t call it a comeback
> Beyoncé macht Protestgesten, Rihanna postet Fotos, Kanye bricht einen
> Twitter-Beef vom Zaun. Um die Musik allein geht es längst nicht mehr.
Bild: Großer Auftritt beim Superbowl 2016: Beyoncé mit ihren Tänzerinnen.
Nach Plan läuft es nur bei Beyoncé. Am Sonntag veröffentlichte sie ihre
Single „Formation“, ein Tribut an die afroamerikanische Kultur des Südens
zwischen New Orleans und Texas. Abends trat sie damit beim Superbowl auf.
Ihr Kostüm war eine Referenz an Michael Jackson, ihre Backgroundtänzerinnen
trugen Barett und Lederjacke, die Uniform der Black Panther Party.
Später zirkulierten Fotos von ihnen, auf denen sie „Justice for Mario
Woods“ forderten. Der 26-jährige Afroamerikaner wurde im Dezember in San
Francisco von der Polizei erschossen. Beyoncé orchestriert die Protestgeste
so makellos, wie sie den Rest ihrer Karriere orchestriert hat – zur
Primetime in alten und neuen Medien.
Dabei ist eigentlich der Fehler mittlerweile King in der Kulturindustrie.
Vor zwei Wochen gelangte Rihannas neues Album „ANTI“ durch einen Fehler
zwei Tage zu früh ins Netz. Ihr Label verschenkte daraufhin wie geplant
eine Million Downloads, bevor man es kaufen und streamen konnte. Finanziell
schadet Rihanna das alles nicht, das Album ist durch einen
25-Millionen-Deal mit Samsung finanziert.
Weil „ANTI“ aber an einem Mittwoch anstatt regulär an einem Freitag
veröffentlicht wurde, zählen nur die Verkäufe und Streams aus zwei Tagen
für Rihannas erste Chartswoche. In den Billboard-Charts reichte es so nur
für Platz 27. Aber auch das ist eine News, und die Kritiker lieben ihr
Album trotzdem.
So wie auf „ANTI“ haben sie Rihanna nicht gekannt. Die Fließbandhits aus
den schwedischen Pop-Fabriken fehlen ebenso wie das Flirten mit
Stadion-Rave des Vorgängeralbums „Unapologetic“. Stattdessen flirtet sie
mit Neosoul und Reggaeton und lässt die Hihats flirren, als wäre sie eine
Homestudio-Rapperin im ersten Semester.
## Produzenten
All das hat einen einfachen Grund: ihre Produzenten. Auf „ANTI“ sind keine
zwei Songs von der gleichen Person abgemischt. Dazu bedient sich Rihanna
aus dem Pool derjenigen, die gerade eh in der HipHop und R-&-B-Oberliga
herumgereicht werden. Der Reggaeton-Rhythmus auf ihrer Single „Work“ kommt
von Boi-1da, einem jamaikanisch-kanadischen Produzenten, der mit seiner
Arbeit für Drake und Kendrick Lamar gerade für zwei Grammys nominiert ist.
Für die überproduzierten Rockgitarren auf „Woo“ zeichnet sich Hit-Boy
verantwortlich, dessen Breitwand-Sound schon Kanye West und Jay-Z auf
„Ni**as in Paris“ zu der nötigen Großmäuligkeit verholfen hat. Kanye Wes…
ehemaliger Geschäftspartner No I.D. hat ihr die Streicher-Samples für die
Liebesballade „Higher“ verkauft und Super-Producer Timbaland tut sich auf
„Yeah, I said it“ mit einem minimalistischen Slow Jam hervor.
„ANTI“ ist eine Platte, die allen das Gefühl gibt, das hier etwas nur für
sie dabei ist: für die Latino-Community in den USA, die gerade den
Durchbruch von Reggaeton in den Popmainstream abfeiert; für die Fans in der
Karibik, für die die in Barbados geborene Rihanna ein paar Zeilen auf
Patois singt; für die HipHop-Nerds, die sich über die neuesten Beats ihrer
Lieblingsproduzenten austauschen. Und natürlich für die große Masse an
Nebenbeihörern, für die Rihanna wieder ein paar tolle Hooklines im Angebot
hat.
## „Meine Stimme ist meine Rüstung“
„ANTI“ ist ein Album für das Spotify-Zeitalter. Für die, die mit dem Radio
groß geworden sind, mag es aufregend vielseitig sein. Aber eigentlich ist
es nur darauf angelegt, auf so vielen unterschiedlichen Playlists wie
möglich abgespielt zu werden.
Zusammengehalten wird all dies von Rihannas Stimme. Auch sie ist eigentlich
die Stimme einer Antidiva. Immer wenn der Gefühlsausbruch kommen müsste,
fällt sie in ein kühles, fast schnurrendes Timbre zurück. „Meine Stimme ist
meine Rüstung“, heißt es auf dem Cover von „ANTI“.
Geschmiedet hat sie Thaddis „Kuk“ Harrell. Der 51-Jährige arbeitet seit
2007 mit Rihanna zusammen, er hat an ihrem Überhit „Umbrella“
mitgeschrieben. Wenn darin das „ella, ella“ in ein „eh, eh, eh“ überge…
dann ist das Harrells Werk als Vocal Producer. Sein Werkzeug ist seine
Audiosoftware. Mit ihr hat er Rihannas Gesang wieder und wieder
aufgenommen, schließlich schneidet er aus all diesen Takes die finalen
Gesangsspuren zusammen.
Harrell korrigiert die Tonhöhe und setzt jeden Kiekser und Atmer an die
passende Stelle. Rihannas Gesang ist der Gesang einer Mensch-Maschine, die
jederzeit so klingen soll, als könnte sie einem in einer runtergekommenen
Bar ins Gesicht hauchen – die perfektionierte Authentizität.
## Die Sollbruchstelle ist eingeplant
Damit diese Perfektion nicht den Erfolg sabotiert, benötigt sie eine
Spielwiese. Imageproduktion im Pop funktioniert irgendwie dann am besten,
wenn ein Image eine Sollbruchstelle lässt, in der das Unvorhergesehene
passieren darf. Lady Gaga etwa hat sich dafür einen überbetonten Gang von
den Dragqueens abgeschaut, bei dem sie schon mal stolpert.
Rihannas Spielwiese ist ihr Instagram-Account. 33 Millionen Follower hat
sie dort, sie bekommen von Rihanna perfekt ausgeleuchtete Fotos vom
Shooting mit der Vogue, Werbung für ihre Sneaker-Kollektion und verwackelte
Videos mit der Familie. Auch ihren Imagewandel zum „Ghettogoth“ hat sie
dort dokumentiert. Venus X, eine New Yorker Latina-DJ und Gründerin der
einflussreichen GHE20G0THIK-Partyreihe, beschwerte sich daraufhin, dass
Rihanna ihre „Marke“ geklaut habe. Kurze Zeit später zog sie sich aus der
Musikszene zurück. Rihanna aber trägt auf Instagram weiter schwarz
lackierte Fingernägel – eine Sollbruchstelle soll der Karriere nicht
schaden.
Die Politologin Jodi Dean hat soziale Medien wie Instagram einmal als
„affektive Netzwerke“ bezeichnet. Wir nutzen sie, weil sie uns mit Menschen
verbinden, die wir irgendwie interessant finden. Die Netzwerke selbst
wollen uns möglichst intensiv an ihre Plattform binden und befeuern unsere
Affekte mit Babyfotos und Geburtstagserinnerungen, in der Hoffnung, uns
damit zu neuer Interaktion zu bewegen.
Für die Popkulturindustrie ist diese Interaktion zunehmend uninteressanter.
Stattdessen funktioniert sie wie zur Blütezeit von MTV. Dort sind die
Stars, hier sind wir, das Publikum, das auch nach dem x-ten Reply nie einen
Kommentar erhält. Es ist Marketing mit niedrigen Fixkosten, bei dem ein
Smartphone mit Twitter-App in den Händen eines narzisstischen Rapstars eine
ganze Promokampagne ersetzen kann.
## Ein neues Album
Diesen Freitag soll das neue Album von Kanye West erscheinen – weltweit
wird es aus dem Madison Square Garden in New York in ausgewählte Kinos
übertragen. Nur wie es heißt, weiß bis dato kaum jemand. „Vielleicht gibt
es einen neuen geheimen Albumtitel“, twitterte Kanye am Sonntag. Ob er das
ernst meint, weiß ebenfalls niemand. Vor zwei Wochen twitterte er das Foto
einer handgeschriebenen Tracklist für ein Album namens „Swish“.
Wenige Tage später verkündete er den neuen Albumtitel „Waves“ und begann
einen Twitter-Beef mit Rap-Kollegen Wiz Khalifa. Der warf ihm vor, sich mit
dem neuen Titel am Erbe des Ostküsten-Rappers Max B vergriffen zu haben,
dessen melodischer Rapstil als „Wave“ bezeichnet wird. Kanye feuerte
daraufhin eine Reihe von Tweets gegen Wiz Khalifa ab, die über 400
Millionen Mal gesehen wurden und damit das andere Pop-Ereignis des Tages –
die Veröffentlichung von Rihannas „ANTI“ – auf die Plätze verwiesen.
Wenige Tage später versöhnten sich die beiden Rapper und auch Max B freute
sich. Es sei super, von Kanye gedroppt zu werden, sagte er, demnächst
erscheine übrigens ein Dokumentarfilm über sein Leben.
Musikalisch zeigt sich Kanye West dabei übrigens weit weniger
konfliktfreudig als noch auf seinen vorherigen Platten. Zwei Stücke seines
neuen Albums hat er bereits veröffentlicht: die Ballade „Real Friends“ und
„No more Parties in LA“, in dem er gemeinsam mit Kendrick Lamar über einem
klassischen Indie-HipHop-Beat seine Rückkehr zur alten Rap-Schule seines
Debütalbums verkündet. Kanye produziert so den Soundtrack zum nächsten
#ThrowbackThursday: HipHop voll Nostalgie, aber die Vergangenheit so
perfekt reproduzierend, dass er nur unter den Bedingungen einer
durchdigitalisierten Kulturindustrie entstanden sein kann.
9 Feb 2016
## AUTOREN
Christian Werthschulte
## TAGS
Popmusik
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