# taz.de -- Neues Album von Beyoncé: Perfektion macht krank | |
> Die Königin ist zurück. Beyoncé Knowles veröffentlichte am letzten | |
> Freitag ein Album – das sich bis jetzt mehr als 828.000-mal verkaufte. | |
Bild: Feminismus und Selbstvermarktung: Beyoncé beim Super Bowl im Februar 201… | |
Über Nacht veröffentlichte Beyoncé Knowles ein Album – ohne Interviews, | |
ohne Promotion. Die Industrie macht das Produkt und wir, die Hörer, | |
produzieren kostenlos den Hype. 828.000-mal verkaufte sich „Beyoncé“ in den | |
ersten drei Tagen. | |
Es ist nicht nur ein Album, sondern eine Soap-Opera, zusammengestellt aus | |
17 Videos mit Ausschnitten aus dem Leben von Queen Bey, dem einzig wahren | |
Superstar. Wo Rihanna Tumblr-Seiten nach Ideen für Videos plündert und | |
Justin Bieber die Welt per Selfie von seiner Existenz versichern muss, | |
lässt sich Beyoncé von ihren Hofkünstlern in einer Serie von Lebendporträts | |
verewigen. | |
Der Modefotograf Terry Richardson inszeniert Queen Bey in Polaroidfarben in | |
einem Vergnügungspark, Jonas Åkerlund verpasst ihr einen Kapuzenpulli, in | |
dem sie vor einer Reihe aus gepanzerten Polizisten auftritt. Und der | |
Regisseur Hype Williams präsentiert Beyoncé in ihrer Paraderolle als | |
unerreichbare Diva von nebenan. So bündelt „Beyoncé“ Formen des Verlangen… | |
die bis in subkulturelle Nischen reichen. Ein linkes Medienkollektiv | |
illustrierte seine Soli-Bekundung mit dem Streik bei Amazon durch eine | |
Straßenkämpferszene aus dem Video zu „Superpower“. | |
Und der queer-feministische Freundeskreis freute sich auf Facebook über das | |
Sample der nigerianischen Autorin Chimamanda Ngozi Adichie in Beyoncés | |
Track „Flawless“, in dem Adichie kritisiert, dass Mädchen immer noch die | |
Ehe als Erfüllung des eigenen Lebens gepredigt bekommen. | |
Das Bewusstsein für die Nische hat Beyoncé von Lady Gaga gelernt, die die | |
Normabweichung zum Ideal erklärt hat. Nur dass dies bei Beyoncé innerhalb | |
ihrer Makellosigkeit funktioniert. „Perfection is a disease“, singt sie auf | |
„Pretty Hurts“, während sie vor einer Wand mit Pokalen steht. Schnitt. | |
Beyoncé mit der Krone eines Schönheitswettbewerbs. Schnitt. Beyoncé über | |
eine Toilette gebückt: Hübsch sein ist schmerzhaft. | |
## Behält die Kontrolle | |
Nur Beyoncés Make-up verschmiert auch dann nicht, wenn Tränen über ihr | |
Gesicht laufen und ihre Zähne sind auch nach dem Kotzen noch blendend weiß. | |
Beyoncé bleibt auch völlig zerstört noch die „Independent Woman“, die | |
Königin, die keinen Schönheitswettbewerb nötig hat. | |
Ist das jetzt Feminismus oder Selbstvermarktung? Oder beides? In „Drunk in | |
Love“ turtelt Beyoncé mit ihrem Ehemann Jay-Z am Strand, der sich in seinem | |
Gastvers mit Ike, dem prügelnden Ehemann von Tina Turner vergleicht. | |
Dennoch behält Beyoncé die Kontrolle und nicht ihr Ehemann. Sie ist „Boss | |
Bitch“, die Frau, die sich die Macht innerhalb einer männlichen Struktur | |
nimmt, ohne die Strukturen zu verändern. | |
Das Kunstprodukt Beyoncé lebt durch diese Widersprüche. Aber sie treten | |
erst zutage, wenn man die betörendste Oberfläche hinter sich lässt: die | |
Musik. Großartige Singles hatte Beyoncé Knowles immer, aber jetzt ist sie | |
zur Albumkünstlerin geworden. „Pretty Hurts“ ist eine R&B-Ballade mit | |
hymnischem Chorus, auf „Haunted“ flirtet sie mit Dubstep, bei dem die | |
Vulgarität des Drops in feinstaubiger Eleganz aufgelöst wird. Highlight ist | |
aber „Superpower“, ihr Duett mit Frank Ocean. | |
Über einem minimalistischen Beat aus Stimmenschnipseln und Fingerschnipsen | |
versteigt sich Beyoncés Stimme immer weiter, während Ocean ihr | |
sanft-raubeiniges Gegenstück gibt. „Yes, we can“ singt Beyoncé, und es ist | |
falsch. Nicht „wir“ können das. Nur Beyoncé kann es, unsere Queen Bey. So | |
schön wird man selten belogen. | |
19 Dec 2013 | |
## AUTOREN | |
Christian Werthschulte | |
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Neues Album | |
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