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# taz.de -- Album „Culture“ von Migos: Skurr skurr, brra!
> Mit ihrem neuen Album erheben die drei Rapper von Migos aus Atlanta
> Anspruch auf den HipHop-Thron. Fest steht: Sie beherrschen ihren Trap.
Bild: Wissen die Tanten von den Skibobs? Migos mit Bitches
Quavo, Takeoff und Offset sind eingeschnappt – daraus machen die drei
Rapper aus Atlanta mit dem Crew-Namen Migos überhaupt keinen Hehl. „Es gibt
Künstler, die weit berühmter sind als wir, aber sie haben die Anerkennung
ausschließlich für unseren Flow bekommen“, erklärte Offset anlässlich der
Veröffentlichung des neuen Migos-Albums, „Culture“, dem
US-Internet-Musikmagazin Fader. „Wir haben sehr viel für HipHop getan.“
Damit spielt der 25-jährige Kiari Cephus, wie Offset bürgerlich heißt, auf
den charakteristischen Flow von Migos an. Flow, das bedeutet im Rap die Art
und Weise, die Silben auf den Beats auszubreiten, sie darüber fließen zu
lassen. Und bei Migos fließen meist je drei Silben zwischen zwei Takten.
2013 trug es sich zu, dass Migos den Song [1][„Versace“] (Ver-sa-ce, Sie
ahnen das Spielchen!) veröffentlicht haben. Aber erst nach einem [2][Remix
zusammen mit dem kanadischen Rapstar Drake], der dabei ihren Flow
adaptierte, ging der Song durch die Decke. Künstlerpech!
Andere Konkurrenten folgten dem Beispiel von Drake, kopierten Migos’
Rap-Stil, während sich die Rapper aus Atlanta übergangen fühlten. Angefügt
sei hier nur, dass die Gruppe Three Six Mafia aus Memphis jenen
Dreisilben-Stil bereits 1994 angewendet hatte – was soll’s: Migos haben
Flow in den letzten Jahren definitiv wiederbelebt und weiterentwickelt.
Nicht umsonst wird der Stil inzwischen Migos- oder Versace-Flow genannt.
Nun also veröffentlichen die drei Künstler „Culture“. Mit diesem düsteren
neuen Werk erhebt das reichlich angesäuerte Trio Anspruch auf den
HipHop-Thron. Nach einer Kaskade von Mixtapes und dem Debütalbum [3][„Yung
Rich Nation“] (2015) tönt es auf dem neuen Album leider erst mal
reaktionär, was HörerInnen schon in den ersten paar Sekunden
entgegengebrüllt wird. „Leugnet ihr, dass Migos Teil der Kultur sind?“,
schreit Featuregast DJ Khaled.
Was danach folgt: düstere, nachtragende Bässe, ratternde Hi-Hats und viel
zu laute Snareschläge. Migos beherrschen ihren Trap, so heißt die tief in
der DNA Atlantas verwurzelte Spielart von Rap.
## Stumpf-schöner Atlanta-Rap
Ursprünglich war Trap in den Neunzigern entstanden. Seine Klangsignatur
basiert auf dem Drumcomputer TR-808 von Roland, übrigens genau wie das
Südstaaten-Genre Miami Bass. Gleichzeitig ist Trap auch Slangausdruck für
einen Ort, an dem Drogen verkauft und konsumiert werden. In den nuller
Jahren waren die stilprägenden Trap-Künstler Young Jeezy und Gucci Mane –
beide aus Atlanta. Dass Gucci Mane nun einen Gastauftritt auf „Culture“
hat, kommt für Migos einer Adelung gleich.
Auf [4][„Slippery“] rappen Gucci und seine Nachkömmlinge über Kroketten,
Frauen (Pardon: Bitches), Air Jordans, Codein-Hustensaft und ihre Tanten.
Migos sind nämlich untereinander verwandt. Weniger bizarr wird es
inhaltlich kaum, aber gehaltvoller auch nicht. Würden Migos eine
Gleichstellungsbeauftragte beschäftigen, sie hätte viel zu tun.
Bei allen – auch textlichen – Kontroversen, musikalisch ist „Culture“ e…
energiegeladenes, konsequent stumpf-schönes Dokument von Atlanta-Rap 2017.
Das liegt auch an den seltsamen Lauten, die die Rapper zwischen die Zeilen
einstreuen, sogenannte Adlibs: „Skurr skurr“, „Brra“ und „Ahh“ sind…
dieser nonverbalen Einwürfe, bei denen konservative HipHop-Fans Hühnerpelle
bekommen und die Nackenhaare aufstellen. Derweil setzt die Generation
Snapchat kollektiv zum [5][Dab] an, jenem Tanz, den Migos berühmt gemacht
haben und den auch schon Hillary Clinton bei der US-Talkerin Ellen
DeGeneres vollführt hat.
Allein 131.000 Mal ging das Migos-Album in der ersten Verkaufswoche über
die US-Ladentische, es gab mehr als 116 Millionen Streams. Ziemlich
erfolgreich für junge Künstler, die sich laut Eigenaussage auf dem Track
[6][„Call Casting“] bis vor Kurzem einseitig von Nudeln ernährt haben („…
came up from noodles“).
Dass mit „Culture“ allerdings eine neue Zeitrechnung im HipHop beginnen
würde, wie andernorts zu lesen war, dafür fehlen die Belege. Das Album ist
zwar ein in sich geschlossenes Trap-Lehrstück, für das Migos hoffentlich
nun bald die verdiente Anerkennung bekommen, bis zur Genrerevolution dauert
es aber noch ein paar Stündchen.
17 Feb 2017
## LINKS
[1] https://vimeo.com/76264500
[2] https://www.youtube.com/watch?v=6vUr07_kpKo
[3] https://www.youtube.com/watch?v=aIOK1cm0BO8&list=RDaIOK1cm0BO8#t=8
[4] https://www.youtube.com/watch?v=jPajWtrDRFk
[5] https://www.youtube.com/watch?v=WkNL_cfVyWU
[6] https://www.youtube.com/watch?v=exbj5VQ_0Mg
## AUTOREN
Yannick Ramsel
## TAGS
Rap
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