| # taz.de -- Mixtape von Erykah Badu: Horrorvision leerer Akku | |
| > Die Grande Dame des Soul und Hip-Hop widmet sich auf ihrem Mixtape „But | |
| > You Caint Use My Phone“ der Liebe in Zeiten des Smartphones. | |
| Bild: Hotline Bling? But You Caint Use My Phone! | |
| Hat das Smartphone die Liebe getötet? Wer ohne Akku in der Öffentlichkeit | |
| unterwegs ist, kann sich jedenfalls herrlich vor kollektiv gesenkten Köpfen | |
| und zärtlichen Streicheleinheiten für Retina-Displays gruseln. Vielleicht | |
| aber sind diese Menschen ja gar nicht asozial. Vielleicht ist nur das arme | |
| Schwein, dessen Akku leer ist, einsam und allein? | |
| „Was nicht kommuniziert wird, ist nicht, und je mehr etwas kommuniziert | |
| wird, desto mehr ist es“, würde Medienphilosoph Vilém Flusser wohl dazu | |
| sagen. Und: „I know when that hotline bling, that can only mean one thing“, | |
| würde Rapper und R&B-Sänger Drake vermutlich antworten. Letzterer hat mit | |
| seiner melancholischen Booty-Call-Hymne „[1][Hotline Bling“] den Hit des | |
| Herbstes gelandet. Und keine geringere als Erykah Badu, Grande Dame des | |
| zeitgenössischen Soul und Hip-Hop, nahm diesen Song zum Anlass, ein Mixtape | |
| zum Thema Telefon innerhalb von zwei Wochen aufzunehmen – und an | |
| Thanksgiving mit der Welt zu teilen. | |
| Es ist ein ziemlich cool umgesetztes Konzept, das sehr spontan und direkt | |
| aus der Seele von Badus Musik entsprungen zu sein scheint. Denn Beziehungen | |
| waren schon immer das große Thema, um das sich die zarten, groovigen, | |
| abgespaceten Songs der 44-jährigen Sängerin mit dem wunderbar nasalen | |
| Timbre drehten. Beziehungen zu Liebhabern, zum Universum, zu sich selbst. | |
| Dass sich die gebürtige Texanerin fünf Jahre nach ihrem letzten Album nun | |
| dem Medium zuwendet, das all unsere Beziehungen inzwischen von Grund auf | |
| verändert hat, ist da nur folgerichtig. | |
| ## Flatrate-Ära | |
| Die elf Songs auf „But You Caint Use My Phone“ (sic), von denen einige | |
| „nur“ Soundexperimente und gefreestylte Songskizzen sind, hat Badu | |
| gemeinsam mit Schulfreund Zach Witnessin in ihrem Wohnzimmer in Dallas | |
| produziert. Den Titel verdankt das Mixtape einer Zeile aus Badus | |
| Schlussmach-Song [2][„Tyrone“] von 1997, die in unserer Flatrate-Ära | |
| seltsam analog anmutet: Ruf deinen Freund an, um dir beim Packen zu helfen, | |
| sang sie da: „But you caint use my phone“. | |
| Soundmäßig dagegen bleibt das Analoge bei Badu, die auf ihren fünf Alben | |
| die Kerngenres Soul, R&B und Hip-Hop mit der Haltung einer Jazzkünstlerin | |
| stets ausreizte, diesmal eher im Hintergrund: Neben den für Badus Werk | |
| leitmotivischen Fender-Rhodes-Akkorden sind es vor allem Signaltöne, | |
| Freizeichen und Vibrationen, die recht unaufdringlich mal auf einen | |
| zurückgelehnten Trap-Beat gesetzt werden, mal auf groovige | |
| Synthesizer-Stücke oder einen 80er-Jahre-Wahnsinn à la „[3][Planet Rock“]. | |
| Auch textlich spielt das Telefon die Hauptrolle, wobei diese | |
| unterschiedlich ausgefüllt wird. Auf der erotisch-bouncigen Nummer | |
| „What’sYo Phone Number“ etwa wird das Telefon zum elementaren | |
| Flirtinstrument deklariert. Im basslastigen „Phone Down“ ist das | |
| Niederlegen des Smartphones wiederum die große Herausforderung, die der | |
| erotischen Beziehung im Weg steht. Ungebrochener Fortschrittsoptimismus | |
| klingt anders. | |
| ## Ungesperrtes Smartphone | |
| Ein wahres Juwel unter den Songs heißt schlicht „Hello“ und wurde von der | |
| [4][Isley-Brothers-Ballade „Hello It’sMe“] inspiriert. Badu ist darauf | |
| gemeinsam mit Outkast-Mitglied Andre3000 zu hören, der nicht nur Vater | |
| ihres 18-jährigen Sohnes Seven ist, sondern über die Jahre immer wieder | |
| musikalisch an ihrer Seite stand. Wie eine Art Bewusstseinsstrom kommen die | |
| assoziativen Zeilen des Rappers daher, der den größten Liebesbeweis darin | |
| beschreibt, sein Smartphone ungesperrt und sichtbar neben seiner Dame | |
| liegen zu lassen. | |
| Wie bei Mixtapes so üblich, finden sich auch Referenzen beziehungsweise | |
| Covers anderer Künstler auf „But You Caint Use My Phone“. Eine fast | |
| humoristische Version des [5][Usher-Songs „U Don’tHave to Call“] von 2001 | |
| liefert Badu, indem sie das Wort „girl“ ständig durch „squirrel“ | |
| (Eichhörnchen) ersetzt. Und natürlich fehlt auch der Drake-Hit „Hotline | |
| Bling“ nicht, dem die Musikerin eine eigene Note gibt und den sie über | |
| sieben Minuten so großartig trägt, als habe sie den Song selbst | |
| geschrieben. Unbedingt auf Repeat schalten, bis der Akku alle ist. | |
| 3 Dec 2015 | |
| ## LINKS | |
| [1] https://www.youtube.com/watch?v=CL1GEyK9Y0o | |
| [2] http://www.dailymotion.com/video/x1xk76_tyrone_music | |
| [3] https://www.youtube.com/watch?v=EGh_5lL4z1Q | |
| [4] https://www.youtube.com/watch?v=R7VBUDL7PCk | |
| [5] https://www.youtube.com/watch?v=3AszPTJXIgM | |
| ## AUTOREN | |
| Fatma Aydemir | |
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