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# taz.de -- Erykah Badu in Berlin: Der Gospel des Empowerment
> Erykah Badu inszeniert im Berliner Tempodrom ihre Songs als Gesamtwerk
> ohne Brüche: Unbeirrbar, ein wenig unbelehrbar, Geschichtsstunde
> inklusive.
Bild: Was für Haare! Erykah Badu.
BERLIN taz | Der DJ wusste, was kommen würde. Schon vor Beginn des Konzerts
beschallt er das Berliner Tempodrom mit alten HipHop-Platten: [1]["You down
with O.P.P.?"] von Naughty by Nature. Klar, aber deswegen ist niemand hier.
Denn alle wollen sie sehen - die "Badu". So wiederholen es die vier
Sängerinnen immer und immer wieder, bevor Erykah Badu endlich die Bühne
betritt.
Sie trägt einen Bugsy-Malone-Hut und einen weiten Poncho. "The Revolution
will not be televised", ist darauf gedruckt. Es ist ein berühmtes Zitat von
Gil Scott-Heron, dem kürzlich verstorbenen "Godfather of Rap". Am Mittwoch
war es der Einstieg in eine Geschichtsstunde. Badu beendet ihn mit einer in
die Luft gestreckten Faust, dem Gruß der Black Panthers.
Erykah Badu hat eine Mission. Sie will die Vergangenheit erinnern. Und zwar
nicht irgendeine Vergangenheit, sondern die große Geschichte der
afroamerikanischen Sechziger und Siebziger: Bürgerrechtsbewegung, Marvin
Gaye, Nina Simone. Aber um sich selbst im Pantheon dieser Geschichte
verewigen zu können, fehlt ihr der eine große Hit. Noch sind ihre Songs
nicht zum Soundtrack einer Antikriegsbewegung oder der ersten gemeinsamen
Nacht geworden.
## Gesamtwerk ohne Brüche
Doch im Tempodrom spielte genau das keine Rolle. Denn ein Überhit
degradiert den Rest des Werks immer auch zu Füllmaterial und so etwas hat
die Badu nicht im Repertoire. Stattdessen inszeniert sie ihre Songs als
Gesamtwerk ohne Brüche: unbeirrbar und auch ein wenig unbelehrbar. Einzelne
Stücke enden im Medley, so als wäre das nicht eine aktuelle Tournee,
sondern Werbung für die Greatest-Hits-Platte.
Und ihre Band ist der perfekte Soundtrack für diese Form von Retromanie:
ein Ensemble aus Percussion, Keyboard und Querflöte. Es ist die
Standardbesetzung von Soulbands aus den goldenen 1970ern, ergänzt durch ein
paar Laptops, mit denen ein Sound wiederbelebt wird, der mit dem Aufkommen
des Samplings schon längst verschwunden war.
## Von der Lehrerin zur Hohepriesterin
Ihre Inszenierung ist wie gemacht für das popgeschichtliche Seminar. Doch
dem Lernerfolg steht immer wieder die Begeisterung im Weg: Immer wenn ihre
Band Erykah Badu mit ihrem Gesang alleine lässt, mutiert sie von der
Lehrerin zur Hohepriesterin ihrer eigenen Community.
Auf ihre Version von Diana Ross [2]["Believe in yourself"], antwortet
jemand mit "Oh, we will try". Und als am Ende eines Gesangssolos "We love
you" von den Rängen in die Stille gerufen wird, formt Badu im Spot des
Scheinwerfers ein Herz mit ihren Händen, so als hätte sie echte Liebe
gesampelt. In diesen Momenten wird klar, was sie von der Ironie der
jüngeren HipHop-Generation unterscheidet, die sich mit ihrem Publikum darin
einig ist, dass am Ende doch nur die Witze zählen. Erykah Badus Community
hört auf den Gospel des Empowerment.
## Konzert mit Geschichtsstunde
Deshalb verzeiht man ihr an diesem Abend, ihrem zweiten Konzert in
Deutschland in diesem Jahr, vieles. Nach zwei Stunden, auf dem Höhepunkt
der Zugabe, ergeht sich Badu in einem minutenlangen Vortrag über die
mexikanischen Zapatistas, die mit friedlichen Mitteln das Militär dazu
gezwungen hätten, von ihrem Land abzuziehen. Das Publikum lauscht wie in
einer Vorlesung, bevor die Geschichtsstunde im Soul Train endet.
[3]["Soldier"] wird zu einem minutenlangen Call-and-Response, an dessen
Ende Badu wieder einmal allein im Scheinwerferlicht steht. Sie stimmt
[4]["Window Seat"] an, diese Hymne auf den Schmerz einer Trennung, die
niemals endgültig sein wird. Im Videoclip zum Song läuft sie an den Ort in
Dallas, an dem JFK erschossen wurde. Aber am Mittwoch ist Badus dräuende
Symbolik unwichtig. An diesem Abend wären wir ihr überallhin gefolgt.
4 Aug 2011
## LINKS
[1] http://www.youtube.com/watch?v=mJgFU3U4X_Y
[2] http://www.youtube.com/watch?v=hFeWTNBCz04
[3] http://www.youtube.com/watch?v=BsEVAYVX6Wc
[4] http://www.youtube.com/watch?v=tK0CUdy3vSw
## AUTOREN
Christian Werthschulte
## TAGS
Soul
Rap
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