# taz.de -- Rapper MHD: „Ich schreibe alles auf“ | |
> Der Pariser Rapper MHD über den Verbleib seines Trinkgelds, Unterschiede | |
> zwischen Pizzaboten und Popstars sowie das Land der Black Panther. | |
Bild: MHD live 2018: Selfies mit den Fans | |
taz: Im Teaser-Film zu Ihrem neuen, „19“ betitelten Album laufen Sie durch | |
die Savanne und treffen auf einen Löwen. Dabei tragen Sie eine goldene | |
Krone – allerdings nicht auf dem Kopf, sondern in der Hand. Wie | |
interpretieren Sie diese Szene? | |
MHD: Ich gehe auf mein Dorf zu, kehre also zu meinen Ursprüngen zurück, und | |
begegne dem König der Savanne. Als er sich dann vor mir hinlegt, sagt er | |
mir damit: Jetzt bist du König. Aber die Krone setze ich mir nicht auf, | |
denn noch kennt man mich als den „Kleinen Prinzen des Afro Trap“. Ich muss | |
noch viele Stücke veröffentlichen und mich beweisen, bevor ich gekrönt | |
werde. | |
Das muss man sich verdienen? | |
Was mich betrifft, ja. Zum Prinzen habe ich mich auch nicht selbst ernannt. | |
Diesen Spitznamen, auf den ich in meinen Songs gern anspiele, haben mir | |
meine Fans gegeben. | |
„Für den Erfolg gibt es kein Geheimnis / Der Weg ist meine | |
Entschlossenheit“, rappen Sie im Song „Bravo“. Sind Sie ehrgeizig? | |
Ich habe es nicht darauf angelegt, aber geträumt, ein Star zu werden, habe | |
ich schon. Der Durchbruch kam völlig unerwartet. Ausgelöst hat ihn ein | |
15-sekündiges Video, das ich während der Ferien in Südfrankreich gepostet | |
hatte. Diese plötzliche Aufmerksamkeit habe ich als Chance erkannt und mir | |
gedacht: Das passiert dir kein zweites Mal. Zurück in Paris habe ich dann | |
100 Prozent gegeben, sogar Krankheiten vorgetäuscht, um nicht zur Arbeit zu | |
müssen. Stattdessen bin ich ins Studio, um Afro-Trap-Tracks zu produzieren. | |
Was für ein Studio war das? | |
Ein kleines Studio nahe der Bastille, das man für 30 Euro die Stunde mieten | |
kann. Mein ganzes Trinkgeld als Lieferant ist reingeflossen. | |
Wie haben Sie Ihren plötzlichen Erfolg erlebt? | |
Vom Pizzaboten zum Weltstar, quasi über Nacht, der Wandel war recht krass. | |
Nun lebe ich komfortabler, gehe aber immer noch mit den alten Freunden aus. | |
Ich bin umgezogen, komme aber oft zu Besuch in meinen Kiez. Dass meine | |
Freunde stets mit auf Tour kommen, hilft mir jedenfalls sehr, Bodenhaftung | |
zu bewahren. Wenn ich mal schlechte Laune bekomme, zögern sie nicht, mich | |
darauf aufmerksam zu machen. Dank ihnen und meiner Familie vergesse ich | |
nie, woher ich komme. | |
Die Stimmung auf dem neuen Album ist teils fröhlich, teils melancholisch | |
und nachdenklich. | |
Beim Debütalbum blieb ich im Egotrip-Modus. Ich kam gerade erst im | |
Musikbusiness an, musste mich orientieren. Die Stücke waren eher zum Tanzen | |
gedacht. Mit dem neuen Album „19“ möchte ich meine Hörer in meinen Alltag | |
einladen, damit sie mich, als MHD sowie als Mohamed, besser kennenlernen. | |
Im Song „Encore“ meinen Sie, die entscheidende Frage sei nun, ob man Sie in | |
vier oder fünf Jahren noch gut finden wird, und klingen dabei sehr | |
abgeklärt. | |
Es ist mein Lieblingsstück. Ich habe es während meiner US-Tour komponiert, | |
als ich erstmals Ruhe fand, die letzten zwei Jahre Revue passieren zu | |
lassen. Was meine Kumpels und ich erlebt haben: All die Reisen, all die | |
Konzerte, das ist schon verrückt. | |
„Der Erfolg kann Angst machen / Er zieht das böse Auge an“, lautet eine | |
Zeile in „Bravo“. Ist die Stimmung in der Afro-Trap-Szene eher von | |
Konkurrenz oder von Solidarität geprägt? | |
Konkurrenz gehört zum Game, aber die Solidarität ist groß. | |
Wie drückt sich das aus? | |
Man versteht sich, man pusht sich, auch wenn man nicht zusammenarbeitet – | |
und dann gibt’s die Features als Dank. | |
Auf Ihrem neuen Album tauchen große Namen auf, die Gastbeiträge machen. | |
Es sind alles Künstler, die ich schätze und bereits hörte, als ich selbst | |
noch gar keine Musik gemacht habe. Es ist mir eine Ehre, sie nun auf meinem | |
Album zu beherbergen. | |
Die Mischung ist absolut gelungen. Beteiligt sind etwa die nigerianischen | |
StarsängerInnen Yemi Alade und Wizkid, die britischen und französischen | |
RapperInnen Stefflon Don und Orelsan sowie Dadju, der aus einer | |
Musikerfamilie stammt – sein Vater sang an der Seite von Papa Wemba, dem | |
Star der kongolesischen Rumba. Und dann gibt es noch Koys, einen Partner | |
der ersten Stunde. | |
Mit Koys bin ich zusammen in Paris aufgewachsen. Ich wollte ihn schon zu | |
einer Kooperation auf dem Debüt einladen, fand aber kein Stück, das zu uns | |
beiden passte. Diesmal hat’s geklappt. Dadju und ich sticheln gern in den | |
sozialen Medien gegeneinander. Also schickte ich ihm mal aus Spaß einen | |
Track und provozierte ihn, ob er was damit anfangen könne. Im Pingpong ist | |
dann ein Stück mit Potenzial entstanden. Bei einem Konzert von Orelsan | |
wiederum wurde ich von seiner Energie sofort absorbiert. Direkt nach seinem | |
Auftritt habe ich ihn gefragt, ob er Interesse an einer Zusammenarbeit | |
hätte. Tatsächlich spielte er mit der gleichen Idee. Dass sich die Künstler | |
auf meinem Album gut ergänzen, ist aber reiner Zufall. Ich habe wirklich | |
nur nach Affinität gesucht. | |
Was verbindet Sie mit dem malischen Sänger Salif Keïta, dessen Stimme das | |
Album eröffnet? | |
Salif Keïta hat bei mir zu Hause mehrere Generationen geprägt. Seine Musik | |
läuft auch oft bei Hochzeiten. Meine Eltern waren überglücklich, dass wir | |
zusammenarbeiten. | |
„Wissen ist Reichtum / Familie das beste Team“, heißt es in „Papalé“.… | |
Eltern stammen aus Senegal und Guinea. Wie wurde im Kreis der Familie die | |
Kultur ihrer ersten Heimat vermittelt? | |
Vor allem durch die Musik, die bei uns zu Hause lief, ob Afropop oder | |
-folk. Früh habe ich dann selbst nach anderen afrikanischen Sounds | |
recherchiert und spielte mein neu Entdecktes wiederum meinen Eltern vor. | |
Wir tauschen uns viel aus, das genieße ich sehr. | |
Wie gehen Sie bei der Recherche vor? | |
Ich schöpfe aus allem. Bei Freunden, im Netz und auf Reisen halte ich die | |
Ohren offen. Auf der Tour durch Afrika sind so viele Sounds in meinen Kopf | |
gedrungen, bam bam bam! Ich schreibe mir alles auf. | |
In dem Song „Bodyguard“ rappen Sie: „Ich komm aus Wakanda“, dem fiktiven | |
afrikanischen Land aus der Kinoadaption des Marvel-Comics „Black Panther“. | |
Ja, die Punchline kam, als ich den Film gesehen habe und mit der | |
Vorstellung spielte: Yeah, ich bin Black Panther (MHD kreuzt die Arme vor | |
der Brust), ich komme aus Wakanda! | |
Sind Sie gleich ins Kino gerannt, als der Film rauskam? | |
Erst nach einem Monat habe ich es geschafft. | |
Dann kannten Sie bestimmt schon alles aus Erzählungen. | |
Nein, sobald einer anfing, davon zu reden, habe ich mir die Ohren | |
zugehalten oder bin direkt aus dem Raum gerannt! Keiner sollte mir den Spaß | |
verderben. | |
Was hat Ihnen an dem Film gefallen? | |
Dass es ein Marvel à l’africaine ist. Zudem konnte ich mich an diesem Mix | |
aus einer afrikanischen Stadt, die mit modernster Technologie ausgestattet | |
ist, und diesen prachtvollen Naturlandschaften nicht sattsehen. Es war | |
wunderschön. | |
Wäre das eine Utopie für Afrika? | |
Es ist eine Hoffnung. | |
Fühlen Sie eine Verantwortung als erfolgreicher Musiker? | |
Ja. Weil meine Songs auch sehr junge Hörer erreichen, passe ich | |
mittlerweile darauf auf, was ich erzähle. Meine Crew und ich versuchen nun | |
noch mehr, ihnen ein gutes Vorbild zu sein, positive Botschaften zu liefern | |
und dabei gleichzeitig eine gewisse Lebensfreude zu vermitteln. | |
27 Sep 2018 | |
## AUTOREN | |
Elise Graton | |
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