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# taz.de -- Partybetreiberinnen über „hoe_mies“: „Frauen*, Queers, Peopl…
> Gizem Adiyaman und Lucia Luciano starteten „hoe_mies“, eine Partyreihe
> für Frauen* und queere Persons of Color. Männer dürfen rein – nur nicht
> auflegen.
Bild: Ein empowerndes Team: Gizem Adiyaman und Lucia Luciano
taz: Frau Adıyaman, Sie machen [1][die Hip-Hop-Partyreihe] [2][„hoe_mies“].
Auf dem „splash!“, einem großen Hip-Hop-Festival, haben Sie vor ein paar
Wochen einen Abend lang eine Bühne bespielt und die Party im August in
Berlin musste in einen größeren Ort verlegt werden – läuft gut bei Ihnen,
oder?
Gizem Adıyaman: Ich würde schon sagen, dass wir damit ganz gut fahren.
Anfangs dachten wir, wir machen das für uns und unsere Freund*innen und
deren Freund*innen. Dann war aber direkt bei der ersten Party schon
Einlass-Stop. Und so ging es dann eigentlich nur weiter.
Was ist das Konzept hinter „hoe_mies“, das so gut ankommt?
Die Idee ist, einen Raum innerhalb von Hip-Hop zu schaffen, der sich
Frauen* und genderqueeren Personen of Color widmet. Natürlich in allen
Intersektionen dieser Identitäten. Wir buchen also keine cis-männlichen
DJs, wir buchen nur unsere eigene Community. Eben weil wir in der Szene so
stark marginalisiert werden. Am Anfang haben wir das eigentlich nur
gemacht, um uns selbst was zu beweisen. Aber auch, um gegen eine Szene zu
protestieren, die sehr ausschließend gegenüber Frauen* und Menschen aus der
LGBTQI-Community ist. Also die deutsche Hip-Hop-Szene allgemein, aber auch
die Berliner Hip-Hop-Party-Szene.
Wie oft kriegen Sie den Vorwurf zu hören, Sie würden weiße cis-Männer
diskriminieren?
Ach, irgendwie hat das aufgehört. Das war anfangs ein bisschen so, aber
mittlerweile wissen die Leute, worum es geht. Und es ist ja nun auch so,
dass cis-Männer, vor allem [3][weiße] cis-Männer, überall hin Zugang haben
und du sie auf jeden Partys findest. Da kann es auch mal eine Party geben,
wo das nicht der Fall ist.
Also kommen weiße cis-Männer nicht rein?
Doch, natürlich. Wir sagen immer, auf unsere Partys können alle kommen, die
unser Konzept supporten. Nur bei der Party involviert, sprich an den Decks
oder auf der Bühne, sind keine cis-Männer. Aber sonst: kommt gerne vorbei
und lasst euer Geld da. Ich finde aber wichtig, seine Intentionen zu
hinterfragen, warum man zu unserer Party möchte. Also nicht einfach nur auf
den Hype aufzuspringen. Denn mit unserer wachsenden Bekanntheit kommen auch
immer mehr privilegiertere Personen zu den Partys. Was prinzipiell nicht
schlimm ist, aber unser Raum soll trotzdem als Empowerment-Space für
People of Color verstanden werden.
Nicht nur die Hip-Hop-Szene ist sexistisch, sondern auch viele Songs aus
dem Genre. Werden die auf Ihren Partys nicht gespielt?
Es kommt total drauf an. Wir legen schon Wert darauf, dass auch Musik von
weiblichen Interpretinnen gespielt wird. Dass es da eine Balance gibt, denn
das gibt es auf den meisten Partys nicht. Da werden dann oft den ganzen
Abend nur Songs von Männern gespielt und der DJ merkt gar nicht, was das
für Auswirkungen auf das Publikum hat. Ich hab nichts gegen sexuell
explizite Texte, denn man muss auch einen [4][Unterschied machen zwischen
sex-positiven und sexistischen] Texten. Wir haben uns einen Rahmen
geschaffen, in dem unsere Gäste kritisch reflektieren können, dass auch
explizite Songs keine Aufforderung sind, jemanden zu packen. Man kann das
ironisch auffassen in so queerfeministischen Situationen.
Was für Auswirkungen hat es denn auf ein Publikum, wenn immer nur Songs von
Männern gespielt werden?
Man nimmt den Vibe passiv auf und empowert, also ermutigt gewisse Menschen
dadurch. Und auf den meisten Hip-Hop-Partys ist es so, dass die Männer sich
besonders empowert fühlen – und dann sind das auch noch so sexuell
aufgeladene Songs.
Dass Frauen auf Hip-Hop-Partys so oft ungefragt angetanzt werden, liegt
also daran, dass die Musik das beeinflusst?
Wenn auf einer Mainstream-Hip-Hop-Party fünf männliche DJs den ganzen Abend
Tracks von Männern für ein Publikum mit überdurchschnittlich vielen Männern
spielen, wirkt sich das bewusst oder unbewusst auf die anwesenden Frauen
aus. In den Texten werden Frauen oft stark sexualisiert und passiv
dargestellt. Auch in Rap-Videos sieht man ja viele Frauen, die leicht
bekleidet tanzen, wohingegen der Mann voll bekleidet daneben steht. Das
soll jetzt nicht so klingen, als hätten Video Models oder körperpositive
Rapperinnen kein Recht darauf, ihre Sexualität selbstbestimmt auszuleben.
Aber in den meisten Produktionen, die cis-männliche Rapper in den Fokus
stellen, stehen die Frauen nicht für sich. Diese sexistischen
Dominanzverhältnisse sind im Rap sehr überspitzt dargestellt, aber sie
spiegeln irgendwo Dynamiken wider, die sich anders gelagert auch in der
Gesellschaft wiederfinden. Das ist einfach so normalisiert, dass dann
grenzüberschreitende Situationen auf Partys zustande kommen.
Trotzdem ist der Name eine Zusammenfügung aus „hoe“, also „Schlampe“ u…
„homie“, Kumpel. Warum haben Sie einen so abwertenden Begriff als Teil des
Namens ausgewählt?
Die Überlegung dahinter ist, sich Begriffe anzueignen, die uns
kontrollieren oder schaden. So verhält es sich mit Begriffen wie „hoe“ oder
„bitch“. Als Frau muss man immer darauf achten, nicht mit diesem Etikett
beklebt zu werden. Wir dachten uns: Schluss damit, wir dürfen uns nicht
diktieren lassen, wie wir zu leben haben, wie wir uns sexuell auszudrücken
haben. Und deswegen muss man solche Begriffe aufbrechen und ihnen die Power
nehmen. Und wenn man sie in etwas Ironisches und etwas Empowerndes
verwandelt, dann hat das eine Macht.
Sie wollen ein Safe Space für Ihre Community sein – wie geht das?
Ich würde gar nicht behaupten, dass unsere Party ein Safe Space ist. Ich
finde den Begriff immer schwierig, denn das kann man nie garantieren.
Selbst wenn man sagt, wir stellen Frauen* in den Fokus, wir stellen Queers
und People of Color in den Fokus, kann es immer noch passieren, dass du
aufgrund von Klasse oder von Religion oder sonst was [5][eine
Diskriminierungserfahrung machst]. Oder wenn Menschen unsensibel sind mit
gewissen Thematiken, dann kann es trotzdem scheiße für dich ausgehen. Wir
können nie garantieren, dass nicht doch in den persönlichen Space von
jemandem eingegriffen wird auf unserer Party. Wir hatten es auch schon,
dass jemand auf unseren Partys begrabscht wurde. Die Frage ist dann: Wie
geht man damit um?
Und Ihre Antwort?
Wir haben ein Awareness-Team, das dafür sorgt, dass solche Fälle ernst
genommen werden, dass zugehört wird, dass sich Menschen kümmern. Also dass
es nicht als Teil einer Partynacht hingenommen wird, wie es sonst oft der
Fall ist. Das Awareness-Team sind immer Leute aus unserer Community, die
T-Shirts tragen und dann ansprechbar sind. Das ist nicht als Polizei oder
als Patrouille zu verstehen, sondern sie stehen da und sind sichtbar, und
wenn was ist, können sie vermitteln, als Puffer dienen oder die Security
rufen. Ich würde aus diesem Grund bei unseren Partys von einem „Safer
Space“ sprechen.
Und wenn sich tatsächlich eine Person daneben benimmt, wird sie dann sofort
rausgeschmissen?
Ich finde nicht in jeder Situation muss jemand sofort rausgeschmissen
werden. Also klar, bei physischen Übergriffen auf jeden Fall. Wir hatten
mal so eine Situation, da war ein Rollstuhlfahrer auf unserer Party. Und da
war eine Gruppe von drei weißen cis-Männern, die meinten: „Oooh, voll
inklusiv, sogar mit Rollstuhl.“ Das hat eine Person aus dem Awareness-Team
gehört und hat dann erst mal mit der betroffenen Person gesprochen, hat sie
darüber informiert und gefragt, wie sie möchte, dass vorgegangen wird. Das
ist wichtig, weil nicht jede*r möchte, dass die Security gerufen wird,
nicht jede*r möchte diese Aufmerksamkeit auf sich ziehen. Dann hat die
Person aus dem Awareness-Team die Typen konfrontiert und gesagt, dass
solche Aussagen nicht in Ordnung sind. Die haben sich entschuldigt und es
war für die Person im Rollstuhl auch okay, dass sie bleiben.
Sie haben einen Code of Conduct, einen Verhaltenskodex. Wie lautet der?
Wir dulden keine Hassrede, wir dulden keine Diskriminierung, egal auf
welcher Grundlage. Und wir dulden keine grenzüberschreitenden Handlungen,
also Eingriffe in den persönlichen Raum einer Person, ohne gefragt zu
haben. Das posten wir am Abend unserer Party überall und das drucken wir
auch aus und kleben es in den physischen Räumen selber an.
Sie bestärken Ihre Community nicht nur auf den Partys, sondern auch, indem
Sie einen Workshop für Newcomer*innen gegeben haben. Ist da noch mehr
geplant?
Uns fehlt noch die Finanzierung. Wir haben den letzten aus eigener Tasche
gezahlt, indem wir ein paar Gigs pro bono gespielt haben. Wir wollen aber
noch mehr in die Richtung machen. Seitdem Lucia und ich „hoe_mies“ machen,
haben wir uns ganz viele Skills selbst aneignen müssen. Wir managen uns
selber, wir booken für unsere Partys, wir sind für alle möglichen
logistischen Abläufe zuständig, wir machen das Marketing. Ich mache zum
Beispiel immer die Poster, obwohl ich vorher gar keine Ahnung von Graphic
Design hatte. Oder auch so etwas wie Verhandeln. Das sind alles Sachen, die
gerade für jüngere Frauen* cool sind zu lernen. Vielleicht sind wir ja in
ein paar Jahren in der Lage, einen Verein zu gründen, Funding zu beantragen
und Workshops an Schulen anzubieten.
5 Aug 2018
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[3] https://www.amnesty.de/2017/3/1/glossar-fuer-diskriminierungssensible-sprac…
[4] /Kolumne-Mithulogie/!5505760
[5] /MeTwo-Berichte-zu-Rassismus/!5520478
## AUTOREN
Maike Brülls
## TAGS
Party
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Queer
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Schwerpunkt LGBTQIA
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Black Panther
Protestbewegung
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