# taz.de -- US-Rapszene und Polizeigewalt: Den Frust in Worte fassen | |
> Die Polizeigewalt gegen Afro-Amerikaner hat die US-HipHop-Community | |
> repolitisiert. Sie reagiert mit Songs – und ihrer Social-Media-Power. | |
Bild: „Don’t shoot, I just wanna do good“: US-HipHop-Star Jay Z rappt üb… | |
Die #BlackLivesMatter-Bewegung repolitisiert die US-HipHop-Community. Die | |
Morde an Alton Sterling und Philando Castile rufen Solidaritätsbekundungen | |
und offene Kritik an Staat und Polizei selbst bei Künstlern hervor, die | |
bisher als unpolitisch galten. | |
Wenn HipHop als per se politische Kunstform bezeichnet wird, stimmt das nur | |
teilweise. Die Geburt des Genres Mitte der Siebziger war politisch: ein Akt | |
der Selbstermächtigung marginalisierter Ghettobewohner, vor allem | |
African-Americans. Doch HipHop hatte inhaltlich keine politische oder | |
sozialkritische Botschaft, bis 1983 „The Message“ erschien, ein Song von | |
Grandmaster Flash & Melle Mel, der sich zum Hit entwickelte. | |
Seitdem ist viel passiert: HipHop wurde für den Mainstream entpolitisiert | |
und aus seinem ursprünglichen Kontext gerissen, indem ihn sich weiße | |
Amerikaner und dann Menschen auf der ganzen Welt angeeignet haben. | |
Wichtigste Figur für die erneute inhaltliche Aufladung des Genres der | |
letzten Jahre ist Kendrick Lamar. Der Kalifornier brachte die technischen | |
Fähigkeiten, das musikalische Gespür und den Star-Appeal mit, dazu scheute | |
er sich anders als die großen Rap-Stars der nuller Jahre nicht, | |
Tagespolitik und schwarzes Bewusstsein zu thematisieren. Nach seinem | |
kommerziellen Erfolg trauen sich auch andere Mainstream-Stars wie Beyoncé, | |
Kanye West oder Jay Z wieder, offen zu Black-Power-Botschaften zu stehen. | |
Shawn „Jay Z“ Carter, Ehemann von Beyoncé, ist seit 20 Jahren einer der | |
erfolgreichsten US-Rapper, doch ist er primär mit semiautobiografischen | |
Geschichten über seine frühere kriminelle Karriere und seinen sozialen | |
Aufstieg berühmt geworden. Der direkte Einfluss von Kendrick Lamar und | |
seinem Umfeld auf einen Star wie Jay Z wird deutlich, wenn der seinem neuen | |
Song „Spiritual“ eine Notiz voranstellt, in der es heißt, Kendrick Lamars | |
Manager Punch habe ihm schon vor zwei Jahren geraten, den Song zu | |
veröffentlichen. | |
Damals wurde der 18-jährige Michael Brown in Ferguson, im US-Bundesstaat | |
Missouri von dem Polizisten Darren Wilson erschossen, doch Jay Z hat erst | |
jetzt, wo sich weitere ungeklärte, von weißen Polizisten an jungen | |
schwarzen Männern verübte Gewalttaten häufen, die Inspiration gefunden, den | |
Song zu Ende zu komponieren. Nun rappt Jay Z immer wieder anklagend: „I am | |
not poison, no I am not poison / just a boy from the hood that got my hands | |
in the air in despair / Don’t shoot, I just wanna do good.“ | |
## Endlich wieder politisch | |
Neben Jay Z versuchten viele weitere berühmte Künstler, ihre Wut, ihre | |
Trauer und ihren Frust in Worte zu fassen: Beyoncé Knowles und ihre | |
Schwester Solange, Kanye West, Chance The Rapper, YG, Vic Mensa und der | |
glühende Bernie-Sanders-Unterstützer Killer Mike – sie alle äußerten sich | |
angesichts der neuen Ereignisse. Beyoncé richtete mehrere anklagende | |
Botschaften zum Thema Polizeigewalt an ihre 77 Millionen Follower auf | |
Twitter und Instagram. Nicht ganz so wortreich verbreitete Kanye West das | |
Video von Alton Sterlings Ermordung unter seinen 24 Millionen | |
Twitter-Followern. | |
Endlich klingt die US-Musikwelt wieder politisch – nicht nur die | |
Underground-Rapper, die vor einer Handvoll Bekehrten predigen, sondern auch | |
die Superstars mit ihrem enormen Einfluss und ihrer Social-Media-Power. Vor | |
dem Hintergrund der bevorstehenden US-Präsidentschaftswahl im November ist | |
das besonders wichtig. | |
Einen Tag nach Veröffentlichung von „Spiritual“ teilte Jay Z eine exklusive | |
Playliste mit dem Titel „Songs for Survival“ über seinen Streamingdienst | |
Tidal – darin waren neben Songs von Kendrick Lamar und Beyoncé auch Nina | |
Simone, Fela Kuti, Marvin Gaye, Curtis Mayfield, Gil Scott-Heron, Goodie | |
Mob, Outkast und Kanye West mit Werken enthalten. Damit unterstreicht Jay Z | |
die Relevanz von Popkultur für den Kampf um die Bürgerrechte der | |
African-American-Community seit über 50 Jahren. | |
Aufgemacht wird die Playliste mit einer Fotografie, auf der sich Malcolm X | |
und Martin Luther King jr. die Hände reichen – ein Verweis darauf, dass Jay | |
Z in diesen Zeiten neben dem friedlichen Widerstand unbedingt auch den | |
Schulterschluss zu den militanten Black-Power-Führern befürwortet? In | |
Zeiten, in denen African-Americans auf offener Straße von Polizisten | |
erschossen werden, eine nachvollziehbare Haltung – auch wenn man sie nicht | |
teilen muss. | |
14 Jul 2016 | |
## AUTOREN | |
Stephan Szillus | |
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