# taz.de -- Neues Album von Kanye West: Vor allem ein Publicity-Stunt | |
> Zwischen Twittershitstorm und Erschöpfungssyndrom: HipHop-Superstar Kanye | |
> West hat sein neues Album „Ye“ veröffentlicht. | |
Bild: In „Ye“ bedient Kanye West den Skandal und fügt sich einer depressiv… | |
„HipHop ist die erste Kunstform, die von freien schwarzen Menschen | |
erschaffen wurde. Niemand hat dies mehr für sich genutzt als Kanye West“, | |
erzählte der Comedian Chris Rock vor einigen Tagen vor Journalisten und | |
Fans des HipHop-Superstars aus Chicago. | |
Der hatte zur Promoparty in Wyoming gebeten, um bei Minusgraden die | |
Veröffentlichung seines neuen Album „Ye“ zu feiern. Ein Publicity-Stunt | |
unter vielen. Im April hatte sich Kanye West auf Twitter in einen Rant | |
gesteigert, um dann ein Selfie zu posten, auf dem er eine rote, von Donald | |
Trump signierte Kappe trägt. Schließlich [1][behauptete der 40-Jährige] | |
gar, Schwarze hätten der Sklaverei aus freien Stücken zugestimmt. US-Autor | |
Ta-Nehisi Coates warf West vor, die historische Erfahrung des schwarzen | |
Amerikas zu negieren und eine von der Geschichte unbelastete, weiße Form | |
von Freiheit anzustreben. | |
Kanye West, Sohn eines Black-Panther-Aktivisten, fand sich in der Rolle des | |
Verräters an der emanzipatorischen Sache wieder. „Hört euch das Album ohne | |
Vorurteile an“, schloss Chris Rock deshalb seine Rede in Wyoming. | |
Machen wir. An der Oberfläche bedient „Ye“ den Skandal. West verzichtet | |
zwar darauf, den Namen Trump zu droppen, dafür plaudert er Sexfantasien mit | |
dem [2][Pornostar Stormy Daniels] aus. Kurz danach erklärt er, wie seine | |
Tochter ihn dazu gebracht habe, Frauen zu respektieren. Tiefpunkt des | |
Albums ist aber eine Serie von Umwertungen: HipHop-Mogul Russell Simmons, | |
dem mehrere Frauen sexuelle Übergriffe vorwerfen, wird von West zum | |
#MeToo-Opfer stilisiert. Auf dem Cover des Albums verwandelt West seine | |
Depression zur Schlüsselqualifikation: „I hate being bipolar, it’s | |
awesome.“ Eine Künstlerpersönlichkeit zwischen Burnout und manischer | |
Schaffenskraft zu konstruieren, ist nicht besonders originell. Aber West | |
verkörpert sie bis zur Schmerzgrenze der Authentizität. 2016 musste er eine | |
Tournee wegen psychischen Problemen und akuter Erschöpfung absagen. | |
## Ästhetik der Depression | |
„Ye“ setzt dies fort. Das Album zeigt eine Ästhetik der Depression, die | |
zuerst eine Depression des Ästhetischen ist: dreißig Minuten und sieben | |
Stücke, eher Notiz- als Tagebucheinträge. Die ausladenden Refrains, Wests | |
Markenzeichen, fehlen, die Tracks bleiben Skizzen. Auch das Sounddesign | |
hält keine Überraschungen bereit. Nur einmal hat sich sein Produzent | |
Francis and the Lights bei einem Stück des ägyptischen Elektronikers Kareem | |
Lotfy bedient, worauf dessen Label PAN mit einer Copyright-Klage reagieren | |
will. Business as usual im HipHop-Superstar-Dasein. | |
Tragisch ist, dass sich Kanye West auf „Ye“ der depressiven | |
Alternativlosigkeit fügt. Vor zehn Jahren hat er „808 & Heartbreaks“ | |
veröffentlicht, sein erstes Bekenntnis zu Depression und Melancholie. Es | |
war ein Aufbruch: Mit Autotune und Synthesizer ließ er den Zwang zur | |
autobiografischen Realness von Gangsta-Rap und | |
Backpacker-Alternative-HipHop hinter sich und wurde so zur Blaupause all | |
derjenigen Rapper, die sich heute mit perfekt abgestimmter Kombination aus | |
Skinny-Jeans und Premium-Sneakern durch das von Social Media dominierte | |
Rap-Game bewegen. Da will auch „Ye“ unbedingt weiter mitspielen. Aber | |
dieses Game hat schon längst einen neuen Zwang zum Realismus aus | |
Verausgabung, Bekenntnisprosa und quantitativem Feedback hervorgebracht, | |
von dem eine Folge die steigende Zahl depressiver Erkrankungen ist. | |
Anstatt die eigene Unfreiheit zu akzeptieren, begreift sich West als | |
Maverick, als Einzelgänger, und erzielt genau den Effekt, der die anderen | |
selbststilisierten Freiheitskämpfer zwischen Feuilleton und FDP-Vorsitz | |
kennzeichnet: Es ist stinklangweilig, ihnen zuzuhören. | |
9 Jun 2018 | |
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## AUTOREN | |
Christian Werthschulte | |
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