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# taz.de -- Kommentar Texte im deutschen Rap: Sexismus sells
> Deutschrap hat ein Problem: frauenfeindliche Texte. Verbote helfen aber
> nicht. Besser: Diskutieren, aufklären, oder gleich was anderes hören.
Bild: Capital Bra startet gerade in den Charts durch – mit sexistischen Videos
Der deutsche Rapper Capital Bra veröffentlichte im März eine Coverversion
des Modern-Talking-Songs „Cheri, Cheri Lady“. Das dazugehörige Musikvideo
beweist es mal wieder: Der Weg zur Gleichberechtigung von Mann und Frau ist
noch weit, erst recht im Deutschrap. Um Capital Bra herum tanzt eine junge
Frau, die das Accessoire schlechthin darstellt. Sie räkelt sich halbnackt
in der Badewanne und hüpft in Tanga und T-Shirt auf dem Bett auf und ab.
Der Rapper dreht sie von rechts nach links und mustert sie von oben bis
unten.
In den deutschen Charts ist Capital Bra kein Unbekannter. Neun Songs in den
aktuellen Charts stammen von ihm. Der Rapper ist in guter Gesellschaft:
Auch K.I.Z., eine deutsche HipHop-Gruppe, setzen auf Sexismus. K.I.Z.
rappen davon, wie sie Frauen in den Bauch treten und ihre „Fehlgeburten
fressen“. Auch der deutsche Rapper SSIO rappt sexistische Lines wie:
„Dumme Huren wollen seelischen Beistand, schon nach paar Takten putzen sie
die Zähne mit meinem Schwanz.“
Wenn man davon ausgeht, dass die Nachfrage das Angebot bestimmt, muss es
also Nachfrage an dieser Art von Texten und Musik geben. Schon nach wenigen
Gesprächen im Freundeskreis merke ich, dass nicht jede*r diese Texte und
Videos für so problematisch hält. Es scheint, auch für meine eher links
eingestellten Freund*innen in Ordnung zu sein, dass Dinge gerappt werden,
die normalerweise niemand sagen würde. Ihr Argument: Rap ist Sprechgesang,
also Kunst.
Aber bedeutet das, dass in Sachen Lyrics alles akzeptiert werden muss –
auch Sexismus? Nein. Besonders dann nicht, wenn keine Diskussion darüber
stattfindet, was da für Texte gerappt werden, die oft schon 13-Jährige
auswendig können. Schließlich muss bedacht werden, dass diese Videos für
jede/n zugänglich sind.
## „Explicit“-Hinweise reichen nicht aus
Viele meiner Freund*innen wollen mich erst mal besänftigen. Ich solle das
Ganze nicht so eng sehen, die meinten das nicht so. In Zeiten, in den
Frauen immer noch tagtäglich Opfer von Gewalt werden, ist das schwierig.
Die Objektivierung von Frauen in Musikvideos ist ein Spiegel dessen, was
für viele Männer leider immer noch selbstverständlich ist. Eines der am
wenigsten verständlichsten Argumente ist, dass manche dieser
Künstler*innen ja gebildet seien. Zum Beispiel studiere SSIO ja BWL. Na
und?
Das macht keinen Unterschied. Sexismus wird doch nicht durch das
Bildungsniveau gerechtfertigt. Er ist und war auch schon immer ein
gesamtgesellschaftliches Problem und keines, das nur bestimmte Schichten
betrifft. Sexismus gibt es an der Uni, bei Ausbildungsplätzen und in den
Chefetagen dieser Republik – gerade dort. Umso wichtiger, dass Aufklärung
darüber schon in der Schule stattfindet.
Sollte sexistischer Rap nun verboten werden? Nein, sicherlich nicht! Es
muss jedoch für Jugendliche schwerer werden, da ranzukommen. Die
„Explicit“-Hinweise, die es schon jetzt bei Spotify gibt, reichen nicht
aus.
Was es aber vor allem braucht, ist Diskussion und Reflexion. Es ist
wichtig, dass auch Deutschrap endlich im Schulunterricht ankommt und
genauso besprochen wird wie Goethe. Von einer angehenden Lehrerin hörte
ich, dass sie ihre sechste Klasse Songtexte von [1][Bushido] analysieren
und diese mit dem Grundgesetz vergleichen lässt. Das führt natürlich nicht
automatisch zu Konsens darüber, dass es nicht in Ordnung ist, sexistische
Lyrics abzufeiern, nur weil sie mit einer netten Melodie unterlegt sind.
Aber es ist ein Anfang.
Wenn nur ein paar Menschen ihre Spotify-Playlisten kritisch begutachten,
ist schon viel erreicht. Bald sind wir dann hoffentlich an dem Punkt, dass
Sexismus auch im Deutschrap keine Nachfrage mehr findet.
18 Apr 2019
## LINKS
[1] /Rapper-Bushido-ueber-Integration/!5422409
## AUTOREN
Carlotta Borges
## TAGS
Sexismus
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Rap
HipHop
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Bushido
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HipHop
Rap
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