# taz.de -- Aggro-Rap: Schluss mit Lustig! | |
> Die Proll-Rapper von Aggro Berlin bekommen Gegenwind aus der Szene: Das | |
> Publikum protestiert, Kollefgen fordern Selbstzensur - mit Erfolg. | |
Bild: Na? Schiss? B-Tight vom Label Aggro Berlin | |
Fehden zwischen Rappern sind nicht ungewöhnlich: Meist geht es um | |
Revierstreitigkeiten und persönliche Eitelkeiten. Oder es stecken ehemalige | |
Freunde dahinter, die sich überworfen haben. Um politische Differenzen geht | |
es eher selten. | |
Doch diesmal ist alles anders, denn der afrodeutsche Rapper-Verbund | |
Brothers Keepers hat sich mit einem Aufruf zu Wort gemeldet. Darin wird | |
zunächst ganz allgemein der zunehmende "Rassismus und Sexismus im deutschen | |
HipHop" gegeißelt, um im nächsten Schritt das Berliner Rap-Label Aggro | |
Berlin und dessen - ebenfalls afrodeutschen - Rapper B-Tight direkt | |
anzugehen. Schon dessen Albumtitel "Neger Neger" stelle eine rassistische | |
Beleidigung dar, so der Vorwurf, und sein Vokabular sei rassistisch und | |
sexistisch. Der Aufruf fordert deshalb: Der Vertrieb des Albums solle | |
eingestellt werden, die Medien sollen zum Boykott und das Label soll zur | |
Selbstzensur bewogen werden. | |
Tatsächlich spielt B-Tight wohl mit so sämtlichen Klischeebildern, die es | |
über schwarze Menschen jemals gegeben hat. Der Berliner Rapper, der | |
bürgerlich Robert Edward Davis heißt, inszeniert sich zum triebgesteuerten | |
und überpotenten Urtier. Seine Stücke tragen wenig feinsinnige Titel wie | |
"Zack! Zack!", "ein Schlag" oder "In den Mund!!!", und so klingen sie auch. | |
Die Darstellung ist allerdings völlig überzeichnet: auf dem Cover seines | |
Albums posiert er als eine Art Kannibale, der gerade einem Weißen den Kopf | |
abgehackt hat. | |
Als eine Werbeanzeige mit diesem Motiv im April im Branchenblatt Musikwoche | |
erschien, hagelte es jedoch Proteste. Auch für Adé Bantu, die treibende | |
Kraft hinter den Brothers Keepers, war damit eine Grenze überschritten: | |
"Man kann so eine rassistische Kampagne nicht unkommentiert im Raum stehen | |
lassen", schäumt er. "Da hört für mich die künstlerische Freiheit auf." Für | |
seinen Aufruf hat er prominente Unterstützer gefunden, von Rap-Kollegen wie | |
Smudo von den Fantastischen Vier und Publizisten wie Roger Willemsen bis zu | |
Politikern wie Marielusie Beck (Grüne) und Monika Griefhahn (SPD). | |
Letztere hatte sich schon früher gegen allzu sexistische Texte von | |
Aggro-Rappern wie Sido gewandt, allerdings ohne großen Erfolg. Doch das die | |
Kritik diesmal aus der Szene selbst kommt, verleiht ihr ein größeres | |
Gewicht. Gegründet wurden die Brothers Keepers schließlich vor sechs Jahren | |
als Reaktion auf den Mord an dem Deutschangolaner Antonio Adriano in | |
Dessau. Damals gewann der Kölner Musiker Adé Bantu fast alle afrodeutschen | |
Stars der deutschen Rap-Szene zu einer gemeinsamen Allianz, von Xavier | |
Naidoo bis zu Rap-Pionieren wie Torch; gemeinsam brachte man den | |
Anti-Rassismus-Song "Adriano (Letzte Warnung)" in die Charts. | |
Bis heute sind die Brothers Keepers ein loser Verbund, der mit vielen | |
Stimmen spricht. Doch nach zwei Alben und unzähligen Tourneen durch | |
Klassenzimmer und Konzertbühnen gelten sie auch als eine der wichtigsten | |
Antirassismusinitiativen der Republik. | |
Als Kontrahenten hat man sich nun das HipHop-Label Aggro Berlin gewählt, | |
das sich seinen schillernden Ruf mit sorgfältig kalkulierten Provokationen | |
erworben hat. Was Eltern schockt und Lehrer irritiert, lässt bei ihnen die | |
Kassen klingeln - so das Kalkül, das bislang vortrefflich aufgegangen ist. | |
So suchen die Aggro-Macher ständig nach einem neuen Dreh an der | |
Provokationsschraube: Nachdem sie Sido seine Maske verpassten, um ihn zum | |
perfekten Elternschreck zu stylen, schickten sie den Rapper Fler ins | |
Rennen, der mit Bekenntnissen zum Deutschtum und einer bislang als rechts | |
geächteten Ästhetik flirtete. | |
Proteste nahm man bei Aggro Berlin bislang gerne in Kauf, erhöhten sie doch | |
die Credibility bei der eigenen Klientel. Doch in einer Presseerklärung des | |
Labels heißt es, man fühle sich "in ein falsches Licht gerückt", und beruft | |
sich auf die "unterschiedliche Herkunft" seiner Künstler und Angestellten, | |
um alle Rassismusvorwürfe als absurd zu bezeichnen. Im Vergleich zu | |
früheren Verlautbarungen des Labels fällt die Verteidigung diesmal | |
allerdings eher zurückhaltend aus. Im Unterschied zu früher, als man sich | |
lediglich der Anwürfe von Jugendschützern oder solcher Medien ausgesetzt | |
sah, die für einen echten HipHopper ohnehin nicht als satisfaktionsfähig | |
gelten können, kommt die Kritik diesmal mitten aus der Rap-Szene selbst. | |
Das schmerzt. | |
6 Jul 2007 | |
## AUTOREN | |
Daniel Bax | |
Daniel Bax | |
## TAGS | |
Sexismus | |
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