# taz.de -- Kongress von Chinas KP: Der mächtige Xi | |
> Chinas Staats- und Parteichef Xi Jinping hat mehr Macht an sich gerissen | |
> als seine beiden Vorgänger. Er könnte zum Mao des 21. Jahrhunderts | |
> werden. | |
Bild: Parteikongress in Peking: Xi Jinping hat etwas zu sagen | |
Peking taz | In einem Punkt dürften sich die vielen Staats- und | |
Regierungschefs, die Xi Jinping in den letzten fünf Jahren begegnet ist, | |
einig sein: Der chinesische Staats- und Parteichef – er weckt Sympathien. | |
Xi ist stets freundlich, lächelt viel, wirkt unaufgeregt und besonnen. Der | |
64-Jährige wird selten laut, wilde Anfeindungen gegen seine Gegner spart er | |
sich. [1][Auf der Weltbühne ist er quasi der Anti-Trump.] | |
Und auch im eigenen Land gilt er als beliebt. In weiten Teilen der | |
Bevölkerung versteht er es aber mit seiner väterlichen und zugleich | |
anpackenden Art Eindruck zu schinden. Xi spricht zudem viel vom Rechtsstaat | |
und von der „Verwirklichung des chinesischen Traums“. | |
Und doch trügt dieser Eindruck. Denn tatsächlich hat seit dem Tod des | |
großen Reformers Deng Xiaoping kein chinesischer Führer mehr soviel Macht | |
an sich gerissen wie es Xi Jinping in den letzten fünf Jahren getan hat. | |
Derzeit deutet alles daraufhin, dass Xi beim 19. Parteikongress, der am | |
Mittwoch begonnen hat, seine Herrschaft noch weiter ausbauen und selbst die | |
letzten Führungsposten mit seinen Gefolgsleuten besetzen wird. Offiziell | |
soll er lediglich für weitere fünf Jahre im Posten als Generalsekretär | |
bestätigt werden. Doch seine Kritiker befürchten, dieser Parteikongress | |
könnte zum Krönungsparteitag werden – und zwar zum Mao des 21. | |
Jahrhunderts. | |
Einen ersten Vorgeschmack gab es bei seiner Auftaktrede am Mittwoch: „Alle | |
Genossen müssen höchst wachsam gegenüber den Gefahren sein“, warnte der | |
Staats- und Parteichef. Auch müssten sie entschieden gegen alles angehen, | |
was die Partei „untergräbt“. Xi Jinping rief die 89 Millionen | |
Parteimitglieder zur Geschlossenheit und zu verstärkten Anstrengungen auf, | |
den „Sozialismus chinesischer Prägung für eine neue Ära“ zum Erfolg zu | |
verhelfen. Zudem kündigte er den Aufbau einer starken Armee auf, die | |
„Weltklasse“ sein müsse. | |
## Jeder sollte ersetzlich sein | |
Autoritär ist China zwar auch in den letzten 40 Jahren gewesen. Doch nach | |
den schrecklichen Erfahrungen mit Mao und seinen grausamen Kampagnen mit | |
Zehntausenden Opfern hatten die Nachfolger die kollektive Herrschaft | |
eingeführt. Jeder sollte ersetzlich sein. Und jeder sollte sich bei seinen | |
Entscheidungen mit anderen Parteigrößen absprechen müssen. Das war der | |
Gedanke. Unter Xi wird China nun wieder autokratischer. | |
Hinter seiner freundlichen Fassade hat er in den letzten fünf Jahren | |
partei- und führungsintern so aufgeräumt wie keiner seiner beiden Vorgänger | |
vor ihm. So erklärte Xi gleich nach Amtsantritt die | |
[2][Korruptionsbekämpfung zur Chefsache] und hat das ganze Land mit einer | |
Kampagne überzogen, die bis heute anhält. | |
Angesichts diverser Skandale ranghoher Parteikader, die sich gnadenlos | |
selbst bereichert hatten und Millionen von US-Dollar illegal ins Ausland | |
schleusten, begrüßten viele sein Vorgehen zwar – auch Beobachter im Westen. | |
Doch inzwischen zeigt sich: Er nutzt die Kampagne, um sich auch seiner | |
innerparteilichen Widersacher zu entledigen. | |
Mehr als 100.000 Beamte und Parteisekretäre sind bereits ihrer Ämter | |
enthoben, in Haft oder vor Gericht gestellt, Dutzende Kader im Rang von | |
Ministern oder Provinzgouverneuren. Westliche Diplomaten sagen, er | |
verbreite ein „Klima der Angst“. Einst mächtige Fraktionen seiner Vorgäng… | |
wie die der Kommunistischen Jugendliga oder die Shanghai-Clique hat Xi | |
Jinping ausgeschaltet und dafür seine eigenen Vertrauten in Position | |
gebracht. Und damit nicht genug. Auch gegen Dissidenten, Menschenrechtler | |
und Journalisten geht er rigoros vor. | |
## Strafarbeit unter Maos Herrschaft | |
Was zudem irritiert: Xi lässt sich auffällig oft in dem berühmten Anzug | |
blicken, den Mao einst trug. Dabei war Xi unter Mao selbst Opfer. Sein | |
Vater war prominentes KP-Mitglied der ersten Stunde und späterer | |
Vizepräsident. Wie viele der alten Kämpen fiel der Vater unter Mao in | |
Ungnade. Xi selbst musste während der Kulturrevolution zwischen 1966 bis | |
1977 auf dem Land Strafarbeit verrichten. Erst nach Maos Tod konnte Xi nach | |
Peking zurückkehren, ein Studium aufnehmen. In der Hierarchie der | |
Kommunistischen Partei aufgestiegen ist Xi erst in den verhältnismäßig | |
liberalen 1990er Jahren, als sich China in rasantem Tempo der Außenwelt | |
öffnete. | |
In der internationalen Wirtschaftswelt wird Xi gefeiert. Auf einer viel | |
beachteten Rede Anfang des Jahres beim Weltwirtschaftsforum in Davos hatte | |
er mit starken Worten ein offenes China versprochen. Seitdem haben sich | |
jedoch die Kapitalflüsse zu anderen Ländern eher abgeschwächt. Die „offene | |
Märkte“ sollen vor allem dem eigenen Vorteil dienen. Entscheidende | |
Deregulierungen – wie eine Aufhebung der Pflicht zu Zwangskooperationen der | |
Autohersteller – bleiben bisher aus. | |
Beobachter rätseln, ob Xi sich gar länger als die offiziell erlaubten zwei | |
Amtszeiten an der Macht halten könnte und dafür diese Regelung aufhebt. | |
Nach Ansicht des Hongkonger Politologen Willy Lam braucht er das gar nicht. | |
„Es kann sein, dass er fünfzehn, wenn nicht sogar zwanzig Jahre lang | |
trotzdem die Nummer eins bleiben wird“, vermutet Lam. Längst kontrolliere | |
Xi auch das Militär und den Polizeiapparat. In dieser Kombination | |
verschaffe ihm das mehr Macht als jedes Regierungsamt. | |
18 Oct 2017 | |
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## AUTOREN | |
Felix Lee | |
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