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# taz.de -- Kolumne Lügenleser: Treibjagd an die Wahlurnen
> Alle Welt soll unbedingt wählen gehen. Vor allem die Erstwähler sind heiß
> umkämpft. Doch wozu? Ganz ehrlich: Keine Wahl ist auch eine Wahl.
Bild: Wählen gehen wäre eine Möglichkeit. Es bleiben lassen auch
Bald darf wieder gewählt werden. Zwischen Teufel und Beelzebub, zwischen
GroKo, Jamaika oder Rot-Rot-Grün. Also zwischen Semmel, Brötchen und
Schrippe. Schmeckt gleich, heißt aber anders. Weil man in diesem Land
offenbar nicht sagen darf, dass man nicht wählen geht, ohne als
Steigbügelhalter von Lord Voldemort zu gelten, schweige ich lieber.
Ich möchte einfach keinen dieser Politiker legitimieren, für mich zu
sprechen. Auch keine Spaßpartei. „Aber was ist denn die Alternative zum
Wählen?“ schmettern mir die Menschen entgegen wenn sie doch noch raus
finden, dass ich meinen Sonntag lieber in der 16-Stunden-Schlange vor dem
Berghain (wo ich so gut wie nie anzutreffen bin) verbringen würde, als
eingereiht vor einer Wahlkabine.
Ich bin es leid zu diskutieren und schweige weiter. Ist doch toll, wenn ihr
an Wahlen glaubt, ich tue es nicht. Ein Freund springt in die Bresche: „Die
Alternative? Na wie wär's denn damit, fernab herrschaftlicher Strukturen
die solidarische Selbstverwaltung aufzubauen, statt dem Irrtum zu erliegen,
den Staat entgegen seiner historischen Rolle zu einem Instrument der
Gerechtigkeit zu verbiegen?“ Bäm! Der hat gesessen, denk ich so bei mir und
zünde eine Zigarette an, ohne an Helmut Schmidt zu denken. Den kann ich
nämlich auch nicht leiden, obwohl er doch so ein sympathischer
Kettenraucher war. Die Wählenden aber geben nicht auf.
So was haben sie ja noch nie gehört. Einfach nicht wählen gehen. In vielen
Ländern würden sich die Menschen freuen, wenn sie wählen dürften. Leider
hat schon meine Mutter es nicht geschafft, mich mit dem „In anderen
Ländern…“-Argument zum Aufessen zu bewegen, warum sollte das hier
funktionieren? In den Medien läuft derweil die übliche „Leute geht
unbedingt wählen, egal wen“-Kampagne. Sollte einen nicht allein die
Hysterie der Herrschenden vor dem Nichtwähler stutzig werden lassen?
Besonders die Erstwähler werden umworben. Denn ein Erstwähler ist ein
potentieller zukünftiger „Ich wähl schon immer die XYZ-Partei“-Wähler. U…
die haben wir am liebsten. Wohin die Treibjagd an die Wahlurnen führt,
konnte man vor kurzem auf Youtube begutachten. [1][Bushido traf sich mit
Beatrix Storch]. Ja, genau. Zum Reden. Während sich der Rapper die ersten
Minuten noch wacker schlug und die Mausrutscherin das ein oder andere Mal
in Bedrängnis brachte, wurde es spätestens beim Thema „Transsexualität“
besonders absurd. Bushido und die AfD vergewisserten sich gegenseitig, dass
sie total für Transgender und dieses ganze Zeug sind.
Unvorbereiteter als die beiden Hauptprotagonisten war nur noch der
Gesprächsleiter, ein HipHop-Journalist namens Nico. Bereits bei von Storchs
erstem Argument („Die Kriminalitätsrate steigt durch Einwanderung“) hätte
jeder Dorfjournalist nach den entsprechenden Zahlen fragen müssen.
Stattdessen wurde munter weiter geplaudert. Über Integration. Über den
Islam. Und darüber, dass die AfD eigentlich ganz harmlos ist. Und die
wichtige Botschaft der Sendung war mal wieder: Hauptsache wählen, Kids!
Dabei hab ich meine Wahl längst getroffen. Bushido übrigens auch. Sorry,
Kids.
14 Sep 2017
## LINKS
[1] https://www.youtube.com/watch?v=R3juZ-CwXG8
## AUTOREN
Juri Sternburg
## TAGS
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