Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Satire im Wahlkampf: Die einzige ernstzunehmende Politik
> Die verlogene Politik der AfD wird am besten mit Satire verarbeitet.
> Deshalb ist die „Spaßpartei“ Die PARTEI oft effektiver als die „ernste…
> Parteien.
Bild: Wenn notorische Lügner und Opportunisten Politik machen, können dann nu…
Darf Politik Spaß machen? Und wenn ja, wieviel? Darf es so viel Spaß sein,
wie man bei der Fernsehdebatte zwischen den beiden SpitzenkandidatInnen der
zwei größten deutschen politischen Parteien haben konnte? Oder so viel, wie
wenn die „Spaßpartei“ Die PARTEI Dutzende AfD-Gruppen kapert und (einmal
wieder) offenlegt, wie rechtsradikal diese Partei eigentlich ist? Wer hat
wohl an diesem Wochenende mehr WählerInnen überzeugt? Ziehen
[1][verhaspelte Plattitüden] wie „Jenseits von richtig oder falsch gibt es
einen Ort, dort treffen wir uns“ wie von SPD-Kandidat Martin Schulz mehr –
oder doch eher „Ab jetzt werdet ihr von richtigen Menschen verarscht“, die
Ansage des Satirikers [2][Shahak Shapira] an die AfD-Fans auf Facebook?
Die Aktion von Die PARTEI mag ein schadenfreudiger Streich zu sein
scheinen, doch er ist ernsthafte Politik, der auf mehreren Ebenen den
politischen Gegner entlarvt hat. Nun ist offengelegt, welche Hetze in den
AfD-Gruppen betrieben wurde – was wohl mit dem Wissen, wenn nicht sogar der
Billigung, von höchsten Parteifunktionären geschah. Der Coup zeigt, wie
systematisch die rechte Partei Computerprogramme und Bots für ihre
Kommunikation einsetzt – die die anderen Parteien nicht nutzen wollen. Und
schließlich: Mit deren Übernahme hat Die PARTEI Teile der
Kommunikationsinfrastruktur der AfD lahmgelegt. Es ist ein politischer
Sieg, zu dem die anderen Parteien nicht in der Lage waren.
Das hat einen guten Grund: „Satire hat eine sehr niedrige Toleranz für
Bullshit“. In einem Video des US-Mediums [3][Vox] argumentiert der Autor,
dass satirische Nachrichtenshows in den USA derzeit besonders erfolgreich
sind, weil Donald Trump Präsident sei. Während reguläre Journalisten beim
Versuch, Trumps Lügen aufzudecken, diese wiederholen und aufwerten, könnten
Satireshows gleich zum Punkt kommen und eine Lüge eine Lüge nennen. Dass
Satire und hochwertiger Journalismus sich nicht ausschließen, zeigen Woche
für Woche inzwischen ein halbes Dutzend US-Amerikanischer Sendungen: Von
„The Daily Show“ über „Last Week Tonight“ bis „Full Frontal“ liefe…
ausgiebig recherchierte Analysen und und Hintergrundberichte, gespickt mit
Witzen und sarkastischen Seitenhieben.
In Zeiten von Trump, Brexit oder AfD ist nun die Frage: Gilt das nur für
den Journalismus? Wenn man notorische Lügner und Opportunisten Politik
machen, können dann nur noch Satirepolitiker sie wirksam entlarven? Was
hilft ein Untersuchungsausschuss gegen Trumps Behauptung, Millionen
Menschen hätten in den USA illegal gewählt? Was hilft ein Faktencheck gegen
die Lüge, dass die britische Regierung nach dem Brexit hunderte Millionen
Pfund mehr in die Krankenversorgung fließen lassen werde? Was hilft die
jahrelang andauernde Agonie darüber, ob die AfD jetzt endlich die Grenze
zum Rechtsextremismus überschritten hat?
Tatsächlich sind aber nicht nur die Donald Trumps, die Boris Johnsons oder
Alexander Gaulands dieser Welt ein Problem. Schon zuvor hatte sich eine
Kultur des Doppelsprechs eingeschlichen, die den Rechten erst ihren
Aufstieg ermöglichten. Kann man wirklich die Hartz-Gesetze einführen und
sich noch „sozialdemokratisch“ nennen? Kann man das als
„basisdemokratische“ Grüne? Kann man sich als Union wirklich auf die
Philosophie des Nahost-Flüchtlings Christus beziehen, und über eine
Obergrenze für Flüchtlinge aus Nahost diskutieren? Kann man das als den
Menschenrechten verpflichtete Linkspartei?
Diese Widersprüche schreien geradezu danach, nicht ernsthaft sondern
satirisch bearbeitet zu werden – und sie werden es: von der AfD. Die Tweets
der Rechtspolitiker sind voller Ironie und Sarkasmus, ihre Wahlplakate
auch. Der Tenor ist, dass „die da oben“ alle anderen belügen – deswegen …
AfD-Politikern inzwischen egal, was genau die Lügen sind. Im Zweifel ist
einfach alles gelogen. Und so fühlen sie sich an keine Regeln gebunden. In
der Politik ist die AfD erfolgreich, weil sie aktiv die Institutionen und
Werte einer pluralen Demokratie missachtet, die den anderen Parteien
wichtig sind. Die PARTEI kennt diese Achtung ebenfalls nicht und hat
frecherweise die politische Auseinandersetzung an jene Stelle verlagert,
die der AfD selbst wichtig ist, und wo sie keinen Spaß mehr kennt.
Wenn, wie bei dem TV-Duell am Sonntag, die Unterschiede zwischen den
Parteien nicht mehr auf Anhieb erkennbar sind, wenn alle irgendwie für
alles stehen wollen, ist eine Partei, die sich die „Partei für Arbeit,
Rechtsstaat, Tierschutz, Elitenförderung und basisdemokratische Initiative“
nennt, vielleicht die konsequenteste Wahl. Anders als die AfD geben ihre
PolitikerInnen offen zu, [4][Opportunisten und Populisten] zu sein und
anders als die anderen Parteien versuchen sie ihre inkonsistenten
Positionen nicht mit PR-Sprech zu überdecken.
4 Sep 2017
## LINKS
[1] /TV-Duell-zur-Bundestagswahl-2017/!5444327
[2] https://www.facebook.com/ShahakShapira/videos/1914991142157589/
[3] https://www.vox.com/2017/4/3/15163170/strikethrough-comedians-satire-trump-…
[4] http://www.sueddeutsche.de/muenchen/fuerstenfeldbruck/politik-ran-an-die-fu…
## AUTOREN
Lalon Sander
## TAGS
Wahlkampf
Schwerpunkt Bundestagswahl 2025
Satire
Die Partei
Lesestück Meinung und Analyse
Schwerpunkt Bundestagswahl 2025
Schwerpunkt Bundestagswahl 2025
Lesestück Meinung und Analyse
Schwerpunkt taz.meinland
Marietta Slomka
Schwerpunkt Bundestagswahl 2025
Schwerpunkt AfD
Serdar Somuncu
## ARTIKEL ZUM THEMA
Analyse zur Faszination der Unwahrheit: Dialog mit der Lüge
Bettina Stangneth beleuchtet das Lügen und Belogenwerden in ihrem neuen
Buch raffiniert und unterhaltsam. Es ist aber kein Lügen-Ratgeber.
Kolumne Lügenleser: Treibjagd an die Wahlurnen
Alle Welt soll unbedingt wählen gehen. Vor allem die Erstwähler sind heiß
umkämpft. Doch wozu? Ganz ehrlich: Keine Wahl ist auch eine Wahl.
PARTEI wählen ist das Letzte: Elitär, bourgeois und amoralisch
Sie machen auf aufgeklärt, sind zynisch und wählen die PARTEI. Sie denken,
das sei Protest. Mit diesen Schnupsis ist kein Staat zu machen.
Wen wählen bei der Bundestagswahl?: Ganz im Ernst
SPD zu unsozial, Linke außenpolitisch indiskutabel, Grüne auch falsch.
Warum ein taz-Redakteur für die Satirepartei Die PARTEI stimmt.
Braunschweig vor der Bundestagswahl: Ein bisschen zu gut
In Braunschweig scheint die Wahl entschieden: Die Frauen-Union bejubelt
Kanzlerin Angela Merkel. Themen? Braucht keiner.
AfD-Politikerin dampft aus Talkshow ab: Der rechte Trick mit der Opferrolle
Alice Weidel verlässt vorzeitig einen Live-Politiktalk im ZDF. Alles riecht
nach Inszenierung: Schon wieder ist die AfD in der Opferrolle.
Satire im Wahlkampf: Die PARTEI macht Politik nicht besser
Politik ist bieder, die Medien sind es auch – nur Satire kann die
Verhältnisse noch kritisieren, so eine gängige These. Doch sie stimmt
leider nicht.
Anti-AfD-Aktion der Partei „Die Partei“: Gender-Irrsinn nur geschlechtsneut…
„Die Partei“ hat 31 geheime Facebookgruppen von AfD- Fans gekapert und
öffentlich gemacht. Elf Monate sollen die Vorbereitungen gedauert haben.
Serdar Somuncu über Politik und Satire: „Die reden über Mütter oder Ikea“
Der Kabarettist Serdar Somuncu ist zur Bundestagswahl „Kançlerkandidat“ der
Satirepartei „Die Partei“. Er will die Homoehepflicht für alle – und
kritisiert seine Zunft.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.