# taz.de -- Kommentar Grüne und Jamaika: Das Hochrisikobündnis | |
> Die Koalition will eigentlich keiner. Die Grünen sind in der Frage | |
> gespalten. Beim Diskurs um Jamaika geht es auch um ihre Existenz. | |
Bild: Laut Prognosen geht es für die Grünen abwärts. Die Frage ist, ob sie v… | |
Der Name trügt. Jamaika, das klingt lässig und entspannt, nach Sonne und | |
nach Strand, nach Rum und Reggae. Aber die Koalition, die unter diesem | |
Label läuft, wäre alles andere als entspannt – weil sie eigentlich keiner | |
will. | |
Merkel nicht, weil sie Stabilität liebt. Die FDP nicht, weil sie aus der | |
außerparlamentarischen Opposition heraus direkt in einem Hochrisikobündnis | |
regieren müsste. Und große Teile der Grünen nicht, weil sie ganz genau | |
wissen, wie wenige ihrer Inhalte sie mit hinüber ins feindliche Lager | |
retten könnten. Ganz besonders für die ehemals linke Ökopartei aber wäre | |
ein Jamaika-Bündnis ein großes, vielleicht sogar ein existenzbedrohendes | |
Risiko. | |
Die Grünen krebsen in aktuellen Umfragen verdächtig nah an der Todeszone – | |
der Fünfprozenthürde – herum. Dass sie zwischen 7 und 8 Prozent | |
stagnieren, ist eine schwer verständliche Katastrophe. Denn eigentlich | |
sind sie gesegnet mit einer Themenlage, die passgenau auf sie | |
zugeschnitten ist. Dieselaffäre, Eierskandal, Hurrikans und der | |
Klimawandel allgemein sind groß in den Schlagzeilen, die Ökopartei hat | |
dazu viel zu sagen. Aber die Grünen, die sich glatt, kantenlos und | |
regierungswillig positioniert haben, scheinen vielen Wählern egal geworden | |
zu sein. Dabei sind ihre Ideen wichtiger denn je. | |
Also mitregieren um jeden Preis, um überhaupt etwas bewegen zu können? Ein | |
Jamaika-Bündnis nach der Wahl würde von linksgrünen Milieus als ultimativer | |
Verrat interpretiert werden. Und die Folgen wären unkalkulierbar. Es gäbe | |
einen Aufschrei in der mittleren, eher linken Funktionärsebene, es hagelte | |
Parteiaustritte. Die FDP hat diese bittere Erfahrung 1982 gemacht, als sie | |
aus der sozialliberalen Koalition ins konservative Lager gewechselt ist. | |
Bei den Grünen würde der linke Flügel noch stärker in die Defensive | |
gedrängt, als er es jetzt schon ist. Die Ökopartei wäre ja in der | |
Jamaika-Koalition die Minderheit und müsste mit der rechtsliberalen FDP und | |
der profilierungssüchtigen CSU Dinge mittragen, die heute noch niemand | |
benennen kann. Jamaika würde aus den Grünen eine andere Partei machen. | |
## Das Schlimmste verhindern | |
Grüne Realos, die derzeit für Jamaika werben, sagen, dass Themen wie der | |
Klimawandel so dringlich seien, dass auch kleinste Erfolge eine | |
Regierungsbeteiligung rechtfertigten. Für sie gilt es, das Schlimmste zu | |
verhindern. Dieses Argument ist ernst zu nehmen, ebenso wie die Beobachtung | |
aus Österreich: dass nämlich eine Verstetigung der Großen Koalition die | |
Ränder des politischen Spektrums stärkt. | |
Ein Argument kommt in dem Jamaika-Diskurs aber zu kurz: Es geht dabei auch | |
darum, ob auf Dauer eine ökologische Partei in Deutschland existiert – oder | |
eben nicht. | |
14 Sep 2017 | |
## AUTOREN | |
Ulrich Schulte | |
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