# taz.de -- Kommentar Pariser Flüchtlingsgipfel: Am Ende soll niemand kommen | |
> Die EU macht neue Pläne für die Aufnahme und Verteilung von Flüchtlingen. | |
> Ihr Beschluss bleibt vage und ändern wird sich mal wieder nichts. | |
Bild: Macron und Merkel hecken etwas aus. Der Rest der Welt ist Beiwerk | |
Asyl-Vorentscheide im Sahel, dann die freiwillige Aufnahme durch Europa – | |
so will die EU ihr Flüchtlingsproblem lösen. Das ist das Ergebnis des | |
[1][Migrationsgipfels], zu dem Frankreichs Premier Emmanuel Macron am | |
Montag nach Paris eingeladen hatte. Die EU setzt dabei auf drei Länder: Die | |
beiden ärmsten Staaten der Welt, Tschad und Niger, sowie das größtenteils | |
von bewaffneten Banden und Dschihadisten beherrschte Libyen. | |
Die Idee ist nicht neu. Otto Schily und Tony Blair brachten sie schon 2004 | |
erstmals auf. Sie scheiterte bislang vor allem an einem Punkt: Kein Staat | |
im Maghreb, der zunächst im Gespräch war, mochte sich als Standort für die | |
europäischen Asyl-Lager hergeben. Denn es war absehbar, dass nur ein | |
Bruchteil der dort Ankommenden je die Erlaubnis erhalten würde, in die EU | |
auszureisen. Viele der Übrigen würden sich rund um die Lager stauen. | |
Jetzt sind drei Länder im Spiel, die kaum etwas zu verlieren haben. Für | |
Niger und Tschad sind die drei- bis vierstelligen Millionensummen, die | |
Europa anbietet, schlicht nicht auszuschlagen. Und die so genannte | |
Regierung Libyens ist ohne die Unterstützung der EU nichts. Also machen sie | |
mit. | |
Der UNHCR soll künftig dort Flüchtlinge identifzieren, die Asyl in Europa | |
bekommen könnten. Die sollen dann freiwillig von der EU aufgenommen werden. | |
Es gibt heute bereits Mechanismen, in denen die EU die mehr oder weniger | |
freiwillige Aufnahme von Flüchtlingen zugesichert hat. Ihnen ist eins | |
gemeinsam: Fast niemand darf am Ende kommen. | |
## Schleppende Verteilung | |
Da ist zum Beispiel der Verteilmechanismus innerhalb der EU von 2015. Über | |
den sollten in den bis 2017 insgesamt 160.000 Flüchtlinge aus Italien und | |
Griechenland in andere EU-Staaten ausreisen können. Bis zum 24. August | |
wurden gerade 27.000 tatsächlich umverteilt, 17 Prozent – und das trotz | |
enormen Drucks aus Brüssel. 12 der 28 Staaten nahmen keinen einzigen | |
Flüchtling aus Italien. | |
Dann gibt es das Resettlement-Programm des UNHCR, der in der ganzen Welt | |
Flüchtlinge identifiziert, die besonders dringend umgesiedelt werden | |
müssen. Also genau das, was der UNHCR künftig im Auftrag der EU mit den | |
Flüchtlingen im Sahel tun soll. 2016 suchte der UNHCR für 165.000 Menschen | |
in extremer Not einen Aufnahmeplatz. Etwa 10.000 davon nahm die EU. | |
Schließlich das im EU-Türkei-Deal versprochene „Instrument zur freiwilligen | |
humanitären Aufnahme“ von Syrern aus der Türkei – es wurde nie umgesetzt. | |
So würde es auch in Zukunft sein. Es gibt überhaupt keinen Grund, | |
anzunehmen, dass die Staaten Europas eher bereit sind, Flüchtlinge aus den | |
hinterletzten Winkeln der Sahara nach Hannover, Barcelona und Montpellier | |
zu fliegen, wenn sie nicht mal welche aus Verona und Thessaloniki zu | |
übernehmen bereit sind. | |
Die Menschen würden also in den Lagern in der Wüste bleiben oder wieder | |
zurück geschickt, dahin, wo sie hergekommen sind. Solche Lager würden | |
nichts weiter sein als Endlagerstätten für das Elend der Welt. | |
Noch allerdings ist es nicht soweit. Der am Montag in Paris getroffene | |
Beschuss ist überaus vage, kaum eine der vielen Fragen, die sich zur | |
konkreten Umsetzung stellen, wird darin beantwortet. Bislang sind noch alle | |
großen Libyen-Pläne der EU im Wüstensand verlaufen. Fürs erste dürfte also | |
alles so bleiben, wie es ist. | |
29 Aug 2017 | |
## LINKS | |
[1] /Migrationsgipfel-in-Paris/!5443658 | |
## AUTOREN | |
Christian Jakob | |
## TAGS | |
Schwerpunkt Flucht | |
Migration | |
Tschad | |
Niger | |
Libyen | |
Griechenland | |
Türkei | |
Libyen | |
Schwerpunkt Flucht | |
Schwerpunkt Flucht | |
Schwerpunkt Flucht | |
EU-Flüchtlingspolitik | |
EU-Flüchtlingspolitik | |
Schwerpunkt Bundestagswahl 2021 | |
Milizen in Libyen | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Flüchtlinge in Griechenland: Lieber tot als gefangen auf Lesbos | |
Die Lage der Flüchtlinge auf den ägäischen Inseln ist dramatisch. Das | |
stellt ein Bericht der Hilfsorganisation Ärzte ohne Grenzen fest. | |
Rekord bei Asylanträgen von Türken: Deutschland lehnt die meisten ab | |
In Deutschland suchen so viele Menschen Asyl wie seit dem Putschversuch | |
2016 nicht mehr. Die meisten werden vom BAMF jedoch als „unbegründet“ | |
abgelehnt. | |
Nach Vorbild des Türkei-Modells: Flüchtlingsdeal auch für Libyen | |
Um die Balkanroute zu schließen und Flüchtlinge fernzuhalten, gibt die EU | |
sechs Milliarden Euro aus. Mit derselben Summe will sie die Mittelmeerroute | |
kappen. | |
Räumung einer Unterkunft für Geflüchtete: Asyl und obdachlos in Rom | |
Italien bietet Geflüchteten nicht automatisch Wohnraum. Die Räumung eines | |
Gebäudes entzweit die Gesellschaft und politische Institutionen. | |
Migrationszusammenarbeit mit Afrika: Das Recht auf Schutz entfällt | |
Die EU will Migranten in Transitländern Angebote zur „freiwilligen | |
Rückkehr“ machen. Niger und Tschad erwarten mehr als Versprechungen. | |
Reaktionen auf den Flüchtlingsgipfel: Scharfe Kritik aus Deutschland | |
Merkel will mehr legale Wege zur Migration aus Afrika nach Europa öffnen. | |
Pro Asyl spricht von einem „Verrat an europäischen Werten“. | |
Migrationsgipfel in Paris: Prüfung schon in Afrika | |
Beim Treffen einigten sich Staats- und Regierungschefs auf eine | |
Transitstaaten-Lösung. Asylanträge werden künftig schon in Staaten wie | |
Niger oder Tschad geprüft. | |
Treffen in Frankreich: (Anti-)Migrationsgipfel in Paris | |
Europäische Staats- und Regierungschefs beraten mit afrikanischen Kollegen | |
über Flüchtlinge. Ziel der Zusammenarbeit: Die Menschen sollen in Afrika | |
bleiben. | |
Wahlkampf in Berlin: Die Flucht nach vorn | |
Gleich drei Fachleute von Linken und Grünen für Flüchtlings- und | |
Integrationspolitik wollen in den Bundestag. Zufall? | |
Weniger Geflüchtete über das Mittelmeer: Mittelmeer statt Grenzen schließen | |
Die Zahl der ankommenden Flüchtlinge in Italien sinkt. Eine Miliz in Libyen | |
hindert Migranten an der Abfahrt. Auch Hilfslieferungen aus Italien tragen | |
dazu bei. |