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# taz.de -- Wahlkampf in Berlin: Die Flucht nach vorn
> Gleich drei Fachleute von Linken und Grünen für Flüchtlings- und
> Integrationspolitik wollen in den Bundestag. Zufall?
Bild: Die Berliner Grüne Canan Bayram will als Nachfolgerin von Christian Str�…
Das Thema Flüchtlinge und ihre Integration hat die Stadt und das Land in
den letzten zwei Jahren beschäftigt wie kaum ein zweites. Nun zieht es
gleich drei erfahrene LandespolitikerInnen aus diesem Bereich in den
Bundestag. Hakan Taş, Sprecher der Linkspartei im Abgeordnetenhaus für
Inneres, Integrations- und Partizipationspolitik, ist Direktkandidat in
Reinickendorf. Canan Bayram, flüchtlingspolitische Sprecherin, will in
Friedrichshain-Kreuzberg die Nachfolge des grünen Altmeisters Christian
Ströbele antreten; und in Neukölln steht Susanna Kahlefeld,
Grünen-Sprecherin für Partizipation und Integration, zur Wahl. Alles Zufall
– oder hat es mit dem Thema zu tun?
Ganz klar letzteres, sagt die Juristin Bayram. „Mein Bezirksverband will
mich schon in den Bundestag schicken, weil er das Thema Migration wichtig
findet.“ Man erwarte aber ebenfalls von ihr, sich für die klassischen
Ströbele-Themen Bürgerrechte und Friedenspolitik stark zu machen. Auch Taş
glaubt, „dass wir auf Bundesebene Experten für Flüchtlingspolitik, Inneres
und Integration brauchen“.
## Wunsch nach Gestaltung
Hinzu kommt, sagen beide, dass ihre Gestaltungsmöglichkeiten auf
Landesebene begrenzt sind, weil in diesem Themenfeld die
Gesetzgebungskompetenz auf Bundesebene liegt. Was landespolitisch möglich
sei, habe sie im Koalitionsvertrag von Rot-Rot-Grün durchgesetzt, findet
Bayram. Als Beispiel verweist sie darauf, dass humanitäre Gesichtspunkte
bei der Erteilung von Aufenthaltserlaubnissen oder Abschiebungen nun
einbezogen werden. Mehr sei rechtlich nicht drin gewesen. „Aber im Bund
könnte ich wirklich etwas bewirken, auch aufgrund meiner juristischen
Kenntnisse.“ Die ersten drei Dinge, die sie angehen würde: ein Bleiberecht
für Flüchtlinge nach zwei Jahren, ein Ende der Abschiebungen nach
Afghanistan und die Erlaubnis zum Familiennachzug für alle anerkannten
Flüchtlinge.
Auch Linkspolitiker Taş will die Fesseln der Landesebene „insbesondere in
der Flüchtlings- und Innenpolitik“ abstreifen und „deutlicher am Fundament
der politischen Ausrichtung in Deutschland arbeiten.“ Als klassischer
Linker sieht er sein künftiges Wirkungsfeld im Kampf gegen die zunehmende
Kluft zwischen arm und reich. Aber auch bei den Themen NSU-Komplex, sichere
Herkunftsländer, Flüchtlingsdeal mit der Türkei und Überwachungsstaat will
er „unduldsam anpacken“.
Etwas anders liegt die Sache bei Kahlefeld. Dass sie als Kandidatin vom
Bezirksverband aufgestellt wurde, habe nichts mit ihrem Themengebiet zu
tun, sagt sie. Aber sie sei nun mal eine der erfahrensten Grünen in
Neukölln und habe bei der Abgeordnetenhauswahl 2016 ein sehr gutes Ergebnis
erzielt. „Die Frage war: Schicken wir jemanden ins Rennen, der wirklich
etwas reißt? Es ist ja ein Zweitstimmen-Wahlkampf.“ Denn natürlich weiß
sie, dass sie keine Chance hat, das Direktmandat zu holen (siehe Kasten).
Und da sie nicht über einen Listenplatz abgesichert ist, wird sie dem
Abgeordnetenhaus erhalten bleiben. „Aber ich will in Neukölln ein Ergebnis
über dem Bundesdurchschnitt erreichen.“
Auch ihre Parteikollegin Bayram ist längst nicht sicher, dass sie demnächst
im Reichstagsgebäude arbeiten wird, denn auch sie ist nicht über einen
Listenplatz abgesichert. Zwar hat Ströbele viermal hintereinander für die
Grünen das Direktmandat in Friedrichshain-Kreuzberg geholt, aber ob Bayram
dies ebenfalls gelingt, ist völlig offen. Laut einer Umfrage von
wahlkreisprognose.de von Anfang August liegt sie mit 25,5 Prozent der
Erststimmen nur wenig vor dem Linken Pascal Meiser (23,5).
Vergleichsweise entspannt kann Hakan Taş der Wahl entgegen sehen. Zwar hat
er keine Chance auf das Direktmandat im CDU-Bezirk Reinickendorf. Dafür
steht er auf Platz 6 der Landesliste. „Bei der letzten Bundestagswahl hat
das geklappt“, macht er sich selbst Mut.
Auf die Frage, warum das Thema Flüchtlinge im bisherigen Wahlkampf kaum
eine Rolle spielt, geben die drei ExpertInnen übrigens höchst
unterschiedliche Antworten. „Für meinen Wahlkreis kann ich das gar nicht
sagen“, erklärt Bayram. Sie werde bei vielen Besuchen und Veranstaltungen
im Bezirk darauf angesprochen. Ihre Parteikollegin Kahlefeld sagt dagegen:
„Ich vermute, dass alle Parteien die Finger davon lassen wegen der AfD.“
Taş sieht die Sache optimistischer. Zwar gebe es schon Versuche, vor allem
von „rechtspopulistischen Parteien“, Flüchtlingspolitik zu einem
wahlentscheidenden Thema zu machen. Aber: „Ich vermute, dass die Menschen
in Deutschland dieses Spiel satt haben. Sie sehen die grundsätzliche
Solidaritätsnotwendigkeit mit den Schwächeren und Schwächsten dieser
Gesellschaft.“
28 Aug 2017
## AUTOREN
Susanne Memarnia
## TAGS
Schwerpunkt Bundestagswahl 2025
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