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# taz.de -- Die Linke im Wahlkampf: Kampagne Schwäbischer Art
> Stefan Liebich von den Linken kocht in Prenzlauer Berg werbewirksam
> Spätzle. Den dort so ungeliebten Schwaben zuliebe.
Bild: Spätzle kochend und Maultäschle haltend: Wahlkampf in Prenzlauer Berg
Es ist vielleicht der letzte Sommertag in diesem Jahr, und darum haben auch
drei der sieben Journalisten, die am Mittwochnachmittag am
Käthe-Kollwitz-Denkmal in Prenzlauer Berg erschienen sind, ein Eis in der
Hand. Stefan Liebich (Linke), seit 2009 als Direktmandat des Wahlkreises
Pankow im Bundestag, stellt eine neue Wahlkampagne vor.
Mit einem kleinen Film, in dem er versucht, Spätzle zu kochen, und einer
Reihe von Plakaten wirbt er um eine viel bekriegte Exilantengruppe in
Prenzlauer Berg, die Schwaben: „Nazis, einfach mal das Maultäschle halten“
steht auf einem der Plakate.
Der Hintergrund: Es begann im Dezember 2012. Bundestagsvizepräsident
Wolfgang Thierse (SPD), vor Liebich Inhaber des Direktmandats Pankows, sagt
in einem Interview: „Ich wünsche mir, dass die Schwaben begreifen, dass sie
jetzt in Berlin sind und nicht mehr in einer Kleinstadt mit Kehrwoche.“ Ein
Aufschrei geht durch den Blätterwald. Wenig später wird selbiges Denkmal,
an dem heute Liebich für die Schwaben wird, von einer Spaßtruppe mit
Spätzle beworfen, die im Netz den autonomen Bezirk Berlin-Schabylon
fordert.
„Da steckte eine ernsthafte Debatte dahinter“, sagte Stefan Liebich schon
damals und wiederholt es heute aus Anlass der Wahl. Hintergrund war nicht
nur die Gentrifizierungskritik, sondern auch die Fremdenfeindlichkeit. „Ich
bin selbst aus Greifswald nach Berlin gezogen und schon deshalb für
Offenheit“, sagt er. „Ganz egal, ob es sich um einen Touristen aus Tel
Aviv, eine Studentin aus Stuttgart oder einen Flüchtling aus Eritrea
handelt.“
## Sind die Schwaben überhaupt Schuld?
Nicht, dass Stefan Liebich nicht Recht hätte. Aber im Rahmen von Wahlkampf
und Wählerfang wirkt das Ganze dann doch ein wenig anbiedernd. Auf der
einen Seite. Auf der anderen Seite: Was ist eigentlich aus den Schwaben
geworden? Sind sie wirklich noch jene, denen man den Mietenwahnsinn im Kiez
in die Schuhe schieben kann?
Das sind sie natürlich schon lang nicht mehr. Die Schwaben kamen oft vor
10, 15 Jahren in den Bezirk. Heute haben auch sie vielfach Mühe, ihre
steigenden Mieten zu begleichen und ihre Häuser gegen den Ankauf von
Heuschrecken aus Spanien oder England zu verteidigen. Sie gehören längst
zum Prekariat in diesem Quartier.
Insofern ist es vielleicht nicht nur schleimig, was Liebich da macht. Denn
es liegt auch in der Logik seiner Partei, sich mit den Armen und von
Verdrängung bedrohten zu solidarisieren.
Das nur am Rande: So oder so hätte sich Liebich besser beraten lassen
müssen. Denn in seinen Film benutzt er ausgerechnet die Spätzlepresse, mit
der die Nudeln definitiv zu lang werden. Als Tochter eines Exilschwaben in
Hessen weiß ich, dass das Gros der Schwaben den Spätzlehobel mit
Edelstahlschieber bevorzugt.
31 Aug 2017
## AUTOREN
Susanne Messmer
## TAGS
Die Linke Berlin
Prenzlauer Berg
Schwaben
Stefan Liebich
Bahn
Briefwahl
Schwerpunkt Bundestagswahl 2025
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Prenzlauer Berg
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