# taz.de -- Kommentar Wahlentscheidung: Retrospektives Wählen | |
> Wähler sollten weniger auf Slogans und mehr auf die Bilanz der Parteien | |
> achten. Wahlwerbung und Wahlomat helfen nur bedingt. | |
Bild: Wer früh per Post wählt, kann den Wahlkampf guten Gewissens ignorieren | |
Andere quälen sich noch, ich habe meine Stimme schon abgegeben – obwohl der | |
Wahlkampf erst jetzt richtig beginnt. Ich interessiere mich einfach nicht | |
für Wahlkampfslogans und Versprechungen. Die reale Arbeit der Parteien | |
finde ich viel wichtiger. Deshalb schaue ich lieber in die Vergangenheit – | |
auf die Regierungsarbeit der Parteien und auf Abstimmungen im Bundestag. | |
Retrospektives Wählen könnte man das nennen. | |
Die SPD fordert in ihrem Wahlprogramm zum Beispiel ein Ende der | |
sachgrundlosen Befristung von Arbeitsverhältnissen. Allerdings haben die | |
Sozialdemokraten noch Ende Juni mit überwältigender Mehrheit [1][gegen | |
einen Gesetzesentwurf] der Linkspartei gestimmt, der genau das vorsah. Und | |
wenn Spitzenkandidat Martin Schulz für „soziale Gerechtigkeit“ wirbt, | |
sollten Wähler sich ins Gedächtnis rufen, dass die SPD in der Vergangenheit | |
auch für Hartz IV, Praxisgebühr und Leiharbeit verantwortlich war. | |
Auch bei der FDP lohnt sich ein Blick in die Archive. Wer sich von einer | |
Stimme für die Liberalen Steuerentlastung erhofft, der sei an den 1. Januar | |
2010 erinnert. Kurz nach Antritt der schwarz-gelben Bundesregierung senkten | |
die Freien Demokraten die Mehrwertsteuer für Hotelübernachtungen. An den | |
Steuern für geringe Einkommen änderte sich dagegen nichts. Trotz Christian | |
Lindners hippem Wahlkampf gibt es wenig Anlass zu glauben, dass die FDP von | |
ihrer Klientelpolitik abrückt. | |
Die AfD ist zwar nicht im Bundestag vertreten und war noch nie an einer | |
Regierung beteiligt, hat aber in den Landesparlamenten eine Bilanz | |
vorzuweisen. So wollten die Rechtspopulisten im Rahmen [2][einer Anfrage] | |
zum öffentlich-rechtlichen Rundfunk im Sächsischen Landtag unter anderem | |
wissen, wann und warum TV-Moderationen vor oder hinter dem Moderationstisch | |
erfolgen. Wähler können also schon jetzt ahnen, wofür die Partei ihre | |
Ressourcen aufwendet. | |
Retrospektives Wählen scheint auch im Internet eine Anhängerschaft zu | |
entwickeln. Als Alternative zum [3][Wahl-O-Mat] bietet [4][deinwal.de] ein | |
Onlineabstimmungstool, das auf dem Abstimmungsverhalten der Parteien im | |
Bundestag beruht. „Nur wer die Vergangenheit kennt, kann die Gegenwart | |
verstehen und die Zukunft gestalten.“ Diese oft zitierte Binsenweisheit | |
kann an der Wahlurne bei der Entscheidungsfindung helfen – oder bei der | |
Briefwahl. | |
4 Sep 2017 | |
## LINKS | |
[1] http://daserste.ndr.de/panorama/aktuell/SPD-Soziale-Gerechtigkeit-aber-bitt… | |
[2] http://edas.landtag.sachsen.de/viewer.aspx?dok_nr=7087&dok_art=Drs&… | |
[3] https://www.wahl-o-mat.de/bundestagswahl2017/ | |
[4] https://deinwal.de/quiz/0 | |
## AUTOREN | |
Jörg Wimalasena | |
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