# taz.de -- Kommentar Grüne vor der Wahl: Hickhack bei der ökosozialen Partei | |
> Grüne Oberrealos halten die linksgrüne Canan Bayram aus Berlin-Kreuzberg | |
> für nicht wählbar. Dabei brauchen die Grünen vehemente Neinsagerinnen. | |
Bild: Wahlplakat mit Canan Bayram | |
Die Grünen haben ein Problem. Nein, nicht die Wahlumfragen. Das heißt: die | |
auch, klar. Denn die sind im Keller, obwohl die Republik über Dieselstinker | |
(Ökologie!), Flüchtlinge (Humanismus!) und die Zukunft des Sozialstaats | |
(Solidarität!) streitet. Alles super Themen, bei denen die ökosoziale | |
Menschenrechtspartei Haltung zeigen und punkten könnte. | |
Könnte. | |
Tatsächlich aber hört man von den Grünen im Bundestagswahlkampf vor allem | |
eins: dass sie sich einig sind. Nicht streiten. Alle an einem Strang | |
ziehen. Vor lauter Angst, irgendeinen Wähler mit einer Position zu | |
verprellen, präsentieren sich die Grünen als superseriös, damit sie | |
endlich, endlich auch mal wieder an die Macht kommen. | |
Dumm nur, dass so auch verloren geht, was die Grünen seit ihrer Gründung | |
ausgemacht hat: Haltung, Leidenschaft, Streit, Debatten über und unter der | |
Gürtellinie. Ohne Schienbeinschoner. Weil es ihnen tatsächlich darum ging, | |
die Welt zu verändern, und nicht bloß um die Zusammensetzung einer | |
Regierungskoalition. | |
Deshalb kann der bis zur Langeweile glattgebügelten Partei nichts Besseres | |
passieren, als dass sich ihre Player nun kurz vor der Wahl gegenseitig ins | |
Knie schießen, weil Oberrealos baden-württembergischer Prägung die | |
Direktkandidatin der traditionell stacheligen Kreuzberger für nicht wählbar | |
halten. | |
Vordergründig geht es bei dem Hickhack um die linksgrüne Canan Bayram, die | |
als Nachfolgerin des aus Altersgründen nicht mehr antretenden Christian | |
Ströbele den einzigen Wahlkreis verteidigen will, den die Grünen je geholt | |
haben, nur um persönliche Animositäten. Tatsächlich steckt dahinter aber | |
erneut pure Angst: Denn wie soll eine immer noch denkbare schwarz-grüne | |
Koalition möglich sein, wenn diese vielleicht an der Stimme einer | |
eigenwilligen Kreuzbergerin hängt, die sich vehement für Flüchtlinge | |
einsetzt und sogar mit Hausbesetzern redet? | |
Die Antwort ist einfach: Gerade dann bräuchten die Ökos VertreterInnen | |
ihrer beiden Erfolgsmodelle Tübingen und Kreuzberg. Sie bräuchten vehemente | |
Neinsagerinnen, die nicht zu allem sofort Ja und Amen sagen. Denn sonst | |
würden sie nur an der Seite von Angela Merkel Angelamerkelpolitik machen | |
anstelle der SPD. Und wer das will, kann auch die FDP wählen. | |
6 Sep 2017 | |
## AUTOREN | |
Gereon Asmuth | |
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