# taz.de -- Pro und Contra Berliner Mietenpolitik: Ist Vorkaufsrecht die Rettun… | |
> Als Mittel im Wohnungskampf will der Senat das Vorkaufsrecht stärken. | |
> Hilft das wirklich oder bleibt es Stückwerk? | |
Bild: Das Thema ist latent. Wie sehr hilft das Vorkaufsrecht? | |
Ja: | |
Innerhalb eines Monats kauft eine luxemburgische Briefkastenfirma zwei | |
Häuser in Kreuzberg. Beide Male funkt der Bezirk dazwischen und greift | |
zugunsten einer Wohnungsbaugesellschaft selber zu. Die Immobilienhaie | |
stehen mit leeren Händen da. Marktsondierung, Kaufverhandlungen, | |
Ausarbeitung der Verträge – alles umsonst. | |
Das zeigt: Das Instrument des Vorkaufsrechts funktioniert doppelt: Mieter | |
werden effektiv vor jenen geschützt, die ihre Wohnungen in Luxuseigentum | |
umwandeln wollen. Und Profitmacher werden auf- und im besten Falle | |
abgeschreckt, es wieder zu versuchen. | |
Das gilt für Käufer und Verkäufer gleichermaßen. Letztere – häufig | |
Privatpersonen –, die bislang gewissenlos an die Meistbietenden | |
verscherbelten, sollten sich zukünftig gut überlegen, ob sie das Risiko des | |
Verkaufs zum Höchstpreis eingehen. Greift der Bezirk ein und zieht der | |
ausgebootete Käufer vor Gericht, sehen sie jahrelang kein Geld. Wer ein | |
sicheres Geschäft möchte: Wohnungsbaugesellschaften und viele | |
Hausgemeinschaften stehen bereit. | |
Mit dem Vorkaufsrecht zeigt der Staat, dass er den Entwicklungen des | |
Marktes nicht machtlos gegenübersteht – allein das ist ein gutes, lang | |
vermisstes Zeichen. Und die ersten sieben geretteten Häuser bewirken schon | |
deutlich mehr. Auf jedes von ihnen kommen zwei bis drei weitere, bei denen | |
Käufer den Vorkauf des Bezirks abwenden, indem sie sich den Zielen des | |
Milieuschutzes verpflichten. Auch das ist effektive Mieterhilfe. | |
Funktionieren kann sie aber nur, wenn die Drohkulisse steht. | |
Um diese aufzubauen, ist es auch richtig, in Einzelfällen überzogene Preise | |
zu zahlen. Die Abschreckungswirkung ist unbezahlbar. Für die gut | |
ausgestatteten Wohnungsbaugesellschaften bedeutet das im Zweifel nur, auf | |
ein paar Renditepunkte zu verzichten. Das ist verschmerzbar für das Ziel | |
einer bezahlbaren Stadt. In Friedrichshain-Kreuzberg heißt es: Setzt sich | |
die Dynamik der Ankäufe dieses Jahres zwanzig Jahre fort, wären wieder zwei | |
Drittel aller Wohnungen staatlich oder gemeinnützig. Ein Ziel, für das es | |
sich zu kämpfen lohnt. Erik Peter | |
Nein: | |
MieterInnen, die in letzter Sekunde vor dem Verkauf ihres Hauses an einen | |
Immobilienhai bewahrt werden, weil der Bezirk sich unerschrocken | |
dazwischenwirft: Das Vorkaufsrecht ist ein Instrument der | |
Stadtentwicklungspolitik, mit dem sich gute Geschichten erzählen lassen. | |
Entsprechend hoch ist die mediale Aufmerksamkeit. Weil über jeden einzelnen | |
Fall ausführlich berichtet wird, könnte man meinen, das Land stünde | |
tatsächlich kurz davor, sich die Stadt von privaten Immobilienfirmen | |
zurückzukaufen. | |
Doch das ist mitnichten der Fall. Das Vorkaufsrecht, so entscheidend seine | |
Anwendung für die betroffenen MieterInnen sein mag, ist in seiner | |
Wirkungsweise begrenzt. Gerade mal in sieben Fällen wurde es bislang | |
erfolgreich eingesetzt. Diese Zahl ist nicht nur Ausdruck mangelnden | |
politischen Willens, sondern hat auch strukturelle Gründe: Die Beschränkung | |
auf Milieuschutzgebiete, aufwendige Verfahren, hohe Kosten – ein | |
massentaugliches Instrument wird das Vorkaufsrecht nie. Doch genau das ist | |
nötig angesichts der Mietensituation, in der Einzelfalllösungen längst | |
nicht mehr ausreichen. | |
Ist es deswegen falsch, wenn die Bezirke dieses Instrument einsetzen? Nein. | |
Doch der Hype um das Vorkaufsrecht ist dennoch gefährlich, weil er von den | |
wichtigen Fragen ablenkt: Solange auch von den landeseigenen | |
Wohnungsunternehmen erwartet wird, dass sie hohe Renditen erwirtschaften, | |
bleibt der mieterschützende Effekt einer Rekommunalisierung begrenzt – und | |
auch die überzogenen Preise der Vorkaufsrecht-Häuser werden auf die | |
MieterInnen umgelegt. | |
Und: Wer der Spekulation mit Wohnraum tatsächlich etwas entgegensetzen | |
will, statt auf Abschreckung im Einzelfall zu hoffen, muss an einer anderen | |
Schraube drehen. Die Erhöhung der Grunderwerbssteuer und das Verbot von | |
Share Deals, mit denen sich Unternehmen dieser Steuer massenhaft entziehen, | |
müssen kommen. Dazu ist von Rot-Rot-Grün bislang aber erstaunlich wenig zu | |
hören – darüber dürfen auch die schönen Geschichten vom Vorkaufsrecht nic… | |
hinwegtäuschen. Malene Gürgen | |
16 Aug 2017 | |
## AUTOREN | |
Erik Peter | |
Malene Gürgen | |
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