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# taz.de -- Spekulation in Kreuzberg: Investor im Stuhlkreis
> Ein Käufer zweier Kreuzberger Häuser trifft die Mieterschaft. Die hofft,
> dass der Bezirk sein Vorkaufsrecht ausübt.
Bild: Noch ist das Leben ruhig in der Cuvrystraße 44/45
Berln taz | In dem knallbunten Raum des Nachbarschaftszentrums Wrangelkiez
sitzen am Mittwochabend 30 Personen in einem Stuhlkreis zusammen. Für mehr
als die Hälfte von ihnen geht es um ihre Zukunft im Kreuzberger Kiez. Sie
wohnen in den Häusern Cuvrystraße 44 und 45, vierstöckige Bauten aus der
Nachkriegszeit, die nichts mit den noblen Gründerzeitbauten anderswo im
Bezirk zu tun haben.
Auch die Mieter sind mehr Eckkneipen- als Latte-macchiato-Café-Publikum.
Außerdem haben sich versammelt: Vertreter des Bezirks, von
Nachbarschaftsinitiativen und der Immobilienmakler David Borck, der Käufer
der beiden Häuser.
Borck, ein untersetzter Mitvierziger, Typ Gesamtschullehrer mit
Ku'damm-Armbanduhr, ist hier auf feindlichem Terrain. Mitgebracht hat er
zwei, so sagen sie es in der Vorstellungsrunde, „gute Freunde“, die man
getrost als Bodyguards bezeichnen kann. 1,9 Millionen Euro will Borck an
die Voreigentümerin überweisen, die die Gebäude von ihrem im November
verstorbenen Bruder geerbt hatte. Nun möchte er „um Vertrauen werben“, wie
er sagt.
Der Verkäuferin habe er vertraglich zugesichert, für eine Dauer von zehn
Jahren auf teure Modernisierungen – Fahrstuhleinbau, Wärmedämmung,
zusätzliche Balkone – und die Umwandlung in Eigentumswohnungen zu
verzichten. „Ich habe nicht vor, jemanden zu verdrängen“, so Borck. Ob das
Versprechen hält, ist fraglich: Borck will eine Heizung einbauen, Elektrik
und Fassade sanieren. Die teils spottbilligen Mieten könnten sich
verdoppeln.
## Bezirk will längeren Schutz
Sein Angebot geht nur punktuell über die gesetzlichen Pflichten hinaus,
etwa das Umwandlungsverbot von sieben Jahren. Und es bleibt deutlich hinter
der Forderung des Bezirks zurück. Der nämlich will, dass sich Borck für 20
Jahre den Zielen des Milieuschutzes verpflichtet. Eine entsprechende
Vereinbarung wurde Borck vorgelegt. Unterschreibt er diese – wie
angekündigt – nicht, kann der Bezirk bis zum 8. Oktober sein Vorkaufsrecht
nutzen und die Häuser für eine Wohnungsbaugesellschaft oder die Mieter, die
bereits eine Stiftung an der Hand haben, erwerben.
Ein Automatismus sei das nicht, erklärt Aaron Schaar, Bezirksbeauftragter
für Vorkäufe. Stattdessen müsse nachgewiesen werden, warum Borcks
Zehn-Jahres-Angebot dem Gemeinwohlinteresse nicht gerecht würde; die
Ausübung des Vorkaufsrechts sei eine „Ermessensentscheidung“.
Auf diese einzuwirken dürfte Borcks Anreiz gewesen sein, sich zu stellen.
Erfolgreich? „Meine Sorgen haben Sie nicht ausgeräumt“, so ein Bewohner in
der Schlussrunde. „Mein Wunsch ist, dass die Stiftung unser Haus übernimmt
und wir hier in Ruhe leben können.“ Länger als zehn Jahre.
14 Sep 2017
## AUTOREN
Erik Peter
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Kreuzberg
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Vorkaufsrecht
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