Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Kommentar Mietpreisbremse: Gescheitert – nicht verfassungswidrig
> Die Mietpreisbremse ist verfassungswidrig, behauptet das Landgericht
> Berlin. Falsch. Aber sie ist aus anderen Gründen gescheitert.
Bild: Bis das Wasser bis zum Hals steht: die Mieten werden weiter steigen
Mietenpolitik ist ein wichtiges Thema in diesem Wahlkampf. In vielen
Städten [1][galoppieren die Mieten], bezahlbarer Wohnraum ist knapp. Die
Konzepte der Parteien unterscheiden sich deutlich: SPD, Linke und Grüne
wollen die 2015 eingeführte Mietpreisbremse verschärfen. Union und AfD sind
skeptisch und die FDP will sie gleich ganz abschaffen.
Wenn nun das Landgericht [2][Berlin] die Mietpreisbremse für
verfassungswidrig hält, sieht das so aus, als hätten Union/AFD/FDP schon
vor der Wahl gewonnen – am Richtertisch. Doch es besteht kein Grund zur
Aufregung. Der Beschluss der Berliner Richter hat fast keinerlei Bedeutung.
Ein Gesetz kann in Deutschland nur vom Bundesverfassungsgericht für
verfassungswidrig erklärt werden; ein Landgericht kann die Karlsruher
Richter nur um Prüfung bitten. Doch auch das hat das Landgericht Berlin
nicht getan, denn die Verfassungsmäßigkeit der Mietpreisbremse war für die
Lösung des konkreten Falls gar nicht relevant. Die Berliner Richter haben
ihre Position zwar mit einem Hinweisbeschluss in den Prozess eingeführt und
diesen nun veröffentlicht. Letztlich ist das aber nur eine juristische
Meinungsäußerung von drei Berliner Juristen.
Dass die Mietpreisbremse verfassungswidrig sei, hat man auch vorher schon
gehört, etwa vom Eigentümer-Verband „Haus und Grund“. Bisher wurde sie von
Kritikern aber immer als übermäßiger Eingriff ins Grundrecht auf Eigentum
gebrandmarkt. Die Berliner Richter rügen nun eine Verletzung des
Gleichheitssatzes und fangen damit eine ganz andere, eher marginale
Diskussion an.
## Dynamik bremsen statt einheitlich beschränken
Zwar stimmt der Einwand, dass die Mietpreisbremse in Berlin bei einer
Miethöhe ansetzt, die 70 Prozent niedriger liegt als etwa in München. Das
ist aber keine unsachliche Benachteiligung von Berliner Vermietern, wie das
Landgericht nun meint. Vielmehr gibt es in fast allen Ballungsräumen einen
überhitzten Wohnungsmarkt mit schnell steigenden Mieten. Die
Mietpreisbremse soll die Dynamik dieses Anstiegs jeweils brechen, nicht
eine bundesweit einheitliche Miet-Obergrenze sichern.
Der Beschluss des Berliner Landgerichts wird in der juristischen Debatte
also keine große Wellen schlagen. Dass er dennoch viel Medienecho fand, ist
nur dem Wahlkampf geschuldet – und der hohen Symbolwirkung der
Mietpreisbremse, deren Name so klingt, als würde sie tatsächlich
funktionieren.
Das eigentliche Problem der Mietpreisbremse ist aber kein rechtliches,
sondern ein praktisches. Denn trotz Mietpreisbremse steigen die Mieten
recht ungebremst weiter. Die Befürworter machen dafür die vielen Ausnahmen
verantwortlich und wollen die Mietpreisbremse verschärfen. Doch selbst wenn
eine verschärfte Mietpreisbremse den Mietanstieg tatsächlich stoppen würde
(was keineswegs sicher ist), dann wären weiterhin Wohnungen in
Ballungsräumen zu knapp. Und es ist unwahrscheinlich, dass in der
Konkurrenz um die weiterhin zu knappen Mietwohnungen nun plötzlich vor
allem die einkommensschwachen und besonders schutzbedürftigen Bewerber zum
Zuge kämen.
Auch wenn die Mietpreisbremse schön klingt, ist doch der Bau von
hunderttausenden öffentlich geförderter günstiger Wohnungen mit
Sozialbindung viel wichtiger. Hierfür sind aber wiederum die Länder
zuständig, weshalb diese Diskussion im Bundestagswahlkampf leider auch
ziemlich symbolisch ist.
20 Sep 2017
## LINKS
[1] /!5444629/
[2] /5445473/
## AUTOREN
Christian Rath
## TAGS
Stadtentwicklung
Mietenvolksentscheid
Justizpolitik
Mieten
Schwerpunkt Bundestagswahl 2025
Wohnungsbau
Demo
Mietpreisbremse
Mieten
Mietenpolitik
Vorkaufsrecht
Kotti und Co
## ARTIKEL ZUM THEMA
Demo am Samstag in Berlin: Auf die Straße gegen Verdrängung
Mieter vom Maybachufer rufen zu Protest gegen massive Mietsteigerungen in
Sozialwohnungen auf. Auch Unterstützter von Drugstore und Potse
demonstrieren.
Zukunft der Mietpreisbremse: Bremse noch, wer kann!
Die Chancen für eine Verschärfung der Mietpreisbremse stehen mit Union, FDP
und Grünen schlecht. Und auch die mangelnde Anwendung ist ein Problem.
Mieterratswahlen in der Kritik: Mieterräte bleiben, wie sie sind
Der Senat bestätigt Unregelmäßigkeiten bei den Mieterratswahlen: „Mietern
Unrecht getan“. Eine Wiederholung der Wahl wird es aber nicht geben.
Studie zu Mieten in Großstädten: Millionen mieten sich arm
Eine Million Haushalte in Großstädten gibt mehr als die Hälfte des
Monatseinkommens für die Miete aus. Was übrigbleibt, reicht oft kaum zum
Leben.
Pro und Contra Berliner Mietenpolitik: Ist Vorkaufsrecht die Rettung?
Als Mittel im Wohnungskampf will der Senat das Vorkaufsrecht stärken. Hilft
das wirklich oder bleibt es Stückwerk?
Kommentar Protest gegen Gentrifizierung: Das neue Berliner Mieteinander
Initiativen von Mietern wie Kotti & Co kämpfen gegen immer dreister
auftretende Investoren. Doch auf wessen Seite steht eigentlich die Politik?
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.