| # taz.de -- Nachwirkungen des G20-Gipfels: Grundrechte missachtet | |
| > Körperverletzung, Bedrohung, Nötigung: Gegen 49 Polizisten laufen | |
| > Verfahren. Amnesty kritisiert Hamburgs Bürgermeister Scholz. | |
| Bild: G20-Gipfel: Die Polizei, dein Freund und Helfer. Findet zumindest Hamburg… | |
| Berlin taz | Paul Erzkamp bedankte sich höflich. Doch in der Sache blieb | |
| der Vorsitzende der nordrhein-westfälischen Falken unversöhnlich. „Wir | |
| bedanken uns für die Entschuldigung des Senates und des Polizeipräsidenten | |
| für die Vorkommnisse in Hamburg und die Einsicht, dass es sehr wohl Fehler | |
| in der Arbeit der Polizei gab“, teilte er mit. Doch dies könne nur ein | |
| erster Schritt sein. „Wir halten an der eingereichten Klage fest.“ | |
| Knapp einen Monat nach dem Hamburger G20-Gipfel dauert die Aufarbeitung des | |
| fragwürdigen Agierens der Polizei an. Dazu gehört auch die irrtümliche | |
| Festsetzung eines von dem SPD-nahen Kinder- und Jugendverband organisierten | |
| Busses, mit dem 44 Jugendliche aus dem Ruhrgebiet zur großen | |
| Anti-G20-Demonstration am 8. Juli fahren wollten – doch stattdessen in der | |
| Gefangenensammelstelle (GeSa) in Hamburg-Harburg landeten. | |
| Der Grund: Dummerweise verwechselte die Polizei aufgrund eines | |
| Übertragungsfehlers des Kennzeichens den Bus und hielt seine bunt | |
| gekleideten InsassInnen – neben Falken auch Mitglieder der Grünen Jugend, | |
| der DGB-Jugend und der Alevitischen Jugend, darunter auch mehrere | |
| Minderjährige – für gefährliche gewaltbereite Autonome. | |
| Die Folge: Der Falken-Bus wurde noch auf der Autobahn abgefangen. Ohne | |
| Angaben von Gründen wurden die jugendlichen DemonstrantInnen in die GeSa | |
| gebracht. Dort wurden sie einzeln abgeführt, meistens im festen Griff von | |
| jeweils zwei Beamten. Mehrere mussten Leibesvisitationen über sich ergehen | |
| lassen. Einige mussten sich dafür splitternackt ausziehen, andere bis auf | |
| die Unterhose. Bei den Toilettengängen mussten bei allen die Türen offen | |
| bleiben. Die Kontaktaufnahme zu einem Anwalt wurde ihnen verweigert. „Sie | |
| können ja später klagen“, beschied ein Polizist dem konsternierten Paul | |
| Erzkamp. | |
| Gut vier Stunden dauerte der unfreiwillige Aufenthalt. Dann bemerkte die | |
| Polizei – wohl auf Intervention führender Hamburger SPD- und | |
| Grünen-PolitikerInnen – ihren peinlichen Irrtum. Jetzt ermittelt die | |
| Staatsanwaltschaft. | |
| Die Entschuldigung, dass die Polizeiaktion eigentlich nicht ihnen, sondern | |
| einem anderen Bus gegolten habe, finden die Falken befremdlich. Denn das | |
| heiße ja: „Die Verletzung der BürgerInnenrechte war geplant, sollte nur | |
| andere Menschen treffen.“ Der Verband fordert eine lückenlose Aufklärung | |
| und Konsequenzen für die Verantwortlichen – und zwar nicht nur in seinem | |
| eigenen Fall. | |
| ## Beeindruckende Menge an Videos und Berichten | |
| „Auch wenn es in der führenden Politik in Hamburg und in Teilen der breiten | |
| Gesellschaft niemand wahrhaben möchte: Die Polizei hat mehrfach | |
| unberechtigt Gewalt angewendet, Grundrechte missachtet und damit | |
| BürgerInnen, JournalistInnen und friedliche DemonstrantInnen verletzt“, | |
| konstatierte Anna Cannavo aus dem Falken-Landesvorstand, die ebenfalls in | |
| dem gestoppten Bus saß. | |
| Unmittelbar nach dem G20-Gipfel hatte sich Hamburgs Bürgermeister Olaf | |
| Scholz vollmundig hinter die Polizei gestellt. „Polizeigewalt hat es nicht | |
| gegeben, das ist eine Denunziation, die ich entschieden zurückweise“, | |
| verkündete der Sozialdemokrat. Dabei hätte ihn alleine schon ein Blick auf | |
| die Webseite G20-Doku.org, die eine beeindruckende Menge an Videos und | |
| Berichten über Polizeiübergriffe gesammelt hat, eines Besseren belehrt. | |
| So scheinen denn auch die 49 Ermittlungsverfahren, die inzwischen gegen | |
| Beamte eingeleitet wurden, nur die Spitze des Eisberg zu sein. In 41 der | |
| Fälle lautet der Vorwurf Körperverletzung im Amt. In den anderen geht es um | |
| Bedrohung, Nötigung, sexuelle Belästigung, Beleidigung und Verletzung des | |
| Dienstgeheimnisses. | |
| In einer aktuellen Stellungnahme kritisiert Amnesty International Scholz | |
| deutlich. Dass er keine Polizeigewalt gesehen haben will, sei „nicht | |
| nachzuvollziehen“. Statt Kritik pauschal abzuwehren, sollten Polizei und | |
| Politik sich lieber „konstruktiv damit auseinandersetzen und die nötigen | |
| Konsequenzen daraus ziehen“. | |
| Der Umgang mit den Vorwürfen gegen die Polizei rund um den G20-Gipfel | |
| zeige, „wie sich das Fehlen unabhängiger Untersuchungsmechanismen für | |
| polizeiliches Fehlverhalten auswirkt“, beklagt die | |
| Menschenrechtsorganisation. Dabei forderten UN-Gremien wie der | |
| Menschenrechtsrat, die Humanistische Union, das Deutsche Institut für | |
| Menschenrechte und auch Amnesty International seit Jahren schon, „dass es | |
| in Deutschland Gremien außerhalb der Polizeibehörden geben muss, die | |
| Beschwerden entgegennehmen und strafrechtliches Fehlverhalten untersuchen | |
| können.“ | |
| 4 Aug 2017 | |
| ## AUTOREN | |
| Pascal Beucker | |
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