# taz.de -- G20 aus Kinderperspektive: Entschädigung für düstere Tage | |
> Viele Kinder aus dem Schanzenviertel wurden vom G20-Gipfel traumatisiert. | |
> Die Eltern forderten eine Geste der Wiedergutmachung. Die kommt jetzt – | |
> nach elf Monaten. | |
Bild: G20-Aufarbeitung im Unterricht: Zeichnung eines Schanzenviertel-Kindes | |
HAMBURG taz | Es war eine schwierige Aufarbeitung. An den Tagen des | |
G20-Gipfels waren die meisten der 550 SchülerInnen der Grundschule | |
Sternschanze nicht zum Unterricht erschienen, weil im Viertel, in | |
unmittelbarer Nähe zu den Messehallen, Ausnahmezustand herrschte. Der Rest | |
musste auf Empfehlung der Polizei „aus Sicherheitsgründen“ mitten im | |
Schulunterricht von den Eltern wieder abgeholt werden. | |
Als in der Woche nach dem Gipfel die Aufarbeitung der Ereignisse begann und | |
die Kinder Bilder zum Thema G20 malten, zeigte sich, wie tief das Trauma | |
sitzt. Düstere Malereien, voll von Gewalt, kreisenden Hubschraubern, | |
brennenden Barrikaden und knüppelnden Polizisten – so brachten die | |
SchülerInnen ihre Eindrücke der vergangenen Tage zu Papier. | |
Einen kleinen Ausgleich, ein Eingeständnis, durch die Entscheidung den | |
Gipfel nach Hamburg zu holen, mitverantwortlich zu sein für das, was die | |
Kinder erleben und verarbeiten mussten – das wünschten sich die Eltern der | |
Kinder von Hamburgs Politikern. Sie schrieben im vergangenen Dezember zwei | |
Briefe, einen an den Bürgermeister, einen an den Innensenator, mahnten eine | |
„Geste der Wiedergutmachung für alle Schüler“ an. | |
Schließlich hatte Innensenator Andy Grote der Schule noch kurz vor dem | |
Gipfel mitgeteilt, vom Treffen der Staatschefs, würde die Schule kaum etwas | |
merken. Beide Schreiben blieben unbeantwortet. Bis heute. „Wir haben als | |
Elternrat fast ein Jahr lang versucht mit der Stadt zu kommunizieren und | |
wurden dabei weitgehend ignoriert“, ärgert sich die Elternratsvorsitzende | |
Sandra Cantzler noch heute. | |
Immerhin meldete sich irgendwann eine Mitarbeiterin von Schulsenator Thies | |
Rabe. Nicht beim Elternrat, dem gewählten und initiativ gewordenen Gremium, | |
aber immerhin bei der Schulleitung. Als Geste guten Willens bot Rabe an, | |
für die KlassensprecherInnen zweier Jahrgänge eine Rathausführung zu | |
organisieren und selbst zu leiten. Die Eltern lehnten ab. Schließlich waren | |
alle 550 SchülerInnen von dem G20-Desaster betroffen und alle sollten auch | |
von der „Wiedergutmachung“ etwas haben. Doch die Behörde blieb stur – und | |
das Duo Olaf Scholz und Andy Grote weiter auf Tauchstation. | |
Die Sache wäre wohl versandet, hätte es nicht am Rande eines dieser vielen | |
G20-Nachtreffen im Schanzenviertel, auf denen Anwohner, Geschäftsleute und | |
die VertreterInnen der öffentlichen Einrichtungen, die G20-Vergangenheit | |
aufarbeiteten und in Forderungen ummünzten, ein Angebot gegeben: Wenn die | |
Politiker sich stur stellten, dann werde man eben einspringen, teilte der | |
nette Herr von der örtlichen Haspa-Filiale der Schulleiterin mit und bot | |
an, allen SchülerInnen einen Ausflug zu Hagenbeck zu spendieren. Die | |
Schulleitung schlug ein, auch die Eltern zogen mit, die Sache nahm Fahrt | |
auf. | |
## Zoobesuch für alle | |
Das großzügige Haspa-Angebot muss sich irgendwie bis in die Schulbehörde | |
herumgesprochen haben. Kurz nachdem der Deal perfekt war, meldete sich das | |
Amt bei der Schulleiterin – und zeigte sich, nach monatelanger Untätigkeit, | |
verschnupft darüber, dass jetzt ein Kreditinstitut in die Bresche sprang. | |
Das gehe nun schon mal gar nicht. Wenn die Kinder zu Hagenbecks Tierpark | |
wollten, dann werde das natürlich die Schulbehörde organisieren und | |
bezahlen. Und nur sie. | |
Kommenden Dienstag geht es nun in den Zoo, per Sonderzug von der | |
Sternschanze zu Hagenbecks Tierpark. Wenn schon, dann richtig. 650 Personen | |
dürfen dabei sein, die Schülerinnen und das gesamte Schulpersonal. Alles | |
bezahlt von der Behörde. Die Haspa ist draußen, fast jedenfalls. Sie darf, | |
das erlaubte die Behörde immerhin, allen Kindern noch ein Eis spendieren. | |
7 Jun 2018 | |
## AUTOREN | |
Marco Carini | |
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