| # taz.de -- Transparenz beim Lobbyismus: Die Kernprinzipien der Demokratie | |
| > Die Kampagne „Gläserne Gesetze“ fordert mehr Transparenz in der | |
| > Gesetzgebung. Welchen Einfluss haben Lobbyorganisationen? | |
| Bild: Wer darf mitreden, wenn das Gesetz zur Autobahnmaut ausformuliert wird? | |
| Bis ein Gesetz in Kraft tritt, geht es einen langen Weg. Und auf diesem Weg | |
| können sehr viele Leute mitreden: Mitarbeiter_innen in Ministerien, das | |
| Bundeskabinett, der Bundestag – aber auch Expert_innen und | |
| Lobbyorganisationen. Welchen Einfluss diese Vielzahl an Stellungnahmen | |
| tatsächlich auf den Inhalt eines Gesetzes hat, will die [1][Kampagne | |
| „Gläserne Gesetze]“ mit einer Flut von Anfragen an die Behörden transpare… | |
| machen. Mit Erfolg: Vergangene Woche soll die Bundesregierung angekündigt | |
| haben, die rund 17.000 entsprechenden Dokumente online zur Verfügung zu | |
| stellen. | |
| „Gläserne Gesetze“ ist eine gemeinsame Kampagne [2][der Initiative | |
| Abgeordnetenwatch] und des [3][Portals FragDenStaat]. „Befreie mit uns | |
| tausende Lobbyisten-Papiere aus den Aktenschränken der Ministerien“, heißt | |
| es in dem Aufruf. Denn prinzipiell haben Bürger_innen ein Anrecht auf | |
| Dokumente wie die Referentenentwürfe zu einem Gesetz und die | |
| Stellungnahmen, die Interessenvertreter_innen dazu abgeben. Das regelt das | |
| Informationsfreiheitsgesetz (IFG). Der Haken an der Sache: Wer | |
| Informationen will, muss diese selbst bei den jeweiligen Stellen anfragen. | |
| Um diese bürokratische Hürde zu senken, gibt es auf der Webseite von | |
| „Gläserne Gesetze“ ein Onlineformular: Die Anfrage ist verfasst und muss | |
| nur noch mit den Namen der Fragenden versehen und abgeschickt werden. | |
| Innerhalb einer Woche erhielten die deutschen Bundesministerien auf diesem | |
| Weg mehr als 1.600 Anfragen. Vergangene Woche habe ihn dann eine Mitteilung | |
| der Bundesregierung erreicht, sagt Arne Semsrott von FragDenStaat: Man | |
| werde die Dokumente veröffentlichen, statt jede einzelne Anfrage zu | |
| beantworten. | |
| ## Noch vor der Bundestagswahl | |
| Eine öffentliche Erklärung der Bundesregierung gibt es bisher nicht. Ein | |
| Regierungssprecher sagte gegenüber der taz: „Der Bundesregierung ist das | |
| Begehren von abgeordnetenwatch.de und FragDenStaat.de bekannt. Ihre | |
| Überlegungen, wie gegebenenfalls mehr Transparenz geschaffen werden kann, | |
| dauern noch an.“ | |
| Ein Sprecher des Bundesinnenministeriums erklärte, die Bundesministerien | |
| würden die Stellungnahmen aus der laufenden Legislaturperiode schrittweise | |
| im Internet veröffentlichen. „Uns ist wichtig, dass das noch vor der | |
| Bundestagswahl passiert“, sagt Semsrott. | |
| Der Aktion vorausgegangen ist eine neunmonatige Recherche von | |
| Abgeordnetenwatch und FragDenStaat: „Mit einer Liste aller in dieser | |
| Legislaturperiode eingebrachten Gesetze haben wir in jedem einzelnen | |
| Ministerium die jeweils angefragten Verbände abgefragt“, sagt Semsrott. Sie | |
| kamen auf etwa 17.000 mögliche Dokumente. | |
| „Es geht dabei um die Kernprinzipien der Demokratie“, sagt er. „Um die | |
| Frage nämlich, wie Gesetze entstehen und wer Einfluss auf diese für alle | |
| verbindlichen Regelungen hat.“ Wer darf mitreden, wenn das Gesetz zur | |
| Autobahnmaut ausformuliert wird? Und: Wer darf es nicht? Wie ist etwa das | |
| Verhältnis von Wirtschaft und Umweltorganisationen? Wessen | |
| Formulierungshilfen sind vielleicht gar in ein Gesetz eingeflossen? | |
| ## Rechtsansprich auf amtliche Informationen | |
| Das Bundesjustizministerium stellt diese Daten [4][schon seit April 2016 | |
| ins Netz]. „Es ist also möglich“, sagt Semsrott. „Mit dieser Aktion zeig… | |
| wir, dass eine Veröffentlichung weniger Aufwand ist, als Tausende Anfragen | |
| einzeln zu beantworten.“ | |
| Zunächst geht es nur um die Dokumente der nun endenden Legislaturperiode. | |
| Doch Semsrott ist zuversichtlich: „Die Ministerien werden um unsere | |
| Anfragen nicht herumkommen“, sagt er. „Sie können jetzt nur entscheiden, | |
| wie sie damit umgehen.“ | |
| Das Informationsfreiheitsgesetz garantiert jeder Person einen | |
| Rechtsanspruch auf Zugang zu amtlichen Informationen der Bundesbehörden. | |
| Besonders erfolgreich ist es in Deutschland aber noch nicht: Das Gesetz und | |
| seine Funktionsweise sind nicht weithin bekannt, selbst Journalist_innen | |
| machen davon bisher selten Gebrauch. | |
| [5][Die offizielle Statistik des Bundesinnenministeriums] verzeichnete für | |
| das Jahr 2016 knapp 9.000 Anfragen an Bundesbehörden. „In Großbritannien | |
| sind das im selben Zeitraum mehrere Hundertausend“, sagt Semsrott. „Und | |
| wenn Sie in den USA die Leute auf der Straße fragen, weiß jeder, was der | |
| Freedom of Information Act ist.“ | |
| 18 Jul 2017 | |
| ## LINKS | |
| [1] https://fragdenstaat.de/gesetze/ | |
| [2] https://www.abgeordnetenwatch.de/ | |
| [3] https://fragdenstaat.de/ | |
| [4] https://www.bmjv.de/SiteGlobals/Forms/Suche/Stellungnahmensuche_Formular.ht… | |
| [5] http://www.bmi.bund.de/DE/Themen/Moderne-Verwaltung-Oeffentlicher-Dienst/Op… | |
| ## AUTOREN | |
| Dinah Riese | |
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