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# taz.de -- Ausstellung über Trisomie 21: Glotzt nicht so freundlich
> Die Galerie im Park setzt sich in der Ausstellung „Touchdown“ mit der
> Geschichte und der Ausgrenzung durch das Down-Syndroms auseinander
Bild: Ausgrenzung beginnt beim Blick: Ob ängstlich, abweisend oder freundlich,…
Bremen taz | Sie haben in ihren Körperzellen ein Chromosom mehr als fast
alle anderen Menschen – und wurden daher lange als weniger
gesellschaftsfähig angesehen, die Menschen mit Trisomie 21. Über ihre
Ausgrenzung einst und jetzt sprachen Angehörige und Zeitzeugen in der
Galerie im Park, die sich [1][bis zum 27. August in der Ausstellung
„Touchdown“] mit der Geschichte des Down-Syndroms auseinandersetzt.
Vor 78 Jahren, so berichtet Hans-Walter Küchelmann, wurde seine behinderte
Schwester für eine Woche in ein Heim gegeben, um die Familie zu entlasten.
Das Kind kam bereits Tage später tot zurück. Angeblich plötzlich erkrankt
und verstorben. „Schwachsinnig“ stand in der Krankenakte. Ein Beispiel für
die laut Ausstellung mehr als 800 Kinder, Jugendlichen, Frauen und Männer
aus Bremen, die zu den Opfern der nationalsozialistischen Medizinverbrechen
wurden.
Heute sei Inklusion in aller Munde, aber Begeisterung für etwas andere
Menschen immer noch eingeschränkt, berichtet Judith Hennemann, Mutter einer
20-Jährigen mit Down-Syndrom. Trotz künstlerischer, sozialer, politischer
Initiativen sind gerade geistig Behinderte weniger in den Alltag integriert
als in Einrichtungen wie den Martinshof separiert. Ausgrenzung beginne beim
Augenkontakt, so Hennemann.
Abweisend, irritiert, ängstlich, mitleidig, neugierig, freundlich wirke es,
„aber es ist immer ein Glotzen, Stieren, Starren, dem meine Tochter in der
Öffentlichkeit ausgesetzt ist“. Und weil Down-Syndrom-Menschen häufig viel
jünger aussehen als sie sind, werden sie im Supermarkt schon mal für ein
Kind gehalten und geduzt, was als Respektlosigkeit empfunden wird. Trisomie
21 ist keine Krankheit, sondern eine Behinderung – und sie werde gerade
abgeschafft, sagt Galerie-Chef Achim Tischer.
Bei der von Wissenschaftlern errechneten Wahrscheinlichkeit von 0,2
Prozent, ein Kind mit Trisomie 21 zu bekommen, würden jährlich etwa 1.500
in Deutschland geboren. Da die Genmutation heute bereits vor der Geburt
festgestellt werden kann, wird aus dem, was einst als Schicksal akzeptiert
werden musste, eine moralische Entscheidung: Die geschätzte
Abtreibungsquote dieser Föten liegt bei weit über 90 Prozent.
„Laut Paragraf 218 ist dies bis einen Tag vor der Geburt möglich“, so
Tischer. Bald gebe es nur noch Down-Syndrom-Kinder mit
Migrationshintergrund, da in Familien vieler Geflüchteter die
Pränataldiagnostik noch nicht zum Lebensalltag gehöre.
„Touchdown“ ist eine prima Einführung in den Themenkomplex. Sehr textlastig
wirkt sie zwar dank großer Erklärtafeln, drumherum arrangiert ist aber ein
buntes Patchwork mit Exponaten aus Archäologie, bildender Kunst,
Zeitgeschichte, Medizin, Genetik und Film, ergänzt um Kunstwerke, die nicht
als Outsider-Art das Trennende, sondern inhaltlich das Gemeinsame betonen,
da sich Menschen mit Down-Syndrom darin mit Nähe, Liebe und Partnerschaft
beschäftigten. Das beginnt mit Zitaten in einfacher Sprache. Hennemann
liebt es, dass Menschen mit Down-Syndrom „einfach schneller auf den Punkt
kommen“.
„Liebe ist leichte Sache zu schreiben, aber sagen oft peinlich“, ist da zu
lesen. Und: „Liebhaben ist schön, aber auch anstrengend.“ Dazu sind
homoerotische Zeichnungen zu sehen von muskulösen, spargeldürren Männern,
zwei haben in der Badwanne Sex und äußern per Sprechblase: „Ja ja ja ja ja�…
und „Oh oh oh oh“. Und wie möchten sie angesprochen werden? „Downie“ u…
„Mongo“ sei „doof“ und eine Beleidigung: „Besser ist: mein Name einfa…
Touchdown, Galerie im Park, Bremen, bis 27. August
20 Jul 2017
## LINKS
[1] http://www.kulturambulanz.de/kalender/index.php
## AUTOREN
Jens Fischer
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