# taz.de -- Interview mit türkischem Aktivisten: „Wir bauen ein Netzwerk auf… | |
> In der Türkei gibt es oft keine Hilfe für Kinder mit Down Syndrom. Burak | |
> Acer bringt von Deutschland aus Pädagog*innen und Familien zusammen. | |
Bild: Anders als in der Türkei gibt es in Deutschland Förderung für Kinder m… | |
taz: Herr Acer, Sie sind eigentlich Journalist. Wie sind Sie zu der Aufgabe | |
gekommen, die Situation von Kindern mit Downsyndrom in der Türkei zu | |
verbessern? | |
Burak Acer: Ich habe selber einen Sohn mit Downsyndrom. Hier in Deutschland | |
hat mein Sohn alle Möglichkeiten der Welt, er erhält die Erziehung, die er | |
benötigt. Aber das schlechte Gewissen darüber, dass eben viele Kinder diese | |
Möglichkeiten nicht haben, hat mich dazu gebracht, dieses Projekt zu | |
starten. Sehr viele Menschen folgen mir auf Twitter und ich dachte mir, ich | |
nutze dieses Publikum mal. Und es hat funktioniert. Das Projekt ist jetzt | |
schon so groß, dass ich es alleine nicht mehr hinkriege. Mit | |
Unterstützer*innen zusammen bin ich jetzt gerade dabei, ein Netzwerk | |
aufzubauen, damit wir bald noch mehr Menschen erreichen können. | |
Wie ist die Situation von Kindern mit Downsyndrom in der Türkei? | |
Eine Schwierigkeit, die die Kinder dort im Gegensatz zur EU oder den USA | |
haben, ist, dass sie nicht in die Gesellschaft integriert werden. Die | |
Familien werden in der Öffentlichkeit ständig mit mitleidigen Blicken | |
bedacht oder in Diskussionen verwickelt. Die größte Schwierigkeit ist | |
jedoch, dass die Kinder nicht auf normale Schulen gehen dürfen. Das würde | |
aber zu ihrer Entwicklung allgemein beitragen. | |
Vor was für Herausforderungen werden sie gestellt? | |
Es gibt insbesondere in den südostanatolischen Gebieten keine | |
Physiotherapeut*innen, die in Sprachtherapie spezialisiert sind. Und wenn | |
ich keine sage, dann meine ich keine. Die aktuelle Zahl der Logopäd*innen | |
in der Türkei beträgt zurzeit nicht mal 100. Für die über 70.000 Kinder mit | |
Downsyndrom ist diese Zahl eine Tragödie. Insbesondere die Kinder auf dem | |
Land haben keinen Zugang zur Vorschulerziehung. Die ist aber nötig, damit | |
die Kinder richtig sprechen lernen. Denn ohne das können sie später keine | |
Arbeit finden. Eigentlich können diese Menschen ja die gleichen Jobs machen | |
wie wir alle – wenn sie in den ersten fünf Lebensjahren entsprechend | |
gefördert werden und eben Zugang zu Sprachtherapie bekommen. | |
Aber wenn es in den südostanatolischen Gebieten keine ausgebildeten | |
Fachkräfte gibt, wie sollen dann die Kinder unterstützt werden? | |
Wir rufen Logopäd*innen und spezialisierte Physiotherapeut*innen dazu auf, | |
sich bei uns zu melden. Die, die sich dazu bereit erklären, vermitteln wir | |
dann weiter an die entsprechenden Familien. Bei der Therapie ist | |
Kontinuität absolut notwendig, deswegen werden Fahrt- und | |
Übernachtungskosten gegebenenfalls von Sponsor*innen übernommen. | |
Sponsor*innen? | |
Ja, das sind in der Regel Privatpersonen, nur selten Unternehmen. | |
Sponsor*innen und Therapeut*innen klären diese Finanzierungsfragen dann | |
unter sich, damit haben wir nichts zu tun. Außerdem haben wir noch | |
Unterstützer*innen, die derzeit dabei helfen, ein Netzwerk aufzubauen. So | |
werden wir bald hoffentlich noch mehr Menschen erreichen. | |
14 Aug 2017 | |
## AUTOREN | |
Mira Sonia Bahl | |
## TAGS | |
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