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# taz.de -- Kasernen der Bundeswehr: Problematische Traditionspflege
> Die Verteidigungsministerin hat angekündigt, die Namen von Kasernen zu
> prüfen. Die Linke wollte wissen, wie der Stand der Dinge ist.
Bild: Soll ihren umstrittenen Namen behalten: Rommel-Kaserne im baden-württemb…
Berlintaz | Einen Tag vor der Wiedervereinigung machte Rainer Eppelmann
kurzen Prozess: Der Verteidigungsminister der DDR ließ sämtliche
Liegenschaften der Nationalen Volksarmee umbenennen. Insgesamt 299
Traditionsnamen wurden am 2. Oktober 1990 mit einem Federstrich getilgt.
Manch zweifelhafte Namenspatrone verschwanden, allerdings auch etliche von
den Nazis hingerichtete Widerstandskämpfer. Wo gehobelt wird, fallen Späne.
Solch eine Beherztheit hätte sich mancher auch für die alte Bundesrepublik
gewünscht. Seit Jahrzehnten fordern Friedensinitiativen die Umbenennungen
von Kasernen, die nach fragwürdigen Personen der deutschen
Militärgeschichte benannt sind – und davon gab und gibt es bis heute
etliche.
Anders als bei der NVA standen die allerdings nie unter
Kommunismusverdacht. Im Gegenteil. Das dürfte einer der Gründe sein, warum
gerade mal 13 Bundeswehrkasernen umbenannt wurden – angefangen von der
Dietl-Kaserne 1995 bis zur General-Fahnert-Kaserne 2016. Bis heute tragen
Kasernen die Namen von „Helden“ der NS-Wehrmacht oder antidemokratischer
preußischer Militärs.
Wie schwer sich das Verteidigungsministerium immer noch mit dieser
problematischen „Traditionspflege“ tut, zeigt seine Antwort auf eine Kleine
Anfrage der Linkspartei, die der taz vorliegt. Anlass ist der Fall des
terrorverdächtigen Bundeswehroffiziers Franco A. Nach dem Auffliegen des
rechtsextremen Bundeswehroffiziers hatte Verteidigungsministerin Ursula von
der Leyen (CDU) im Mai nicht nur Bundeswehrkasernen nach
Wehrmachtsdevotionalien durchsuchen lassen, sondern auch angekündigt, die
Namensgebung von Kasernen zu prüfen.
Ob die Bundeswehr konkrete Pläne für Umbenennungen habe, wollte der
Linkspartei-Abgeordnete Jan Korte nun wissen. Die verquaste Antwort des
Ministeriums: „Im Zuge der gegenwärtigen Diskussionen zum
Traditionsverständnis der Bundeswehr wurde entschieden, diesen Prozess dort
erneut anzustoßen, wo Kasernen nach Personen oder anderweitig benannt sind,
die nicht im Einklang mit dem heutigen Traditionsverständnis der Bundeswehr
stehen können.“ Bei der Prüfung, ob eine Umbenennung zu erfolgen habe,
gelte es, „bei den Bundeswehrangehörigen einen offenen
Meinungsbildungsprozess anzustoßen und mit den Vertretern der Kommunen in
einen entsprechenden Dialog zu treten“.
## „Mehr als dürftig“
Bei neun Kasernen laufe derzeit dieser „Prozess“, der noch 2017
abgeschlossen sein solle. Konkret benennt das Ministerium die Mudra-Kaserne
in Köln, die Marseille-Kaserne in Appen, die Lent-Kaserne in Rotenburg, die
Feldwebel-Lilienthal-Kaserne in Delmenhorst, die Ernst-Moritz-Arndt-Kaserne
in Hagenow, die Emmich-Cambrai-Kaserne in Hannover sowie die
Hindenburg-Kaserne, die Schulz-Lutz-Kaserne und die Peter-Bamm-Kaserne in
Munster.
Doch das sind keineswegs die einzigen Truppenunterkünfte mit
problematischen Namen. Die beiden Rommel-Kasernen in Augustdorf und
Dornstadt sind beispielsweise nicht Teil der Überprüfung. Nach Auffassung
des Ministeriums würden neuere historische Forschungen den Schluss
nahelegen, dass Hitlers „Wüstenfuchs“ Erwin Rommel „den Widerstandskämp…
des 20. Juli 1944 näher stand als bislang angenommen“. Außerdem sei er
durch seinen erzwungenen Selbstmord „selbst Opfer des NS-Regimes“.
Linksparteiler Jan Korte empört das: „Die Entscheidung und Begründung von
der Leyens, an Rommel als Namenspatron und Traditionsstifter festzuhalten,
ist unfassbar.“ Damit beleidige die Bundesregierung „Zehntausende wahre
Widerstandskämpfer“, sagt der Abgeordnete. „Rommel war einiges, aber kein
Widerständler.“ Die Verteidigungsministerin solle „endlich Tabula rasa und
Schluss mit jeglichem positiven NS-und Wehrmachtsbezug machen“.
Korte hält die bisherige Bilanz in puncto Kasernenumbenennungen für „mehr
als dürftig“. Auch die jetzigen Ankündigungen offenbarten „eher eine
anhaltende Halbherzigkeit als eine tatsächliche Abkehr von der bisherigen
unseligen Traditionspflege“.
Auf Kortes Frage, ob im Falle von Umbenennungen Kasernen auch nach
Widerständlern und Deserteuren benannt werden sollen, blieb das Ministerium
eine Antwort schuldig.
18 Jul 2017
## AUTOREN
Pascal Beucker
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