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# taz.de -- Bundeswehrkasernen mit Nazi-Namen: Zu lange unumstritten
> Einige Kasernen heißen nach NS-Helden und Wehrmachtsoffizieren. Von der
> Leyen muss entscheiden, ob sie die Umbenennung erzwingt.
Bild: Auf der Suche nach neuen Kasernen-Namen: Ursula von der Leyen
Berlin taz | Geschichtsunterricht in der Kaserne von Rotenburg an der
Wümme: Der Standortälteste, der Kommandant und die Vertrauensleute der
Soldaten sitzen zusammen und lauschen einem Referat. Ein Oberstleutnant der
Reserve erzählt aus dem Leben von Helmut Lent, einem Elitepiloten der
Wehrmacht und Träger des Ritterkreuzes, der im Zweiten Weltkrieg 110
feindliche Flugzeuge abschoss – bis er im Herbst 1944 bei einem Flug nach
Paderborn eine Stromleitung streifte, abstürzte und starb.
Diese Geschichtsstunde fand am letzten Freitag im April statt. Anschließend
stimmten die Vertrauensleute über den Wehrmachtspiloten ab – und kamen zu
einer eindeutigen Entscheidung: Die Soldaten halten am Namensgeber ihres
Militärstützpunktes fest. Das Areal in der Kleinstadt bei Bremen soll auch
in Zukunft Lent-Kaserne heißen.
Für Ursula von der Leyen ist dieses Votum ein Problem. Denn nach dem
[1][Skandal um den terrorverdächtigen Oberleutnant Franco A.] will die
Verteidigungsministerium möglichst Bezüge auf die Wehrmacht aus der
Bundeswehr tilgen – auch bei der Namensgebung.
Laut einer Liste des Ministeriums sind heute noch 26 Bundeswehrkasernen
nach Wehrmachtsangehörigen benannt. Bei der Hälfte davon waren die
Namensgeber im Widerstand, diese Fälle stehen nicht zur Debatte. Die andere
Hälfte bezieht sich auf spätere Bundeswehrgeneräle und
Verteidigungsminister – aber auch auf Helden der NS-Propaganda: Dazu
gehören Hans-Joachim Marseille (Jagdflieger im Afrikafeldzug), Diedrich
Lilienthal (Geschützführer an der Ostfront) oder eben Helmut Lent. An
solche Namen möchte von der Leyen jetzt ran.
## Lange Zeit war der Name unumstritten
„Wir verbannen zu Recht Wehrmachtshelme aus der Stube, doch am Tor der
Kaserne stehen nach wie vor Namen wie Hans-Joachim Marseille oder Helmut
Lent“, sagte sie in der vergangenen Woche während einer Feier des
Reservistenverbands. „Beide Namensgeber sind nicht mehr sinnstiftend für
die heutige Bundeswehr.“
Allerdings verrät von der Leyen nicht, wie sie ihr Vorhaben umsetzen
möchte. Bislang, so das Verteidigungsministerium, habe man Umbenennungen
nie von oben angeordnet. Stattdessen habe das Ministerium die Betroffenen
vor Ort mit einbezogen. Lokalpolitiker durften beraten, Bürgerinitiativen
mitreden, die Soldaten ihr Votum abgeben. „Da gibt es immer wieder örtliche
Prozesse, die dann zu Umbenennungen führen oder in einigen Fällen auch
nicht“, sagt ein Sprecher der Ministerin. Diese Fälle wolle man „noch
einmal anstoßen“.
Was aber, wenn es die Soldaten dann noch immer für richtig halten, an
Vorbildern aus der Wehrmacht festzuhalten – wie jetzt in Rotenburg?
1964 wurde die Kaserne nach Helmut Lent benannt. Initiator der Namensgebung
war ein ehemaliger Vorgesetzter des Piloten, der wie viele andere
Wehrmachtsgeneräle nach dem Krieg auch in der Bundeswehr Karriere machte.
Lange Zeit war der Name relativ unumstritten. Seit einigen Jahren läuft in
der Region aber eine Debatte, im Herbst 2016 beschäftigte sich sogar der
örtliche Gemeinderat mit der Frage.
## Es gebe keine Beweise
Grundlage der Diskussion des vergangenen Jahres war ein Gutachten des
bundeswehreigenen Zentrums für Militärgeschichte. Darin heißt es, bei Lent
gebe es zwar „einige Hinweise auf eine innere Distanz gegenüber dem
Nationalsozialismus“. So habe in seiner Todesanzeige die Floskel „Gefallen
für Führer, Volk und Vaterland“ gefehlt, womöglich auf seine eigene
Anweisung hin. Andererseits habe sich Lent „weitgehend angepasst und
systemkonform“ verhalten. Es sei nicht bekannt, „dass er sich seiner
Instrumentalisierung durch die NS-Propaganda“ widersetzt hätte. Für die
Mehrheit der Stadträte reichte diese Einschätzung aber nicht aus, um für
eine Namensänderung zu votieren.
„Die Stadt Rotenburg bittet die militärischen Dienststellen am Standort
Rotenburg darum, es beim Namen ‚Lent-Kaserne‘ zu belassen“, heißt es in
ihrem Beschluss. Es gebe schließlich keine Beweise dafür, dass der Pilot
ein Nationalsozialist gewesen sei. Diesem Beschluss folgten die Soldaten
der Kaserne nun mit ihrer eigenen Abstimmung.
Und was macht von der Leyen jetzt? Noch vor einem Jahr hatte die Ministerin
in der Sache an den örtlichen SPD-Bundestagsabgeordneten Lars Klingbeil
geschrieben: Die Diskussion vor Ort führen zu lassenentspreche dem „Prinzip
der Inneren Führung und dem Leitbild des Staatsbürgers in Uniform“. Sie
sehe keinen Anlass, in den Prozess einzugreifen.
Als von der Leyen am vergangenen Mittwoch im Verteidigungsausschuss des
Bundestags auftrat, fragten die Abgeordneten hinter verschlossener Tür, was
nun Sache ist: Bleibt sie bei der Haltung aus ihrem Brief – womit die
Kasernen ihre Wehrmachtsnamen fürs Erste behalten würden? Oder ordnet sie
die Umbenennungen einfach an – womit sie vom traditionellen Verfahren
abrücken würde?
Eine klare Antwort erhielten offenbar auch die Abgeordneten nicht.
Zumindest sagte hinterher die Grünen-Abgeordnete Agnieszka Brugger: Fragen
nach dem Verfahren habe die Ministerin „einfach weggelächelt“.
21 May 2017
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## AUTOREN
Tobias Schulze
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