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# taz.de -- Fragwürdige Gedenkveranstaltung: Alte Kameraden auf dem Berg
> Im bayerischen Mittenwald versammeln sich jährlich
> Bundeswehr-Gebirgsjäger am „Ehrenmal“. Das Treffen ist wegen seiner
> Geschichte umstritten.
Bild: Ritual auf dem Brendten
Brendten taz | Beim Einmarsch der Fahnenträger spielt die Kapelle den
Kaiserjägermarsch, ein Traditionslied der österreichischen und deutschen
Gebirgsjäger. Auf dem hügeligen Gelände des Hohen Brendten, einer Anhöhe im
Mittenwald in Bayern, haben sich zahlreiche Besucher verteilt. Dort stehen
zwei 14 Meter hohe Steinquader, ein „Ehrenmal für die beiden Weltkriege,
symbolisch für Standfestigkeit und Bodenständigkeit“. So teilt es die
„Ortskameradschaft Mittenwald“ mit.
Am vergangenen Mittwoch gab es wieder die „Brendten-Feier“ der
Gebirgssoldaten, eine seit Jahren umstrittene Veranstaltung mit dunkler
Geschichte. Die Soldaten und die Ehemaligen sehen sie als Erinnerung und
Gedenken an gefallene Kameraden. Gegner halten das Treffen, das dieses Jahr
zum 60. Mal abgehalten wurde, für eine Ansammlung von Militaristen, bei dem
auch die Wehrmacht im Nationalsozialismus glorifiziert wird. Und das in
Zeiten, in denen Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) den
Bezug der Bundeswehr zur Wehrmacht kappen will und Kasernen nach alten
Bildern und Devotionalien durchsuchen lässt.
Der Historiker Stephan Stracke vom Arbeitskreis „Angreifbare
Traditionspflege“ etwa hat sich jahrelang an den Treffen abgearbeitet. „Da
kommen weiterhin die einschlägigen Leute“, sagt er zur taz. „Die Verbindung
von Wehrmacht und Bundeswehr ist auf dem Berg in Stein gegossen.“ Der
Ortskameradschaftschef Klaus Esper hingegen meint über die Kritik: „Das
war einmal.“
Auf dem Brendten bemüht sich Hans Sahm, Präsident des „Kameradenkreises der
Gebirgstruppen“, in seiner Ansprache um den Begriff der Tradition. Dieser
schlage „eine Brücke von der Vergangenheit in die Zukunft“. Das Ehrenmal
lasse sich nicht als „Sinnbild für den Krieg“ reduzieren. Vielmehr stehe es
für die „schreckliche Schuld, die unser Land durch den Zweiten Weltkrieg
auf sich geladen hat“.
Gleichzeitig beschwört der Oberst a. D. aber das Soldatentum: „Besser als
am Berg kann man Kameradschaft nicht erfahren.“ Man gedenke der Toten „vor
der heiligen Kulisse des Karwendels“. Die gewaltige Gebirgsgruppe der
Nördlichen Alpen ist von hier aus gut zu sehen. Das Wort „Wehrmacht“ fällt
nicht.
## Bier sorgt für Kommunikation
Zur Feier sind viele Bundeswehrsoldaten gekommen. Seit zwei Jahren wird das
Treffen in Zusammenarbeit von Kameradschaft und Armee organisiert. Soldaten
stehen aufgereiht und regungslos mit dem Maschinengewehr in der Hand. Es
spielt das Gebirgsmusikkorps. 400, vielleicht 500 Leute sind dieses Jahr
gekommen. Zieht man die aktiven Bundeswehrsoldaten ab, dann würden nicht
sehr viele übrig bleiben.
Die Älteren sitzen auf den Bänken oder haben sich kleine Campingstühle
mitgebracht. Optisch dominiert neben der Uniform die Tracht, mitunter
Mischungen aus beidem. Reliquien aus der NS-Zeit sind nicht zu sehen. „Die
machen das jetzt als unverfängliche Bundeswehr-Veranstaltung“, sagt der
Historiker Stracke. Am Morgen waren Soldaten zu ihrem Einsatz nach Mali
verabschiedet worden, nach der Brendten-Feier lädt die Edelweiß-Kaserne ein
zum „Tag der offenen Tür“.
Der katholische Militärpfarrer Alfons Hutter will in seiner Rede humorig
erscheinen. Was sind bei der Bundeswehr die drei wichtigsten Rituale?,
fragt er. Um selbst die Antwort zu geben: die Bayernhymne, die
österreichische Hymne sowie Augustiner-Edelstoff. Gelächter.
Die Bayernhymne verstehe sich von selbst, das österreichische Lied liebe er
wegen der Zeile „Volk, begnadet für das Schöne“. Und das Bier sorge für
Kommunikation: „Redet miteinander, so entsteht Kameradschaft.“
Hutters evangelisches Pendant, der Pfarrer Markus Linde, ist da
ernsthafter. Er spricht hauptsächlich über Frieden, der „ein Geschenk in
uns“ sei. Linde gedenkt auch der Opfer des Nationalsozialismus und der
Widerstandskämpfer. Es folgt das Lied „Bayerisches Militärgebet“.
## „Schee war's wieder“
Der Kameradschaftsvorsitzende Esper sagte, dass er die aktuelle Suche nach
Wehrmachtsgegenständen in den Kasernen für „etwas übertrieben“ halte. In
seinen 15 aktiven Jahren bei der Bundeswehr habe es „nie was gegeben in
dieser Richtung“. Vielleicht eine „kleine Ecke mit einem Reichswehrhelm“.
Der Arbeitskreis „Angreifbare Traditionspflege“ hat eine Art historischen
Kompromiss mit der Marktgemeinde Mittenwald erzielt. Die Gruppe
kritisierte, dass das Brendten-Treffen „von Nazi-Generälen gegründet
wurde“, so Stephan Stracke. Von Wehrmachtsleuten, die an Kriegsverbrechen
beteiligt waren. Etwa im griechischen Kommeno, wo im August 1943 insgesamt
317 Dorfbewohner von der Wehrmacht ermordet worden waren.
Mitverantwortlich: Oberstleutnant Josef Salminger von den Mittenwaldern
Gebirgsjägern. Der Arbeitskreis erinnerte auch an das toskanische Dorf
Falzano di Cortona. Gebirgspioniere ermordeten 1944 bei einem Racheakt 14
Bewohner.
Aus den Ruinen von Falzano di Cortona hatte der Arbeitskreis Steine
gebracht und diese in einer Skulptur ausgestellt zur Erinnerung an die
Ermordeten. „Nie wieder Faschismus – nie wieder Krieg“ steht darauf. Nach
einigem Hin und Her hat Mittenwald das Denkmal an seiner Grund- und
Mittelschule aufgestellt, wo es weiterhin steht.
Am Hohen Brendten singen zum Schluss alle das „Edelweißlied“, auch
„Edelweißmarsch“ genannt. Die Musik erscheint lebendig-harmlos. „Es war …
Edelweiß, ein kleines Edelweiß“, so lautet der Text. Das Lied stammt von
Herms Niel aus dem Jahr 1941. Niel war der bedeutendste
Marschliederkomponist im Nationalsozialismus. Er dirigierte bei allen
NSDAP-Reichsparteitagen.
Und eine ältere Dame sagt zu ihrem Mann: „Schee war’s wieder.“
25 May 2017
## AUTOREN
Patrick Guyton
## TAGS
Bundeswehr
Wehrmacht
Schwerpunkt Nationalsozialismus
Lesestück Recherche und Reportage
Gedenken
Eisenbahn
Fremd und befremdlich
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Rechtsextremismus
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