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# taz.de -- Kasernen-Umbenennung: Auf der Suche nach neuen Helden
> Die Emmich-Cambrai-Kaserne in Hannover soll ihren Namen loswerden. Als
> Alternative steht der Name eines in Afghanistan gefallenen Feldjägers zur
> Diskussion.
Bild: Soll einen neuen Namen bekommen: Die hannoversche Emmich-Cambrai-Kaserne
HANNOVER taz | Der Bundeswehr mangelt es an guten Nachrichten. Untaugliche
Waffen, ein Soldat, der sich als Flüchtling ausgibt und der Anschläge
geplant haben soll, und Berichte von Soldaten über Neonazis in den eigenen
Reihen. Die geplante Umbenennung einer Kaserne in Hannover hätte das Zeug,
das angekratzte Image etwas aufzupolieren. Denn wie die Hannoversche
Allgemeine Zeitung berichtete, wollen die Soldaten selbst die
Emmich-Cambrai-Kaserne von ihrem belasteten Erster-Weltkrieg-Namen
befreien. Bestätigen wollen die Verantwortlichen in der Kaserne das aber
lieber nicht. Vielleicht kann es in zehn Tagen ein Gespräch geben. Bis
dahin heißt es „kein Kommentar“.
Dabei ist nicht nur der Vorstoß der Soldaten öffentlich, die Umbenennung
ging sogar schon durch den Stadtrat in Hannover. Am 11. Januar stimmte der
zuständige Verwaltungsausschuss für die Umbenennung.
Hauptfeldwebel-Lagenstein-Kaserne soll der Stützpunkt, an dem Feldjäger
ausgebildet werden, nach dem Wunsch der Truppe zukünftig heißen.
Tobias Lagenstein war der erste Feldjäger, der seit Bestehen der Bundeswehr
gefallen ist. Er starb im Mai 2011 bei einem Sprengstoffattentat in seinem
Einsatz als Personenschützer in Afghanistan. Auch seine Angehörigen sollen
zugestimmt haben. Nun muss nur noch das Verteidigungsministerium grünes
Licht geben.
Der dortige Pressesprecher geht offener mit dem Thema um: „Wenn der Antrag
vollständig vorliegt, wird er im historischen Kontext geprüft“, sagt er. Es
werde zudem geschaut, ob der Namensvorschlag zum Traditionsverständnis der
heutigen Bundeswehr passe.
Denn, so viel ist klar, das tut der alte Name nicht mehr. Die
Emmich-Cambrai Kaserne setzt sich aus zwei Namensteilen zusammen. Cambrai
ist eine französische Stadt, die während des Ersten Weltkriegs von den
Deutschen eingenommen wurde. Otto von Emmich war ein preußischer General
der Infanterie, der den Angriff auf die belgische Stadt Lüttich im Jahr
1914 anführte und diese unter großem Leid für die Zivilbevölkerung einnahm.
Er ist heute umstritten.
Ein Tagebuch von Emmichs ist überliefert. Darin schreibt er über ein Dorf
in der Nähe von Lüttich: „Ich ließ ein Geschütz abprotzen und schoß
nächstes Haus in Brand, mehrere Häuser wurden angesteckt. Marsch ging
vorwärts.“
Der Sprecher des Verteidigungsministeriums hat dazu eine eindeutige
Position: „Es ist bei dem Vormarsch nach Belgien zu völkerrechtswidrigen
Übergriffen von deutschen Soldaten gegenüber belgischen Zivilisten
gekommen.“ Von Emmich wurde bisher keine persönliche Beteiligung
nachgewiesen. Weil er jedoch das Kommando hatte, sei er durch die
NS-Propaganda als Held dargestellt worden, so der Sprecher.
Im Antrag auf die Umbenennung der Schule für Feldjäger und Stabsdienst, die
in der hannoverschen Kaserne ihren Sitz hat, heißt es: „Die Rückbesinnung
auf in der Reichswehr und Wehrmacht geltende Traditionslinien, zum Beispiel
durch das Herausstellen militärischer Erfolge in beiden Weltkriegen,
entspricht nicht dem heutigen Wertebezug der Bundeswehr.“ In verschiedenen
Gesprächskreisen in der Kaserne habe man deshalb die Notwendigkeit einer
Umbenennung festgestellt.
Stadtratsmitglied Dirk Machentanz (Linke) hat sich bei der Abstimmung im
Verwaltungsausschuss enthalten, obwohl auch er den alten Kasernennamen aus
dem Stadtbild verbannen möchte. „Aber ich finde es schwierig, dass die
Kaserne jetzt nach einer Person benannt werden soll, die in Afghanistan
gestorben ist.“ So eine Ehrung bedeute auch, dass es zur Normalität werde,
dass deutsche Soldaten im Ausland kämpften. „Das ist aber nicht normal,
sondern ein Skandal“, so der Linke.
Die Grünen haben dagegen für die Umbenennung gestimmt. „Ich finde es gut,
wenn die Bundeswehr aus sich heraus mit einem Beteiligungsprozess eine Idee
entwickelt“, sagt Daniel Gardemin, der kulturpolitische Sprecher der
Ratsfraktion.
Allerdings sei der neue Name ein Risiko für die Bundeswehr. „Es geht hier
um ein junges Ereignis, das noch nicht historisch aufgearbeitet ist und
seine Schattenseiten schon zeigt“, sagt Gardemin. Er spielt damit auf den
Luftangriff bei Kundus an, bei dem durch Fehlinformationen deutscher
Soldaten viele Zivilisten getötet wurden.
Es sei nicht öffentlich bekannt, woran Tobias Lagenstein bei seinem
Afghanistan-Einsatz beteiligt war, sagt Gardemin. Der Grüne hat stattdessen
eigene Vorschläge für den Kasernennamen: „Paul von Hase gehörte zu den
Widerstandskämpfern beim Attentat vom 20. Juli 1944.“ Der in Hannover
geborene Offizier wurde im August 1944 in Berlin hingerichtet. Zudem seien
auf dem Gelände der Kaserne während der NS-Zeit Soldaten hingerichtet
worden, von denen sicher auch jemand einen Hannoverbezug habe und sich für
diese Ehrung eigne, so Gardemin.
Derzeit sei der Antrag über die Umbenennung auf dem Weg ins
Verteidigungsministerium, sagt der Sprecher. Bis zu einer Entscheidung
dauert es dann noch rund vier Wochen. Gardemin sieht derweil noch weiteren
Handlungsbedarf: An der Musikhochschule in Hannover gibt es auch noch einen
Platz, der nach von Emmich benannt ist: „Da muss über eine Umbenennung auch
diskutiert werden.“
9 Feb 2018
## AUTOREN
Andrea Scharpen
## TAGS
Schwerpunkt Erster Weltkrieg
Bundeswehr
Kaserne
Umbenennung
Erinnerung
Ursula von der Leyen
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Gedenken
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