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# taz.de -- Kommentar zum Bundeswehrskandal: Die Spitze des Eisbergs
> Ihre Kritik an der Bundeswehr ist Ursula von der Leyen nicht vorzuwerfen.
> Nun muss sie aber auch Konsequenzen ziehen.
Bild: Defizit? In 28 der vergangenen 35 Jahre stellte die Union den oder die Ve…
Alle Alarmglocken hätten laut schrillen müssen. Da lehnt ein deutscher
Oberleutnant in einer Masterarbeit, mit der er sein Studium der Staats- und
Sozialwissenschaften an einer Offiziersschule abschließen will, [1][mit
wüsten völkischen Begründungen] die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte
ab. Nur aufgrund von „Desinformation“ würde der größte Teil der Bevölke…
überhaupt an die Menschenrechte glauben und nicht deren „unheilvollen
Charakter“ erkennen, schreibt er. Dabei bilden sie aus seiner Sicht „das
Rückgrat der Subversion“ und die „Hauptsäule“ einer „Heterogenisierun…
Völker“. Die „Durchmischung der Rassen, Nationen und Religionen“ führe …
einem Genozid der Völker in Westeuropa“.
196 Seiten umfasst das Traktat, das Franco A. unter dem Titel „Politischer
Wandel und Subversionsstrategie“ Ende 2013 an der französischen
Elitemilitärschule Saint-Cyr einreichte. Es offenbart eine zutiefst
rechtsextremistische Gesinnung, unvereinbar mit Paragraf 8 des
Soldatengesetzes: „Der Soldat muss die freiheitliche demokratische
Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes anerkennen und durch sein gesamtes
Verhalten für ihre Erhaltung eintreten.“
Doch für den mit dem Fall betrauten Wehrdisziplinaranwalt handelte es nur
um eine „wissenschaftliche Schlechtleistung“. Für ihn seien „Zweifel an …
erforderlichen Einstellung zur Werteordnung nicht nur nicht belegbar,
sondern auszuschließen“. So erhielt Franco A. nur eine Verwarnung und
durfte eine neue Masterarbeit schreiben. Im Juli 2015 wurde er zum
Berufssoldaten ernannt. Damit war der Fall erledigt.
Bis Franco A. Ende April unter Terrorverdacht auf dem Wiener Flughafen
festgenommen wurde. J[2][etzt ermittelt die Bundesanwaltschaft] – und
Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen hat ein Problem.
## Strukturell anfällig für Rechtsextremismus
Waffen und Uniformen, klare Hierarchien und das Grundprinzip von Befehl und
Gehorsam, der immer noch vorherrschende Korpsgeist: Es liegt in der Natur
der Sache, dass die Bundeswehr anziehend auf autoritäre Charaktere bis hin
zu militanten Neonazis wirkt. Das ist kein neues Phänomen, schon der
schillernde Nazi-Kader Michael Kühnen verpflichtete sich einst als
Zeitsoldat. Die Truppe war und ist „strukturell anfälliger“ für
Rechtsextremismus als andere Bereiche der Gesellschaft, wie der
Wehrbeauftragte Hans-Peter Bartels zutreffend konstatiert.
Desto entscheidender sind jedoch die Selbstreinigungskräfte der Truppe, das
demokratiefeindliche Klientel schnell zu erkennen und auszusortieren. Doch
genau da hakt es. Denn der Fall Franco A. – so bizarr er auch in seinen
Details erscheint – ist nur die Spitze des Eisbergs.
In den vergangenen Jahrzehnten hat sich die Bundeswehr von einer
Verteidigungs- zu einer weltweit operierenden Interventionsarmee gewandelt.
Damit verbunden war die Abschaffung der Wehrpflicht, was die
Zusammensetzung der Truppe stark verändert hat und sie immer weniger als
Spiegelbild der Gesellschaft erscheinen lässt. Angefangen von Manfred
Wörner stellte die Union in 28 der vergangenen 35 Jahre den oder die
VerteidigungsministerIn. Sie haben diesen Wandlungsprozess entscheidend
gestaltet. Dass dabei der Kampf gegen rechtsextremistische Umtriebe in der
Truppe ganz oben auf ihrer Prioritätenliste gestanden hätte, lässt sich
nicht gerade behaupten.
Ursula von der Leyen scheint jetzt immerhin [3][die Dimension des Problems]
begriffen zu haben. Wenn sie in ihrem Anfang der Woche veröffentlichten
offenen Brief an die Angehörigen der Bundeswehr einräumt, „dass es in zu
vielen Bereichen der Bundeswehr keinen Konsens“ darüber gebe, welches
Meinungsspektrum erlaubt sei und wo die Grenze zum Extremismus
überschritten werde, dann dokumentiert das akuten Handlungsbedarf.
Vorzuwerfen ist ihr nur, das nicht früher erkannt zu haben. Wichtiger ist
allerdings, ob sie nun auch bereit ist, gegen alle Widerstände in der
Bundeswehr die Konsequenzen aus ihrem Befund zu ziehen.
5 May 2017
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## AUTOREN
Pascal Beucker
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