# taz.de -- Bundeswehr und Rechtsradikale: Pfadfinderideale reichen nicht | |
> Die deutschen Streitkräfte leiden nicht an einem Mangel soldatischer | |
> Tugenden in ihren Reihen, sondern an derem Übermaß. | |
Bild: Helm ab, Augen auf! | |
Der Fall Franco A. und Assoziierte ist nicht die „Riesen-Blamage“ Ursula | |
von der Leyens, wie SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann ganz im | |
Wahlkampfmodus behauptet. Es ist das vorhersehbare Versagen eines Systems, | |
an dem unter anderem fünf von Oppermanns Parteikollegen als | |
Verteidigungsminister beteiligt waren. Ein System, dessen oberster | |
Inspekteur General Volker Wieker sich, zu soldatischen Tugenden befragt, | |
zitieren lässt: „Ohne eine patriotische Grundeinstellung können Sie kein | |
guter Soldat sein.“ | |
Auf die Frage, ob er eine patriotische Grundeinstellung habe, könnte Franco | |
A. sicher zustimmend antworten. Auch die Prüfung, ob er den soldatischen | |
Tugenden „Kameradschaft, Entschlussfreude, Standfestigkeit, Tapferkeit und | |
Durchhaltevermögen“ folgt, würde er wohl bestehen. Eine Demokratie muss | |
aber mehr von ihren Streitkräften erwarten als ein paar Pfadfinderideale. | |
Menschlichkeit, Solidarität und kritisches Urteilsvermögen könnten einen | |
guten Soldaten ausmachen, egal ob er oder sie nun jeden Abend mit der | |
Nationalhymne auf den Lippen ins Feldbett steigt. Allein schon die | |
Rekrutierungspolitik der Bundeswehr läuft einem solchen Interesse jedoch | |
entgegen. Wer in Schulen Minderjährige zu werben versucht, will keine | |
charakterlich gefestigten „Staatsbürger in Uniform“ finden, sondern ganz im | |
Gegenteil formbares Material, das sich möglichst ohne Widerspruch ganz nach | |
Bedarf einsetzen lässt. | |
So schließt sich der Kreis: Jene, die als Korrektiv in der Bundeswehr nötig | |
wären, werden sich kaum für dumm verkaufen lassen von den | |
Hochglanzprospekten, in denen so getan wird, als wäre Soldat ein ganz | |
normales Berufsbild – spannend, herausfordernd, mit einer vielleicht etwas | |
strikteren Kleiderordnung als sonst üblich. | |
## Keine verbrecherische Organisation | |
Uniformen und Waffen, dazu eine entpolitisierte Traditionspflege, die | |
offiziell dem 20. Juli 1944 huldigt und inoffiziell immer wieder beide | |
Augen so fest zudrückt, dass es tatsächlich Polizeirazzien braucht, um | |
Wehrmachtsdevotionalien in Kasernen zu entdecken. Kasernen, von denen nicht | |
wenige erst innerhalb der letzten zwei Jahrzehnte die Namen von | |
Wehrmachtsgenerälen und anderen Kriegsverbrechern ablegten – andere bis | |
heute nicht. | |
Natürlich ist die Bundeswehr keine verbrecherische Organisation lauter | |
Rechtsradikaler. Dass sich aber dort mutmaßliche Rechtsterroristen | |
eventuell wohler fühlen als liberale oder gar linke Demokraten, sollte | |
niemanden überraschen. | |
Die Bundeswehr braucht wohl einen neuen Traditionserlass und eine viel | |
tiefere Verankerung in der Gesellschaft. Dazu einen klaren, politisch | |
definierten Auftrag. Denn der fehlt ihr, seit die unmittelbare | |
Landesverteidigung in den Hintergrund gerückt ist. Einen Auftrag, der einer | |
breiten gesellschaftlichen Diskussion und kritischen Überprüfung standhält. | |
Einen Auftrag, der nicht so ohne Weiteres nach schwer vorhersagbarer | |
politischer Opportunität verändert werden darf. Nur so können die | |
Streitkräfte für jene attraktiv werden, die sich nicht einfach von | |
Befehlston, Zapfenstreich und Eisernem Kreuz angesprochen fühlen. | |
Lässt sich ein solcher Auftrag nicht definieren und gelingt es der | |
politischen Führung nicht, eine Personalpolitik zu entwickeln, die | |
demokratische Werte und Antiautoritarismus in den Streitkräften stärkt, | |
bleibt nur, das alte Credo der Friedensbewegung zu wiederholen: Bundeswehr | |
abschaffen. | |
Der Autor leistete seinen 12-monatigen Wehrdienst Anfang der 1990er Jahre | |
in Schleswig-Holstein ab. Stationiert war er in der bis heute so benannten | |
General-Thomsen-Kaserne. Hermann von der Lieth-Thomsen bereitete in der | |
Weimarer Republik unter Bruch des Versailler Vertrags die Gründung der | |
Deutschen Luftwaffe vor und war ab 1935 bis zu seinem Tod 1942 Leiter der | |
„Kriegswissenschaftlichen Abteilung der Luftwaffe“. | |
10 May 2017 | |
## AUTOREN | |
Daniél Kretschmar | |
## TAGS | |
Bundeswehr | |
Rechtsextremismus | |
Ursula von der Leyen | |
Terrorismus | |
Bundeswehr | |
Bundeswehr | |
Bundeswehr | |
Terrorismus | |
Lesestück Meinung und Analyse | |
Ursula von der Leyen | |
Bundeswehr | |
Bundeswehr | |
Bundeswehr | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Durchsuchungen in Bundeswehrkasernen: Wehrmachtsfotos mit Plaketten okay | |
Von der Leyen akzeptiert Weltkriegsandenken bei der Bundeswehr – zumindest | |
mit Einordnung. Kritik kommt von der SPD und der Linken. | |
Reaktionen auf Rechte in der Bundeswehr: SPD fordert schärferes Vorgehen | |
Geldstrafen reichen nicht aus, sagt Verteidigungspolitiker Rainer Arnold. | |
Ministerin von der Leyen will bestimmte Kasernen umbenennen. | |
Rechtsextreme in der Bundeswehr: Kameradschaft im Schatten | |
Das Wertesystem der Soldaten entsteht in Extremsituationen. Ein stumpfes | |
Regelwerk hilft nicht weiter. Flexible Entscheidungen sind wichtig. | |
Terrorverdacht gegen Bundeswehroffizier: Im Visier | |
Franco A. und sein Netzwerk in der Bundeswehr führten Listen mit | |
potenziellen Opfern. Die fühlen sich von den Behörden im Stich gelassen. | |
Debatte Neonazis in der Bundeswehr: Der Schaden kommt von rechts | |
Auch wenn es mühseliger ist: Statt über die Karriere der | |
Verteidigungsministerin zu sprechen, sollte man lieber über Hakenkreuze | |
reden. | |
Rechtsextreme in der Bundeswehr: Von der Leyen Versagen vorgeworfen | |
Der SPD-Verteidigungsexperte kritisiert den Umgang der Ministerin mit dem | |
Thema „Innere Führung“. Heute muss sie vorm Verteidigungsausschuss | |
auftreten. | |
Terrorverdächtige Bundeswehrsoldaten: Nun ist es eine Gruppe | |
Die Bundesanwaltschaft lässt im Fall Franco A. einen weiteren Mann | |
verhaften. Er hatte eine potentielle Zielliste angelegt. | |
NS-Devotionalien in der Bundeswehr: Alle Kasernen werden durchsucht | |
Der Generalinspekteur der Bundeswehr hat eine Durchsuchung aller Kasernen | |
angeordnet. Bis Dienstag soll es bereits die ersten Berichte geben. | |
Kommentar zum Bundeswehrskandal: Die Spitze des Eisbergs | |
Ihre Kritik an der Bundeswehr ist Ursula von der Leyen nicht vorzuwerfen. | |
Nun muss sie aber auch Konsequenzen ziehen. |