# taz.de -- Hochschulpakt in Deutschland: Der Osten will im Rennen bleiben | |
> Wissenschaftsminister der neuen Länder fordern eine dauerhafte | |
> finanzielle Beteiligung des Bundes. Zudem brauche es mehr Fördermittel. | |
Bild: Studenten im Hörsaal: Sie sollen von der höheren Förderung profitieren | |
BERLIN taz | Die fünf Wissenschaftsminister der neuen Länder wollen das | |
Hochschulpaket 2020, das 2007 von Bund und Ländern beschlossen wurde, | |
verlängern und neu justieren. Sie forderten am Montag in Berlin, dass der | |
Bund in eine dauerhafte finanzielle Beteiligung eingebunden werden soll. | |
Insgesamt zahlt der Bund jährlich rund 5,5 Milliarden Euro an die | |
Hochschulen. | |
Darin sind auch die Ausgaben für die Deutsche Forschungsgesellschaft | |
enthalten, so dass bei den Universitäten nur knapp vier Milliarden Euro | |
ankommen. Die Wissenschaftsminister verlangen nun, die Ausgaben für die | |
Hochschulen auf sechs Milliarden Euro pro Jahr zu erhöhen. Davon soll | |
mindestens eine Milliarde in ostdeutsche Hochschulen fließen. Zum | |
Vergleich: 2016 bezahlten die Länder 24,4 Milliarden Euro Grundmittel für | |
Hochschulen, im Osten kamen davon 3,1 Milliarden Euro an. | |
„Wir bewegen uns wie ein Rennpferd im schnellen Lauf und wollen nicht | |
ausgebremst werden,“ so Sachsens Wissenschaftsministerin Eva-Maria Stange. | |
Seit der Wende hat Ostdeutschland enorm aufgeholt. Obwohl es dort seitdem | |
40 Prozent weniger Menschen mit Hochschulreife gibt, hat man das Niveau von | |
300.000 Studierenden halten können. Die Prognosen gehen davon aus, dass die | |
Studiennachfrage bis 2025 ähnlich hoch bleibt. Die Anzahl der Studierenden | |
in Deutschland ist seit 2007 von 1,9 Millionen auf 2,7 Millionen | |
angestiegen. Ostdeutschland profitiere enorm von EU- und Bundesmitteln, die | |
in den nächsten Jahren aber zurückgehen werden. Besonders die neuen Länder | |
benötigen Unterstützung. | |
## Wie viel Geld an welchen Stellen? | |
Die Finanzierung für den Hochschulausbau, die Digitalisierung und die | |
Universitätsmedizin enden 2019. Die Wissenschaftsminister pochen darauf, | |
dass der Bund auch darüber hinaus Mittel bereitstellt. Ein weiterer | |
Nachteil: Ostdeutsche Hochschulen haben bei der Finanzierung der Forschung | |
schlechtere Rahmenbedingungen als der Westen. Die Ostminister wollen eine | |
Gleichstellung, auch für außeruniversitäre Forschungseinrichtungen. Das | |
Problem sei, dass 90 Prozent aller Unternehmen im Osten zehn Mitarbeiter | |
oder weniger beschäftigen. Dadurch seien große Forschungsprojekte kaum | |
möglich, weswegen eine besondere Förderung erforderlich sei. | |
Auch für die Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) fordert der Osten | |
deutlich mehr Zuschüsse: Der Bund übernimmt 20 Prozent der Projektkosten | |
der DFG. Die Ostminister wollen, dass der Bund die Pauschale auf 40 Prozent | |
erhöht und mindestens drei Viertel der Kosten bezahlt. Im vergangenen Jahr | |
waren das 395 Millionen Euro, mit 40 Prozent ab 2021 müsste der Bund 700 | |
Millionen Euro übernehmen. | |
Wolfgang Tiefensee, Wissenschaftsminister aus Thüringen hält es für | |
sinnvoll, einer Universität je nach Fachrichtung einen Betrag zwischen | |
1.000 und 2.000 Euro pro Studierenden zu bezahlen. Damit sollen auch | |
Master-Studierende gefördert und Hochschulwechsler berücksichtigt werden. | |
Er zieht sogar eine mögliche Prämie für bestandene Abschlussprüfungen für | |
alle Studierenden in Erwägung. Die Kosten für den Bund würden dann mit | |
circa drei Milliarden Euro jährlich rund 500 Millionen Euro teurer als | |
aktuell, schätzt Tiefensee. | |
## Mehr Geld für alle Bundesländer | |
Der Bund bezahlt bis 2019 pro Jahr 1,6 Milliarden Euro, sogenannte | |
„Entflechtungsmittel“, für den Hochschulbau und die Digitalisierung. Da | |
auch EU-Fördermittel ab 2020 auslaufen, fordern die Ostminister einen | |
Anteil für die fünf Bundesländer von mindestens 280 Millionen Euro jährlich | |
aus dem Infrastrukturprogramm. | |
Zusätzlich soll ein neues Konzept „Innovation und Strukturwandel“ soll | |
Innovationen in strukturschwachen Regionen in Deutschland fördern. Die | |
Ostminister wollen hier mindestens 200 Millionen Euro jährlich für die | |
neuen Länder. Aktuelle Förderprogramme kommen nicht bei den Hochschulen an, | |
da oft nur Spitzenforschung gefördert würde. Nach neuen Berechnungen sollen | |
100 Millionen Euro pro Jahr für die angewandte Wissenschaft auf ostdeutsche | |
Ländern entfallen. | |
Armin Willingmann, Wissenschaftsminister aus Sachsen-Anhalt ist | |
optimistisch, dass die Pläne umgesetzt werden: „In den allermeisten Punkten | |
herrscht Konsens mit den anderen Bundesländern.“ Zudem würden die Gelder | |
nicht umverteilt, sondern für alle erhöht. Die fünf Ostminister wollen mit | |
den Verhandlungen nach der Bundestagswahl anfangen, bis Mitte 2018 soll das | |
Paket beschlossen werden. | |
20 Jun 2017 | |
## AUTOREN | |
Laura Weigele | |
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