# taz.de -- HRK-Präsident zur Hochschulfinanzierung: „Wir brauchen dringend … | |
> Peter-André Alt findet, die Bundesländer müssten verpflichtet werden, die | |
> Hochschulen nachhaltig zu finanzieren. Und der Osten dürfe nicht | |
> zurückfallen. | |
Bild: Nur vier Exzellenzcluster gingen zuletzt in den Osten. Hier sitzen Studie… | |
taz: Herr Alt, „Liebe Freunde! Es gab schönre Zeiten / Als die unsern – das | |
ist nicht zu streiten!“ Ein Schiller-Zitat. Sie können das sicher sofort | |
einordnen … | |
Peter-André Alt: Spontan muss ich passen. In letzter Zeit zu viel | |
Wissenschaftspolitisches und zu wenig Schiller gelesen. | |
Aber es passt auch ganz gut zur Hochschulrektorenkonferenz, oder? Es gab | |
bessre Zeiten. Die Stimme der Hochschulen ist die HRK ja nicht mehr. | |
Doch, die HRK ist immer noch die Stimme der Hochschulen, auch wenn diese | |
mitunter sehr vielstimmig klingt. | |
Es gibt inzwischen auch andere Zusammenschlüsse – die German U 15, die TU 9 | |
oder diverse Zusammenschlüsse von FHs. | |
Das entspricht der Ausdifferenzierung der Wissenschaftslandschaft, und die | |
ist ja gewollt. Die Universitäten sind vor allem in der Grundlagenforschung | |
stark, die Fachhochschulen setzen bevorzugt auf lokale Forschungsverbünde | |
mit der Wirtschaft. Da ist es wichtig und legitim, dass es verschiedene | |
Untergruppen unter unseren 268 Mitgliedern gibt. Dennoch besteht das | |
gemeinsame Interesse, geschlossen nach außen aufzutreten, wenn es etwa um | |
Qualitätsdebatten geht und darum, die zentrale Position der Hochschulen | |
innerhalb des Wissenschaftssystems zu verdeutlichen. An den Hochschulen | |
findet schließlich die gesamte akademische Qualifizierung und der größte | |
Teil der Forschung statt. | |
Mag sein. Aber hat die FU Berlin, die Exzellenzuni ist, tatsächlich die | |
gleichen Interessen wie die Universität Paderborn? | |
Ich hatte ja vor Jahren mal in der taz gesagt, Berlin ist nicht Paderborn. | |
Das hat mir Ärger eingebracht, den ich auch nachvollziehen konnte. Aber | |
natürlich gibt es gemeinsame Interessen. | |
Ach ja? | |
Ja. Alle Hochschultypen, alle Einrichtungen profitieren, wenn wir | |
erfolgreich für das Gesamtsystem eintreten. Und erfolgreich ist die HRK, | |
wenn sie geschlossen auftritt. | |
Aber driftet die Hochschullandschaft nicht auseinander, in forschungsstarke | |
Spitzenhochschulen und Grundversorger? Bund und Länder haben gerade wieder | |
57 Exzellenzcluster ausgewählt, die jedes Jahr 385 Millionen Euro bekommen. | |
Von insgesamt 63 Universitäten, die Anträge gestellt haben, werden 34 im | |
Rahmen der Exzellenzstrategie gefördert. Das ist ein sehr breites Spektrum. | |
Vor Jahren wurde gesagt, wir brauchen 10 Spitzenhochschulen in Deutschland, | |
vom Harvard an der Spree und an der Isar war die Rede. Die Stärke des | |
deutschen Systems liegt aber auch heute darin, dass es eine Qualität in der | |
Breite gibt. | |
Die deutsche Eliteuni ist tot, und das ist gut so? | |
Mit der Zuschreibung „Elite“ habe ich ohnehin Schwierigkeiten, allein wegen | |
der historischen Dimension des Begriffs. Aber ja, wir kennen in Deutschland | |
keine klassischen Eliteuniversitäten wie in Amerika oder England und werden | |
sie wahrscheinlich auch in Zukunft nicht haben. Dafür gibt es eine breite | |
Bundesliga. Da sind nicht immer die Gleichen Champion, sondern es kann | |
Wechsel an der Spitze geben, wie die jüngsten Exzellenzentscheidungen | |
gezeigt haben. | |
Die Universitäten im Süden haben eher mau abgeschnitten, dafür haben Bonn | |
oder Hamburg plötzlich richtig abgeräumt. Auch die drei Berliner Unis | |
konnten sieben Cluster einheimsen. Dafür sind in den gesamten Osten nur | |
vier Cluster gegangen. Geht die Schere zwischen Ost und West auseinander? | |
Ja, das ist eine Entwicklung, die ich auch mit Besorgnis beobachte. Die | |
Hochschulen in den neuen Ländern sind nach der Wende mit sehr viel | |
Enthusiasmus gestartet, da wurde ganz viel aufgebaut. Nun muss man | |
sicherstellen, dass diese Strukturen erhalten bleiben. | |
Wie denn? | |
Die Länder müssen dazu verpflichtet werden, die Hochschulen weiterhin | |
nachhaltig zu finanzieren. | |
Man kann ja schlecht den Landesparlamenten den Haushalt diktieren. | |
Natürlich nicht. Aber es gibt andere Möglichkeiten. Beim ersten | |
Hochschulpakt haben sich die ostdeutschen Länder verpflichtet, | |
Studienkapazitäten zu sichern, obwohl die Zahl der Studierenden sank. Dafür | |
haben sie Sondermittel aus dem Pakt erhalten. Ich erachte es deshalb als | |
notwendig, über den neuen Hochschulpakt eine gemeinsame Verpflichtung zur | |
Aufrechterhaltung der Kapazitäten zu organisieren. | |
Also eine Art Nachteilsausgleich für die ostdeutschen Länder? | |
Ich würde es nicht Nachteilsausgleich nennen. Es ist unser gemeinsames | |
Interesse, dass der Osten Deutschlands akademisch nicht ins Hintertreffen | |
gerät. | |
Bund und Länder verhandeln ja derzeit über den neuen Hochschulpakt. Wie | |
dringend brauchen die Hochschulen das Geld? | |
Dringend. Wir finanzieren mit dem Geld eine Vielzahl dauerhafter Aufgaben. | |
Es wird Zeit, dass die Verhandler in Bund und Ländern auf die Tube drücken | |
und sich einigen. Sonst müssen die Hochschulen Studiengänge schließen. | |
Bisher wurde das Geld aus dem Pakt nach Studienanfängerzahlen verteilt. Das | |
wird aber kritisiert, weil der Anreiz für die Hochschulen darin besteht, | |
viele Anfänger anzunehmen, das Geld einzusammeln und sich sonst nicht mehr | |
zu kümmern. Welche anderen Kriterien wären sinnvoll? | |
Ich bin dagegen, nur ein Kriterium anzulegen. Die Dynamik der | |
Anfängerzahlen haben Sie richtig beschrieben. Wenn wir nur nach Absolventen | |
gehen, dann würden Hochschulen womöglich Discount-Abschlüsse anbieten, das | |
heißt: Die Qualität würde sinken. Sinnvoll wäre daher aus meiner Sicht eine | |
Kombination aus Kriterien, wobei ich bei Absolventen zurückhaltend wäre. | |
Bei den Verhandlungen sitzen Sie leider nicht mit am Tisch. Finden Sie | |
dennoch Gehör? | |
Ich stehe in einem sehr guten und konstruktiven Austausch mit dem | |
Bundesministerium für Bildung und Forschung – wie mit den zuständigen | |
Landesministerien. | |
Frau Karliczek soll sich aber nicht besonders für Wissenschaftsthemen | |
interessieren. | |
Frau Karliczek ist sehr aufgeschlossen und interessiert. | |
In den letzten Jahren hat der Bund vor allem ganz viel Geld in die | |
Forschung investiert, etwa über die Exzellenzinitiative oder den Pakt für | |
Forschung und Innovation. Ist es jetzt nicht mal Zeit für einen großen | |
Aufschlag für die Lehre? | |
An den Hochschulen wurde in den vergangenen Jahren viel für die Lehre | |
getan. Es gibt zahlreiche Programme, um Lehrende zu qualifizieren. Aber | |
richtig: Die Lehre muss vor allem finanziell besser gestellt werden. Seit | |
2006 garantiert der Pakt für Forschung und Innovation den | |
außeruniversitären Forschungseinrichtungen regelmäßige Aufwüchse von 3, | |
zwischenzeitlich sogar 5 Prozent. Sosehr ihnen diese Mittel zu gönnen sind | |
– jetzt muss bei den Hochschulen entsprechend nachgelegt werden. Dort | |
stagnieren trotz Hochschulpakt die Grundmittel je Studierenden. Ich bin | |
sehr dafür, den Qualitätspakt Lehre zu verstetigen, wie es auch richtig | |
ist, die Mittel aus dem Hochschulpakt für zusätzliche Studienplätze | |
dauerhaft auszuzahlen. | |
Die Grünen haben vorgeschlagen, den Hochschulpakt zu dynamisieren, das | |
heißt, die Summe jährlich um 3 Prozent zu erhöhen. | |
Ein sehr sinnvoller Vorschlag, den wir teilen. | |
Ein Problem ist doch auch, dass es vorwiegend befristet Beschäftigte an den | |
Hochschulen sind, die Vorlesungen und Seminare halten. Sollte eine | |
Daueraufgabe wie die Lehre nicht von dauerhaft Beschäftigten erledigt | |
werden? | |
Es sollte mehr unbefristete Stellen im Mittelbau geben. Ich plädiere für | |
eine Quote von 30 Prozent als Zielgröße, die allerdings voraussetzt, dass | |
die Finanzierung der Hochschulen durch Länder und Bund kontinuierlich | |
steigt | |
30 Prozent? So wenig! Wieso nicht die Hälfte? | |
Die Hochschulen stehen immer vor der Alternative, ob sie feste Stellen oder | |
Qualifizierungsstellen schaffen. Wenn ich einen 40-jährigen promovierten | |
Literaturwissenschaftler auf einer Mittelbaustelle entfriste, ist diese | |
Stelle für die nächsten 25 Jahre fest vergeben. | |
Und das ist schlimm? In der freien Wirtschaft ist man froh, gute Leute | |
langfristig zu binden, und die Hochschulen wollen sie so schnell wie | |
möglich loswerden? | |
Es geht nicht darum, gute Leute herauszudrängen, aber das System muss offen | |
für Nachwuchs bleiben. Wenn ich jetzt eine Generation entfriste, indem ich | |
Zeitstellen verstetige, dann fehlen genau diese Stellen für die nächsten | |
Generationen und deren Qualifizierungsmöglichkeiten. Im Übrigen haben wir | |
an der FU im Zuge der Zielvereinbarungen mit dem Senat mal erfasst, wie | |
viele unbefristete Stellen im Mittelbau wir vorhalten. | |
Und wie viele waren es? 10 Prozent? | |
Es waren 28 Prozent. Das hätte ich auch nicht gedacht. | |
Also könnten die Hochschulen, auch ohne ständig nach mehr Geld zu rufen, | |
bessere Arbeitsverhältnisse schaffen? | |
Nein, denn es gilt generell: Wer befristete Qualifikationsstellen und | |
Dauerstellen gleichzeitig bereithalten muss, braucht mehr Geld. Hinzu kommt | |
die Höhe der Lehrbelastung. Wir haben innerhalb von zehn Jahren einen | |
Anstieg der Studienanfängerzahlen von 360.000 auf 510.000. | |
Vor ein paar Jahren war mal vom Akademisierungswahn die Rede. Bleibt das | |
so? | |
Aller Voraussicht nach wird sich die Studienanfängerzahl auf diesem Niveau | |
einpendeln. Auf die Hochschulen kommt aber noch eine weitere Aufgabe zu: | |
die Weiterbildung. Das wird oft unterschätzt, aber das lebenslange Lernen | |
wird immer wichtiger und die Hochschulen müssen ihr Angebot hier deutlich | |
ausbauen, sofern die Rahmenbedingungen das zulassen. | |
Sie meinen, der Tischler, der einen Kurs in BWL machen will, soll sich für | |
ein Semester an der Uni einschreiben? | |
Das ist ein ganz weites Feld. Von der Erzieherin, die sich für eine | |
Leitungsposition qualifiziert, über den Bachelor, der nach einigen Jahren | |
im Beruf einen Master aufsetzen will, bis eben zu einzelnen Kursen, die auf | |
akademischem Niveau die berufliche Entwicklung unterstützen. | |
Muss man dann wieder über Studiengebühren nachdenken? | |
Ich halte nichts von Studiengebühren, weil im Gegenzug die öffentlichen | |
Investitionen regelhaft sinken. Das sieht man moderat in unserem | |
Nachbarland, den Niederlanden, und in viel brutalerem Ausmaß in | |
Großbritannien und den USA. | |
Das ist aber Ihre private Meinung und nicht die der HRK? | |
Unter den Mitgliedern der HRK mag es über Studienbeiträge keine ganz | |
einheitliche Meinung geben. Aber wir sind uns einig, dass es aktuell nicht | |
sinnvoll ist, die Diskussion über Gebühren neu zu eröffnen. | |
2 Nov 2018 | |
## AUTOREN | |
Anna Lehmann | |
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