| # taz.de -- Forscher an Hamburger Hochschulen: Wissenschaft ist brotlos | |
| > Der akademische Mittelbau wehrt sich gegen prekäre Arbeitsverträge an den | |
| > Unis. Mit Geld vom Bund, wäre es jetzt möglich, das zu ändern. | |
| Bild: Hier gehen prekär Beschäftigte ein und aus: Universität Hamburg | |
| Hamburg taz | Die [1][Doktoranden, Habilitanden und Lehrbeauftragten] an | |
| den Hochschulen wehren sich gegen ihre schlechte Bezahlung und dagegen, | |
| dass sie sich von einem Zeitvertrag zum nächsten hangeln müssen. | |
| Entsprechende Forderungen stellt die [2][Mittelbauinitiative Hamburg] am | |
| heutigen Donnerstag vor. | |
| Der Zeitpunkt ist günstig, denn zum einen hat der Bürgerschaftswahlkampf in | |
| Hamburg begonnen, zum anderen schaffen [3][Zuwendungen des Bundes] den | |
| Spielraum, die Beschäftigungsbedingungen zu verbessern. Die Kanzler der | |
| deutschen Universitäten haben jedoch in einer gemeinsamen [4][„Bayreuther | |
| Erklärung“] bereits im September deutlich gemacht, dass sie nichts an den | |
| Befristungen ändern wollen. | |
| Die derzeitigen Verhältnisse gehen auf das Wissenschaftszeitvertragsgesetz | |
| von 2007 zurück, das mehr Leuten eine Promotion oder Berufserfahrung an | |
| Forschungseinrichtungen ermöglichen sollte. Die Hochschulen machten von den | |
| dadurch ermöglichten Befristungen für Arbeitsverträge großzügig Gebrauch. | |
| Die Folge: „Bis man angekommen ist an einem Punkt, wo man eine unbefristete | |
| Stelle hat, ist man 40 Jahre alt“, stellt ein Sprecher der Initiative fest. | |
| Denn nicht nur Doktoranden sondern auch Habilitanden würden mit befristeten | |
| Verträgen abgespeist – dabei forschten und qualifizierten sie sich nicht | |
| nur, sondern verantworteten auch einen beträchtlichen Teil der Lehre. | |
| ## Dauerstellen für Daueraufgaben | |
| Nach einer Aufstellung der Mittelbauinitiative hat sich die Zahl der | |
| wissenschaftlichen und künstlerischen Mitarbeiter in Hamburg seit 2006 von | |
| fast 2.700 auf rund 5.500 verdoppelt. Dabei stieg die Zahl der unbefristet | |
| Beschäftigten lediglich von rund 1.000 auf 1.200. In anderen westlichen | |
| Ländern liegt der Anteil der befristet beschäftigten Wissenschaftler jedoch | |
| viel niedriger. | |
| Die Mittelbauinitiative Hamburg ist Teil des bundesweiten Netzwerks | |
| „[5][Gute Arbeit in der Wissenschaft]“ und beteiligt sich an der Kampagne | |
| [6][„Frist ist Frust“]. Zu den Kernforderungen der Initiative gehört die | |
| „Schaffung zusätzlicher unbefristeter Stellen insbesondere im | |
| wissenschaftlichen Mittelbau“. | |
| Mit Blick auf die universitäre Lehre postuliert sie: „Für Daueraufgaben | |
| braucht es Dauerstellen.“ Zudem fordert sie eine faire Bezahlung. | |
| „Angestellte Wissenschaftler haben häufig halbe oder Zweidrittel-Stellen, | |
| arbeiten jedoch Vollzeit oder darüber hinaus“, erläutert ein Sprecher. | |
| Eine Möglichkeit, das zu ändern, ergibt sich nach Ansicht der | |
| [7][Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW)] aus dem Hochschulpakt, | |
| den Bund und Länder Mitte des Jahres geschlossen haben. Bis Anfang 2020 | |
| sollen die Länder darlegen, wie sie das Geld aus diesem „Zukunftsvertrag | |
| Studium und Lehre stärken“ ausgeben wollen. | |
| Der Pakt, der Zuwendungen des Bundes an die Länder vorsieht, ist im | |
| Gegensatz zu seinem Vorgänger unbefristet. Die Länder hätten damit „auch | |
| die Möglichkeit, eine Quote für unbefristete Beschäftigungsverhältnisse in | |
| den Kriterienkatalog aufzunehmen“, merkt die GEW an. | |
| Hamburgs Verpflichtungserklärung gegenüber dem Bund werde auch Aussagen zum | |
| Thema Ent- und Befristung enthalten, teilt die Wissenschaftsbehörde mit. | |
| Die Hochschulen hätten sich früh zu einem Code of Conduct verpflichtet, zu | |
| dem es gehöre, unangemessen kurze Befristungen zu vermeiden und | |
| Daueraufgaben durch unbefristet Beschäftigte erledigen zu lassen. Diese | |
| Ziele würden „hochschulindividuell im Dialog“ verfolgt. | |
| Den Code of Conduct gibt es seit 2013. Seit die Grünen die | |
| Wissenschaftsbehörde führten, stagniere aber dessen Umsetzung, kritisiert | |
| die GEW. Senatorin Katharina Fegebank überlasse den Kanzlern unter Verweis | |
| auf die Hochschulautonomie das Feld. | |
| ## Habilitanden bleiben an der Uni | |
| Und die Kanzler stellten in ihrer Erklärung fest: „Universitäten leisten | |
| mit der akademischen Qualifizierung dringend benötigter Fachkräfte einen | |
| wichtigen Beitrag für Gesellschaft, Wirtschaft und den öffentlichen | |
| Dienst.“ Dieser sei nur möglich, wenn „das Modell befristeter | |
| Qualifizierungsphasen“ auch weiterhin nicht angetastet werde. | |
| Die Mittelbauinitiative wirft den Kanzlern vor, sie machten „keinerlei | |
| Unterschied zwischen promovierendem und habilitierendem ‚Nachwuchs‘“. Wer | |
| Professorin oder Professor werden wolle, qualifiziere sich für eine | |
| Karriere an der Hochschule. In diesen Fällen sei eine Befristung unsinnig. | |
| Die Forderung nach Entfristung beziehe sich deshalb auf Habilitanden. | |
| 27 Nov 2019 | |
| ## LINKS | |
| [1] /Wissenschaftsminister-Treffen-in-Berlin/!5588835 | |
| [2] https://www.mittelbau-hamburg.de/zukunftsvertrag-studium-und-lehre-verabsch… | |
| [3] /Milliarden-fuer-die-Wissenschaft/!5592371 | |
| [4] https://www.uni-kanzler.de/fileadmin/user_upload/05_Publikationen/2017_-_20… | |
| [5] https://www.mittelbau.net/bayreuther-bankrotterklaerung/ | |
| [6] http://frististfrust.net/aufruf/ | |
| [7] https://www.gew-hamburg.de/themen/hochschule-und-forschung/wir-wollen-gute-… | |
| ## AUTOREN | |
| Gernot Knödler | |
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