| # taz.de -- Debatte R2G in Deutschland: Der Drillings-Fehler | |
| > Die rot-rot-grüne Option leidet unter einem chronischen | |
| > Spielverderber-Vorwurf: SPD, Grüne und Linke wollen sich gegenseitig | |
| > Ähnlichkeit aufzwingen. | |
| Bild: Ein guter Wahlkampf braucht Farbenspiele | |
| In Deutschland quatschen sich gerade SPD, Grüne und Linkspartei eine Option | |
| zur Regierung kaputt. Die drei Parteien erwarten voneinander, dass die | |
| jeweils andere sich verändern muss. | |
| Die Grünen möchten von Martin Schulz klare Ansagen zum Klimaschutz. Die SPD | |
| will, dass die Linkspartei die Macht von Sahra Wagenknecht zurückschneidet. | |
| Die wiederum hätte die SPD gern Hartz-IV-kritisch, sonst werde es nichts | |
| mit dem Regieren. Den Grünen schwebt eine Brüssel-begeisterte Linkspartei | |
| vor, die Putin so indiskutabel findet wie Cem Özdemir und Katrin | |
| Göring-Eckardt dies tun. | |
| Drei Parteien, unzufrieden darüber, dass die andere nicht so ist wie man | |
| selbst. Es wirkt, als wollten sie sich gegenseitige Nachahmung aufzwingen. | |
| Die Grünen wünschen sich die SPD als klimaschützendes Abziehbild von sich | |
| selbst. Die Linkspartei hätte gern von den Grünen nur die linksgrüne | |
| Hälfte. Während die SPD die Systemkritiker der Linkspartei in | |
| sozialdemokratische Staatskanzlisten verwandeln will. | |
| Am liebsten wären sie wohl eineiige Drillinge. Aber dieses Ideal ist ein | |
| großer linker Fehler. Denn je mehr sich die Parteien im Wahlkampf | |
| nahekämen, desto unwahrscheinlicher würde die rot-rot-grüne Option. Wenn | |
| drei Parteien mit verwechselbaren Profilen auftreten, dann sind zwei | |
| überzählig. Je größer die Annäherung desto geringer die Unterschiede desto | |
| kleiner das Potenzial der drei. Von Ähnlichkeit entstellt, gewinnen sie | |
| nichts. | |
| Die Parteien müssen ausgreifen. Wagenknecht darf Globalisierungsängstlichen | |
| mit uralten Rezepten Halt geben. Özdemir kann in seiner Bravheit in den | |
| oberschwäbischen Handtuchformatgärten gefallen. Schulz soll ruhig als | |
| leidenschaftlicher Europäer die Jungen elektrisieren, den Angestellten | |
| Sicherheit versprechen und obendrein die Industrie hochleben lassen. | |
| Aber so machen sie es nicht. Sie ziehen rote Linien, sie beschweren sich | |
| über Hindernisse fürs Regieren: über Nato, Neoliberalismus und Lafontaine. | |
| Die rot-rot-grüne Option krankt chronisch am gegenseitigen | |
| Spielverderber-Vorwurf, Tonlage: nölig bis nervtötend. Jeder der drei | |
| möchte sich geradezu in den anderen hineinmorphen. | |
| Vor lauter Verzweiflung, dass die Linkspartei die Verwandlung verweigert – | |
| und weil die CDU im Saarland erfolgreich gegen Rot-Rot mobilisiert hat –, | |
| befeuert die SPD Berichte über ein Bündnis mit der FDP. Wobei diese sich | |
| selbstverständlich vorher auch ändern müsste: in Richtung der guten alten | |
| sozialliberalen Zeiten. | |
| Damit keine Missverständnisse entstehen: Es ist richtig, wenn | |
| Regierungschancen erkennbar werden. Aber bitte viele. Wer könnte? Wer | |
| passt? Wer soll? Bündnisoptionen machen einen Wahlkampf spannend. Der Fall | |
| des Sozialdemokraten Peer Steinbrück hat 2013 gezeigt, dass ein | |
| Kanzlerkandidat ohne Koalitionschance zur optionslosen Träne wird. Erst | |
| wenn Mehrheiten für mehr als eine Kanzlerin vorstellbar sind, entsteht | |
| Konkurrenz. | |
| Deshalb braucht ein guter Wahlkampf Farbenspiele. Aber mit Farben zu | |
| spielen heißt eben nicht, Farben zu vermanschen. Es bedarf der Vielfalt, | |
| aus der sich im Laufe des Wahljahres die wichtigen Themen entwickeln. Erst | |
| der demokratische Streit zeigt die Prioritäten der Bürgerinnen und Bürger. | |
| Daran bemisst sich die Kompatibilität von Parteien – und am Wahlergebnis. | |
| Kurz: Regierungsoptionen entstehen nicht durch Sehnsüchte der potenziellen | |
| Partner. Die Wahl selbst erzeugt Koalitionen. Eine rot-rot-grüne Regierung | |
| bräuchte genügend außenpolitische Stabilität. Die aber hängt maßgeblich | |
| davon ab, wie sich die Fraktion der Linkspartei im Bundestag zusammensetzt | |
| und wie knapp die Mehrheit einer solchen Koalition wäre: Gäben zwei oder | |
| drei Linken-Abgeordnete den Ausschlag, die jeden UN-mandatierten | |
| Militäreinsatz ablehnen, kann man R2G gleich vergessen. | |
| Auch ob eine Ampel oder Schwarz-Grün etwas taugen, darf nicht im Vorhinein | |
| ideologisch-rituell beantwortet werden, sondern als Ergebnis des | |
| Wahlkampfs. Wenn Klimaschutz, Agrarwende und Bürgerrechte in den nächsten | |
| Monaten keine Rolle spielen und die Grünen am 24. September in | |
| Setzkastengröße dastehen, ergäbe eine schwarz-grüne Koalition keinen Sinn, | |
| selbst wenn sie rechnerisch in Frage käme. Ein Bündnis von SPD, Grünen und | |
| FDP wiederum wäre allenfalls sinnvoll, wenn die Grünen mit ihren Kernthemen | |
| im Wahlkampf so reüssieren, dass sie sie in die Regierung tragen können. | |
| Die FDP brächte Wirtschaftsinteressen ein und könnte in Bürgerrechtsfragen | |
| rechte Sozialdemokraten einhegen. Und Martin Schulz müsste im Wahlkampf | |
| Gerechtigkeit so stark zu seinem Thema machen, dass die FDP | |
| Reichenbesteuerung, Mieterschutz und eine Reform der | |
| Arbeitslosenversicherung nicht verwässern kann. | |
| ## Wahlkämpfer statt Wahlpartner | |
| Aber ist es nicht praktisch, schon früh nach Gemeinsamkeiten zu forschen? | |
| Für ein gemeinsames Projekt zu mobilisieren wie SPD und Grüne 1998? Das | |
| geht vielleicht in einer Zweierkonstellation. Wenn jedoch sechs Fraktionen | |
| im Parlament sitzen, werden Regierungen von drei Partnern wahrscheinlicher. | |
| Ein Dreierbündnis hat naturgemäß weniger Schnittmengen. Deshalb braucht es | |
| keine Wahlpartner, sondern Wahlkämpfer. | |
| Was auffällt: Dass gerade Parteien im Spektrum links der Mitte den Hang | |
| haben, die Konkurrenz zu missionieren. Weil die SPD sich einst von den | |
| Grünen um ihren Nachwuchs betrogen fühlte? Weil die Sozialdemokraten die | |
| Linkspartei als Fleisch von ihrem Fleische sehen? Oder weil sich alle drei | |
| moralisch so unbedingt im Recht glauben? Der CDU fiele es jedenfalls nicht | |
| ein, aus der SPD eine bessere CDU zu basteln oder die Grünen zu bekehren. | |
| Sie setzt ihre Prioritäten, macht die Pläne der anderen runter, kritisiert | |
| deren Personal und mobilisiert gegen Rot-Rot-Grün. So geht Wahlkampf. | |
| Wenn SPD, Grüne und Linkspartei ihre jeweils eigenen Wege gingen, täte das | |
| der politischen Kultur gut. Die drei sollen unterschiedlich sein, weil die | |
| Menschen unterschiedlich sind. Erst wird gekämpft, dann gewählt und | |
| hinterher verhandelt. Unter Partnern. Nicht unter Drillingen. | |
| 11 Apr 2017 | |
| ## AUTOREN | |
| Georg Löwisch | |
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