| # taz.de -- Dürre in Ostafrika: Katastrophe mit Ansage | |
| > Klimaextreme, Seuchen und Bürgerkriege haben Ostafrikas Landwirtschaft | |
| > aus den Fugen geraten lassen. Jetzt drohen schwere Hungersnöte. | |
| Bild: Nicht nur vom Hunger bedroht: Frauen im Südsudan | |
| Kampala taz | Fatima Numba wuchtet schwere Bananenstauden auf einen Haufen. | |
| Die kräftige ugandische Marktverkäuferin sieht zufrieden aus, als sie ihre | |
| grünen Kochbananen begutachtet. „Matoke“ nennen die Menschen in Uganda ihr | |
| Nationalgericht: „Ich bin so froh, dass es jetzt wieder Matoke gibt, | |
| letztes Jahr gab es gar keine, und wenn, dann viel zu teuer.“ | |
| Sofort kommen Kunden an Numbas Stand auf dem Zentralmarkt von Ugandas | |
| Hauptstadt Kampala und erkundigen sich nach dem Preis. 50.000 Schilling | |
| kostet die Staude derzeit, das sind 13,30 Euro. Viele winken ab: Immer noch | |
| zu teuer. | |
| „Immerhin sinken jetzt seit rund zwei Wochen wieder die Preise“, sagt die | |
| Verkäuferin, zeigt gen Himmel und bekreuzigt sich: „Endlich hat Gott unsere | |
| Gebete erhört, und es fängt jetzt an zu regnen.“ | |
| Sie kauft die Kochbananen in ihrem Heimatdorf außerhalb von Kampala ein – | |
| wenn es welche gibt. „2016 war ein wirklich schlimmes Jahr“, meint die | |
| Mutter von drei Kindern. „Matoke kostete bis zu 70.000. Das zahlt mir | |
| niemand. Ich konnte meinen Kindern nur Reis und Kassawa zu Weihnachten | |
| kochen. Es ist schier eine Katastrophe, weil ich die Schulgebühren nicht | |
| bezahlen konnte.“ | |
| Regulär kostet die Bananenstaude sonst 20.000 bis 30.000 Schillinge, | |
| umgerechnet 5,30 bis 8 Euro. Der Grund für die jüngsten Wucherpreise: Das | |
| alle vier Jahre auftretende Wetterphänomen El Niño verursachte 2016 in | |
| Ostafrika extreme Wetterlagen. Es war heiß und trocken, die Regenzeit von | |
| Oktober bis Dezember fiel fast komplett aus, Ernten wurden vernichtet. | |
| ## Uganda, Somalia, Burundi | |
| Ohne Regen wachsen weder Bananen noch sonst etwas. In weiten Teilen Afrikas | |
| stiegen im vergangenen Jahr die Lebensmittelpreise ins Unermessliche. | |
| Selbst im sonst so grünen und fruchtbaren, aber sehr armen Burundi machte | |
| sich die Dürre bemerkbar. Dazu kommen bewaffnete Konflikte wie in Südsudan | |
| und Somalia, die als Erstes die Bauern treffen. | |
| Inzwischen haben in ganz Ostafrika nach UN-Angaben knapp 23 Millionen | |
| Menschen dauerhaft viel zu wenig zu essen und brauchen dringend | |
| Lebensmittelhilfe. Betroffen von Nahrungsmittelknappheit und | |
| Preissteigerungen sind noch viel mehr. Am schlimmsten ist es in den | |
| Krisenländern: In Südsudan seien rund 4,9 Millionen Menschen von Hunger | |
| bedroht, fast die Hälfte der Bevölkerung. 100.000 von ihnen stünden kurz | |
| vor dem Hungertod. Die UNO hat deshalb im Februar für einen Teil Südsudans | |
| die weltweit erste Hungersnot seit sechs Jahren ausgerufen. | |
| In Somalia benötigt ebenfalls die Hälfte der Bevölkerung Hilfe. Die | |
| UN-Experten befürchten jetzt neue Missernten, wenn sich die nächste | |
| Regenzeit am Horn von Afrika im April verzögert oder der Regen schwächer | |
| ausfällt – dann gäbe es auch in Somalia wieder Hungersnot. | |
| In Burundi ist mehr als die Hälfte aller Kleinkinder chronisch | |
| unterernährt: Hier rechnet die UNO mit einem stark steigenden Bedarf an | |
| Hilfe, ebenso in Uganda. | |
| ## 11 Millionen Ugander betroffen | |
| Das fruchtbare und stabile Uganda gilt eigentlich als Gemüsegarten der | |
| Region. Hilfswerke kaufen in Uganda Tomaten, Kochbananen und Bohnen und | |
| verteilen oder verkaufen sie in benachbarten Krisenländern wie dem Südsudan | |
| oder der Demokratische Republik Kongo, wo infolge des Krieges die | |
| Landwirtschaft brachliegt. | |
| Uganda beherbergt zudem rund eine Million Flüchtlinge, die auf | |
| Lebensmittelrationen angewiesen sind. Rund 70 Prozent davon sind | |
| Südsudanesen. Entlang Ugandas Grenze zum Südsudan stehen mittlerweile die | |
| weltweit größten Flüchtlingslager. Wöchentlich retten sich rund 10.000 über | |
| die Grenzen: zumeist Bauern, die vor Massakern und Milizen im Südsudan | |
| fliehen und ihre Felder zurücklassen müssen. | |
| Doch jetzt sind auch in Uganda die Preise so hoch und ist das Angebot so | |
| knapp, dass es selbst für die Ugander nicht mehr reicht. Bereits 2016 | |
| musste das UN-Welternährungsprogramm (WFP) in Uganda die | |
| Lebensmittelrationen für Flüchtlinge um die Hälfte kürzen und teilte dafür | |
| mehr Bargeld aus. Lediglich Kinder, Schwangere und Alte bekommen nach wie | |
| vor die volle Ration: exakt 2.122 Kalorien pro Tag. Es werden auch keine | |
| Lebensmittel mehr aus Uganda in den Südsudan exportiert, wohin einst | |
| ugandische Händler jedes Ei, jede Tomate, die in Südsudans Hauptstadt Juba | |
| gegessen wurde, per Lastwagen schafften. Jetzt liefert dorthin keiner mehr. | |
| Ein diese Woche in Kampala vorgestellter Krisenbericht besagt: Rund 11 | |
| Millionen Ugander sind von der Ernährungskrise unmittelbar betroffen, vor | |
| allem im kargen Norden und im Osten des Landes, wo sich manche Menschen von | |
| Wurzeln und Blättern ernähren müssen. Vor einem Vierteljahr waren es erst | |
| 1,3 Millionen. | |
| ## Besserung in Sicht? | |
| Doch es sei Hoffnung auf Besserung in Sicht: Da jetzt die Regenzeit in | |
| West- und Süduganda einsetzt, rief Ugandas Landwirtschaftsminister Vincent | |
| Ssempijja die Bauern auf, rasch Bohnen und Mais zu pflanzen, die innerhalb | |
| kurzer Zeit erntereif sind. Damit könne in zwei bis drei Monaten wieder | |
| Ernährungssicherheit gewährt werden, versicherte er. Gleichzeitig warnte er | |
| vor schlimmen Unwettern und Hagelstürmen, die demnächst einsetzen und | |
| wieder Teile der Ernte vernichten können. Eine Wetterkrise jagt gerade die | |
| nächste. | |
| Zu allem Übel kommen auch noch Seuchen: In Kenia und Uganda zerstört | |
| derzeit der sogenannte Armeewurm, eine Raupenart, den letzten Rest der | |
| Maisernte. Infolge einer Schweinegrippe in Ostafrika mussten 2016 in Uganda | |
| und Kenia Millionen Tiere notgeschlachtet werden. Mit den Zugvögeln aus | |
| Europa kam im Oktober zudem die Vogelgrippe an den Äquator; die Vögel | |
| wiederum steckten die Hühner an, die notgeschlachtet werden mussten. | |
| Die Dürre lässt mittlerweile regionale Konflikte wieder aufkochen. Seit | |
| Beginn des Jahres haben Tausende Viehhirten aus Südsudan und Kenia auf der | |
| Suche nach Wasserstellen die Grenzen nach Uganda überschritten, mit | |
| schätzungsweise fast 100.000 Rindern, Eseln und Ziegen. Die meisten | |
| Viehhüter sind bewaffnet. Sie treffen nun in der Grenzregion Karamoja in | |
| Nordostuganda auf die örtlichen Viehzüchter, die Ugandas Armee jüngst erst | |
| mit Gewalt entwaffnet hat. | |
| ## 6,8 Milliarden Dollar Hilfsgelder nötig | |
| Dass sich auf dem Markt von Kampala die Bananen wieder türmen, ändert an | |
| alldem erst einmal nichts. Mit den horrenden Preisen steigen beispielsweise | |
| auch die Gebühren für Schulessen. Arme Eltern können sich das dann nicht | |
| leisten, ihre Kinder bleiben hungrig. Das UN-Kinderhilfswerk Unicef meldet, | |
| in der gesamten Region würden rund 6 Millionen Kinder infolge der Dürre | |
| nicht mehr zur Schule gehen. „Das Ende naht für über eine Million Kinder“, | |
| warnte Unicef-Chef Anthony Lake. | |
| Das Netzwerk „Frühwarnsystem für Hungerkatastrophen“ (FEWS NET) schätzte… | |
| Januar, dass die Lebensmittelkrise in Ostafrika bis Juli anhalten werde. | |
| Zunehmende Gewalt in den meisten Ländern werde die Not vergrößern und | |
| zugleich Hilfe erschweren, warnt das humanitäre UN-Koordinierungsbüro OCHA | |
| in seinem Ende Februar vorgestellten Ausblick auf das Jahr 2017. 6,8 | |
| Milliarden Dollar Hilfsgelder seien nötig, um rund 23 Millionen Betroffene | |
| zu versorgen, und es könne mehr werden. | |
| Im Sommer 2011 wurde die Welt von Fotos aus Somalia aufgeschreckt: | |
| ausgezehrte Kindergerippe im Wüstensand, um die sich die Geier streiten. | |
| Rund eine Viertelmillion Menschen verhungerten damals in Somalia. Die | |
| jetzige Situation, so OCHA, sei mit dem Verlauf der damaligen Krise | |
| „weitgehend vergleichbar“. | |
| 5 Mar 2017 | |
| ## AUTOREN | |
| Simone Schlindwein | |
| ## TAGS | |
| Dürre | |
| Ostafrika | |
| Uganda | |
| Hunger | |
| Lesestück Meinung und Analyse | |
| Uganda | |
| Kongo | |
| Schwerpunkt Demokratische Republik Kongo | |
| Hungersnot | |
| Entwicklungszusammenarbeit | |
| El Niño | |
| Südsudan | |
| Hungersnot | |
| Hunger | |
| Südsudan | |
| Südsudan | |
| Dürre | |
| Nigeria | |
| migControl | |
| migControl | |
| ## ARTIKEL ZUM THEMA | |
| Tödliche Nahrungsmittelhilfe in Uganda: „Super-Müsli“ von der UNO | |
| In Uganda sind mehrere Menschen nach dem Verzehr von Lebensmitteln der | |
| Vereinten Nationen gestorben. Viele andere kamen ins Krankenhaus. | |
| Fischerdorf im Kongo: Hunderte Tote bei Erdrutsch | |
| Nach heftigem Regen ist ein Dorf am Albertsee verschüttet worden. Kongos | |
| Regierung will lieber desinfizieren als nach Überlebenden suchen. | |
| Kongolesische Rebellen: Ein Land in Unsicherheit | |
| Eine bisher unbekannte Gruppe hat Beni angegriffen, eine wichtige Stadt im | |
| unruhigen Osten der Demokratischen Republik Kongo. | |
| Jean Ziegler über Hunger in Afrika: „Es gibt genügend Nahrungsmittel“ | |
| Welweit sind eine Milliarde Menschen schwerst unterernährt. Schuld daran | |
| sind reiche Staaten und Spekulanten, sagt Soziologe Jean Ziegler. | |
| Entwicklungshilfe für Ostafrika: Die Frage nach dem fairen Anteil | |
| Deutschland zahlt weitere Millionen für dürregeplagte Länder. Doch gibt die | |
| Regierung genug für die akuten Hungerkrisen? Die Opposition sagt nein. | |
| Klimakatastrophe in Peru: Der Seilzug über den reißenden Fluss | |
| Konvois versorgen die Menschen in abgeschnittenen Bergdörfern. Doch der | |
| Katastrophenschutz müsste dringend ausgebaut werden. | |
| Kommentar zur Hungersnot in Afrika: Geld oder Leben | |
| Nur 4,1 Milliarden Euro brauchte die UN, um mehrere Länder in Afrika vor | |
| dem Hunger zu bewahren. Ein Bruchteil der Summe kam zusammen. | |
| UN-Ökonom über Hunger im Südsudan: „Früh helfen ist billiger“ | |
| Im Südsudan herrscht Hungersnot, auch weil Händler sich nicht ins Land | |
| trauen, sagt Arif Husain von der UNO. Der Markt für Lebensmittel | |
| funktioniert nicht mehr. | |
| Einschätzung der Vereinten Nationen: Vier Milliarden Euro gegen Hunger | |
| Mit dieser Summe könnten 20 Millionen Menschen in Afrika vor dem | |
| unmittelbar drohenden Hungertod bewahrt werden. | |
| Kommentar Unterstützung für Südsudan: Schmutzige Hilfe | |
| Die Helfergebühren sind reine Abzocke. Doch die UN könnten Finanzsanktionen | |
| gegen die Regierung erlassen, um gegen den Hunger vorzugehen. | |
| Unterstützung für den Südsudan: Wer hilft, wird abgezockt | |
| Die Arbeitserlaubnis für ausländische humanitäre Helfer kostet jetzt 10.000 | |
| statt 100 Dollar. Es bleibt weniger Geld für die Hungernden. | |
| Krise in Somalia: Dürre, Hunger, Cholera | |
| Millionen Menschen leiden in Somalia, weil das Wasser knapp ist. Wegen des | |
| Bürgerkriegs erreichen Helfer nicht alle. Nun steigern die USA ihren | |
| Militäreinsatz. | |
| Konferenz zur Krise in Nordost-Nigeria: Gabriel sagt 120 Millonen Euro zu | |
| Die Tschadsee-Region ist heimgesucht von Armut, Hunger, islamistischem | |
| Terror und Folgen des Klimawandels. Jetzt sagt Deutschland Hilfen zu. | |
| Flüchtlingspolitik in Somalia: Heimkehr, freiwillig und erzwungen | |
| Fast die Hälfte der somalischen Bevölkerung ist in 25 Jahren Bürgerkrieg | |
| geflohen. Jetzt bemüht sich die Übergangsregierung um ihre Heimkehr. Die EU | |
| hilft mit. | |
| Flüchtlingspolitik in Äthiopien: Europas Lieblingsland | |
| Äthiopien ist sowohl Herkunfts-, als auch Transitland für Flüchtlinge und | |
| Migranten. Entsprechend groß ist das Interesse der EU an guter | |
| Zusammenarbeit. |