# taz.de -- Kommentar zur Hungersnot in Afrika: Geld oder Leben | |
> Nur 4,1 Milliarden Euro brauchte die UN, um mehrere Länder in Afrika vor | |
> dem Hunger zu bewahren. Ein Bruchteil der Summe kam zusammen. | |
Bild: Noch ist es trocken im Südsudan – doch wenn der Regen kommt, wird auch… | |
Im Weltmaßstab sind 4,1 Milliarden Euro nicht viel. Es ist die Summe, die | |
VW in den USA als Strafe für seine Abgasmanipulation zahlt, oder die | |
Nordrhein-Westfalens Steuerprüfer im vergangenen Jahr an Mehreinnahmen | |
generierten. | |
Es ist auch die Summe, die die Vereinten Nationen bis zum 31. März | |
gebraucht hätten, um rechtzeitig in [1][Jemen], Somalia und [2][Südsudan] | |
sowie Teilen Nigerias rund 25 Millionen Menschen vor der Hungersnot zu | |
bewahren. Gerade mal 2 Prozent dieser Summe waren vorhanden, als | |
UN-Generalsekretär António Guterres Ende Februar den entsprechenden Appell | |
für 4,4 Milliarden US-Dollar startete, um die laut UNO weltweit schwerste | |
humanitäre Krise seit 1945 zu lindern. Nicht eingerechnet darin waren das | |
Desaster namens Syrien, das 13 Millionen Hilfsbedürftige produziert hat, | |
und das Leid in weiteren Dauerelendsgebieten wie im Kongo. | |
Seit Ende Februar ist viel passiert. US-Präsident Trump hat eine Erhöhung | |
des US-Rüstungsbudgets um 54 Milliarden US-Dollar vorgeschlagen, China hat | |
seinen Rüstungshaushalt um 10 Milliarden Dollar erhöht. Die EU beziffert in | |
den Brexit-Verhandlungen die von Großbritannien mitzutragenden | |
Pensionsansprüche der 55.000 EU-Beamten auf knapp 64 Milliarden Euro. Und | |
die 4,1 Milliarden der UNO, um 25 Millionen Hungernde zu ernähren? Sind | |
immer noch nicht mal zu einem Fünftel finanziert. | |
Die jüngsten Daten der Koordinationsstelle der Vereinten Nationen für | |
humanitäre Hilfe (OCHA) sind deutlich: Für Südsudan gibt es bislang 19 | |
Prozent der benötigten Gelder. Für Somalia immerhin 36 Prozent. Für Jemen | |
und Nigeria dagegen jeweils nur 9 Prozent. Weniger Geld für Hilfswerke | |
bedeutet: halbe Rationen in Flüchtlingslagern, kleinere Einkäufe, seltenere | |
Hilfstransporte, also mehr Tote. | |
## Das Sterben passt nicht zum Afro-Optimismus | |
Humanitäre Hilfe für Afrika ist aus der Mode geraten. Sie passt nicht zum | |
neuen Diskurs des Afro-Optimismus, der Afrika zum Kontinent der | |
aufstrebenden Jugend, der hohen Wachstumsraten und der tollen | |
Zukunftschancen erklärt. Sie passt auch nicht zum Gegendiskurs von Afrika | |
als Gefahrenquelle, die Flüchtlinge und Terroristen produziert. | |
Der erste dieser Diskurse trägt eine rosarote Brille, der zweite ist | |
Schwarzmalerei. Keiner von ihnen gibt eine Antwort darauf, was zu tun ist, | |
wenn Millionen Menschen ihre Lebensgrundlage verlieren und machtlos zusehen | |
müssen, wie ihre Kinder sterben. Auch in den Medien gilt es inzwischen als | |
unmodern, über Afrika als Krisenkontinent zu berichten, auf dem Menschen | |
Unterstützung benötigen, wo doch Aufbruchstimmung viel schönere Storys | |
hergibt. | |
Und sicher ist auch richtig: Geld allein löst das Problem nicht. Im | |
Südsudan führt die Regierung aktiv Krieg durch Aushungern gegen Teile der | |
eigenen Bevölkerung und [3][belegt Hilfswerke, die etwas tun wollen, mit | |
horrenden Gebühren]. Südsudans Regierung verdient jedes Jahr mehrere | |
Hundert Millionen Euro am Ölexport. Drei Viertel davon gehen für | |
Waffenkäufe drauf, vom Rest verschwindet viel auf privaten Bankkonten. Ein | |
Waffenembargo und Finanzsanktionen für Südsudans Elite würde die Gelder | |
frei machen, die fehlen, um die Bevölkerung vor dem Hungertod zu bewahren. | |
## Die Gelder sind vorhanden | |
Solche Maßnahmen scheitern im UN-Sicherheitsrat an [4][den Interessen der | |
Waffenexporteure China und Russland] und an den afrikanischen Staaten, die | |
keine Präzedenzfälle für den Umgang mit gestohlenen Geldern schaffen | |
wollen. Es verwundert kaum, dass es wenig Resonanz findet, wenn die UNO | |
dann Hilfe für Südsudan fordert. | |
Das ändert allerdings nichts daran, dass Hunderttausende von Menschen | |
sterben werden, wenn nicht in den nächsten Wochen massive Hilfsaktionen | |
starten – von Somalias Dürregebieten bis zu den Flüchtlingslagern | |
Nordostnigerias, von Südsudans Sümpfen bis zu den Wüsten Jemens. Die Gelder | |
und die internationalen Strukturen, um sie sinnvoll einzusetzen, sind | |
vorhanden. Man muss sie nur nutzen. | |
31 Mar 2017 | |
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## AUTOREN | |
Dominic Johnson | |
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