| # taz.de -- CDU/CSU und ihre Spitzenkandidatin: Merkel macht's offiziell nochmal | |
| > Die Union hat sich zusammengerauft – und Angela Merkel zur | |
| > Spitzenkandidatin gekürt. Doch der Schulz-Effekt macht ihr zu schaffen. | |
| Bild: Antwortet ausweichend: Angela Merkel über Horst Seehofer | |
| München taz | So also sieht Kampfeslust aus? Angela Merkel ist seit diesem | |
| Montag offizielle Kanzlerkandidatin beider Unionsparteien – und scheint | |
| nach Kräften bemüht, sich keinerlei Freude darüber anmerken zu lassen. | |
| Nach den Verletzungen, die die ewigen Angriffe aus Bayern in den letzten | |
| anderthalb Jahren hinterlassen haben, fragt eine Journalistin, als sich die | |
| Regierungschefin gemeinsam mit Horst Seehofer in München vor die Presse | |
| begibt. Die ausweichende Antwort der Kanzlerin: Natürlich habe sie bei | |
| ihrer Entscheidung, erneut zu kandidieren, die vergangenen Monate Revue | |
| passieren lassen, aber an ihrer Entscheidung sehe man ja schon, dass sie | |
| Lust auf den Wahlkampf habe. Sie könne sich nun mit ganzer Kraft | |
| hineinstürzen. | |
| Kraft? Hineinstürzen? Merkels Körper, ihr Gesichtsausdruck sprechen eine | |
| andere Sprache: Wie versteinert sitzt sie neben dem gewohnt aufgeräumten | |
| CSU-Chef, ihre Mundwinkel hängen tiefer als die aktuellen Umfragewerte. Nur | |
| ein-, zweimal kommt ihr ein Lächeln aus. | |
| Der Schulz-Effekt verunsichert die Union und ganz offensichtlich ihre | |
| frisch gekürte Spitzenkandidatin. Angesprochen auf den SPD-Herausforderer | |
| Martin Schulz gibt sich Merkel wortkarg. Sein Name kommt ihr nicht über die | |
| Lippen, nur so viel: Sie habe bei jeder Bundestagswahl ihre Gegner ernst | |
| genommen, und das gelte auch dieses Mal. Punkt. | |
| ## „Butter bei die Fische!“ | |
| Es herrscht Schweigen. Seehofers Sprecher Jürgen Fischer zögert einen | |
| Moment lang, die nächste Frage aufzurufen, alle denken, Merkel werde | |
| vielleicht doch noch ein weiterer Kommentar zu ihrem Gegner einfallen. Die | |
| Kanzlerin schweigt. Gelächter. Nächste Frage. Etwas später sagt Merkel dann | |
| immerhin noch, Gemeinsamkeit sei ja auch ein hohes Gut. Gemeint ist die | |
| Geschlossenheit der Union. Nach einem anderthalbjährigen Schwesternkrieg | |
| sind CDU und CSU noch so mit sich selbst beschäftigt, dass für den | |
| politischen Gegner keine Zeit bleibt. | |
| Andere geben sich am Rande des Unionsgipfels ein bisschen gesprächiger. | |
| Manfred Weber zum Beispiel, stellvertretender CSU-Chef: Er vermisst | |
| Konkretes von dem neuen SPD-Star. Schulz’ Botschaften seien ja durchaus | |
| respektabel. „Aber jetzt mal Butter bei die Fische!“ Und dann erinnert er | |
| noch daran, dass die SPD zum ersten Mal in einem Bundestagswahlkampf keine | |
| Aussage zu den Linken abgegeben habe. | |
| Ein anderer CSU-Mann, Verkehrsminister Alexander Dobrindt, findet ein | |
| interessantes Bild: „Wenn Schulz in den Starnberger See steigen würde, | |
| würde sich das Wasser auch nicht teilen.“ Es sei klar, dass sich nun durch | |
| den neuen Kandidaten eine positive Stimmung in der SPD breitmache. Die | |
| Union müsse jetzt klarmachen, wo die Unterschiede seien. Im Übrigen sei der | |
| Wahlkampf gegen Peer Steinbrück, den SPD-Kandidaten 2013, auch nicht so | |
| einfach gewesen. | |
| Der größte Erfolg des Münchner Treffens dürfte sein, dass es überhaupt | |
| zustande gekommen ist. Bestes Beispiel: Bayerns Innenminister Joachim | |
| Herrmann. Der hat erst kürzlich für diesen Montag um 13.30 Uhr eine | |
| Pressekonferenz zu der geplanten neuen Dienstwaffe seiner Polizei | |
| angekündigt – zur selben Zeit wie der längst geplante „Zukunftsgipfel“ … | |
| CDU/CSU. Glaubte Herrmann tatsächlich, dass CSU-Chef Horst Seehofer das | |
| Treffen mit Merkel am Ende noch platzen lassen würde? | |
| Am Ende küren die Parteispitzen von CSU und CDU schließlich Angela Merkel – | |
| wie angekündigt – zur gemeinsamen Kanzlerkandidatin. Herrmann hat sich da | |
| schon den neuen Realitäten gefügt, die Pistole fürs Erste weggepackt und | |
| die Bühne den Parteichefs überlassen. | |
| Diese stellen dann die „Münchener Erklärung von CDU und CSU“ vor. Der vol… | |
| Titel lautet: „Orientierung geben – Zukunft sichern. Erfolgreich für die | |
| Menschen in Deutschland“. | |
| ## Wenig Handfestes | |
| Konkrete Details fürs kommende Wahlprogramm werden in dem fünfseitigen | |
| Papier freilich nicht vorgegeben, es ist eher ein gemeinsamer Wertekanon. | |
| Vom verbindenden christlichen Menschenbild ist darin die Rede, vom | |
| Bekenntnis zur sozialen Marktwirtschaft. Und: „Durch unsere gemeinsame | |
| Stärke können wir die Bildung einer rot-rot-grünen Bundesregierung | |
| verhindern.“ | |
| Dann werden noch einige Politikfelder genannt: Den islamistischen | |
| Terrorismus wolle man bekämpfen wie auch andere Gewaltdelikte und die | |
| Einbruchskriminalität. Die Investitionen in Bildung und Forschung wolle man | |
| erhöhen, vor allem den ländlichen Raum stärken. Man stehe zur Nato, wichtig | |
| sei die Zusammenarbeit mit dem afrikanischen Kontinent. | |
| Konkreter wird es nicht. Bis Juli sollen die Generalsekretäre Peter Tauber | |
| und Andreas Scheuer ein gemeinsames Wahlprogramm erarbeiten. | |
| Einziges handfestes Ergebnis des Treffens bleibt also, dass die | |
| Kanzlerkandidatin der Union nun auch offiziell feststeht. So ist auch immer | |
| noch völlig unklar, wer die CSU als Spitzenkandidat in den Wahlkampf führt. | |
| Seehofer will sich mit dieser Entscheidung eigenem Bekunden nach bis kurz | |
| vor der Aufstellung der Bundestagsliste Anfang Mai Zeit lassen. Lange ging | |
| er mit dem Posten des Parteichefs hausieren, den er an ein CSU-Alphatier | |
| abzugeben bereit sei, wenn sich dafür jemand finden würde. Zuletzt galt | |
| Herrmann dafür als aussichtsreicher Kandidat. | |
| ## Eine gefährliche Doppelstrategie | |
| Inzwischen findet eine andere, weniger spektakuläre Variante wieder | |
| verstärkt Anhänger: Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt, der als | |
| Nachfolger von CSU-Landesgruppenchefin Gerda Hasselfeldt gehandelt wird, | |
| soll die Partei in den Bundestagswahlkampf führen. Bei den vergangenen | |
| Bundestagswahlen waren es Peter Ramsauer und Hasselfeldt, die jeweils | |
| amtierenden Landesgruppenchefs, die die Spitzenkandidatur – wenig | |
| öffentlichkeitswirksam – übernommen hatten. | |
| Ohnehin ist es schwer vorstellbar, dass nicht Seehofer bei der CSU | |
| derjenige ist, der den Wahlkampf aus München heraus am meisten befeuert. Im | |
| Falle eines Spitzenkandidaten Dobrindt bliebe Seehofer wohl Parteichef – | |
| und kandidierte womöglich nach der Bundestagswahl erneut für dieses Amt. | |
| Selbst ein Verbleib Seehofers im Amt des Ministerpräsidenten über 2018 | |
| hinaus halten immer mehr für wahrscheinlich. | |
| Die Rechnung scheint klar, dass Merkel und Seehofer sich die potenzielle | |
| Wählerschaft der Union aufteilen wollen: Merkel bedient die Mitte, Seehofer | |
| den rechten Rand – die, die zur AfD abzudriften drohen. Es gilt also für | |
| die besonders in der Flüchtlingsfrage gespaltene Wählerschaft: Die Kröte | |
| muss geschluckt werden. Bei den einen heißt die Kröte dann eben Merkel, bei | |
| den anderen Seehofer. | |
| Kann der Plan aufgehen? Einem bayerischen Merkel-Sympathisanten würde das | |
| einiges an Überwindung abverlangen: Er müsste die CSU wählen, in der | |
| Hoffnung, damit die Kanzlerin zu stützen. Sollte eine gemeinsame Regierung | |
| dann an Seehofers Festhalten an der Obergrenze scheitern und die CSU | |
| tatsächlich wie angekündigt in die Opposition gehen, hätte er seine Stimme | |
| genau dem falschen Lager gegeben. Selbes gilt für einen Verfechter der | |
| Obergrenze außerhalb Bayerns. | |
| Eine Doppelstrategie, die gefährlich werden kann. Zumindest verfolgen sie | |
| die beiden Parteichefs nun gemeinsam. Und das ist ja schon ein Erfolg – für | |
| Unionsverhältnisse. | |
| 6 Feb 2017 | |
| ## AUTOREN | |
| Dominik Baur | |
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