# taz.de -- Kommentar Einigkeit von CDU und CSU: Das Dilemma der CSU | |
> In der Union herrscht Harmonie. Denn mit Martin Schulz ist vorstellbar | |
> geworden, was lange undenkbar war: eine Regierung ohne CDU/CSU. | |
Bild: Jetzt wird wieder gemeinsam gelacht: CDU-Chefin Merkel mit CSU-Chef Seeho… | |
In der Union herrscht offenbar neue Harmonie. Die Zeiten, als Seehofer die | |
Kanzlerin als Herrscherin eines Unrechtsstaats diffamierte, sollen vorbei | |
sein. Der CSU-Chef [1][bekundet nun treuherzig], dass CDU und CSU „in allen | |
politischen Fragen übereinstimmen“. Das zeigt Einsicht ins Notwendige. | |
WählerInnen mögen keine Regierungsparteien, die sich aufführen wie | |
Schulhofschläger. Und mit Martin Schulz ist zumindest vorstellbar geworden, | |
was bisher undenkbar war: eine Regierung ohne Union. | |
Merkel, die Unanfechtbare, erscheint aus zwei Gründen verletzbar. In der | |
Mitte, dem mythischen Ort der bundesrepublikanischen Demokratie, macht sich | |
nach zwölf Jahren zarter Überdruss bemerkbar. Eine Bundestagswahl, deren | |
Siegerin nicht schon vorher feststeht, wäre zur Abwechslung ja auch wieder | |
ganz schön. Zudem möchte man gern einfach mal andere Gesichter sehen. Das | |
ist banal, kann aber, wie Helmut Kohls Niederlage 1998 zeigte, eine Rolle | |
spielen. | |
Vor allem aber attackiert die SPD mit Martin Schulz zielsicher und befreit | |
von Koalitionszwängen den Schwachpunkt der Union – das Doppelspiel von | |
Merkel und Seehofer. Die CDU bespielt mittig und weltoffen das liberale, | |
städtische Bürgertum. Und die CSU hofiert Autokraten wie Putin und hält den | |
rechten Rand bei Laune. Diese seit der Flüchtlingskrise etablierte | |
Inszenierung rechnete sich bisher für beide. Der CSU verschafft sie die | |
Aussicht, in Bayern die AfD einzuhegen, Merkel gilt nördlich von Würzburg | |
als Garantin antipopulistischer Vernunft. | |
Der hektische Versuch der Union, jetzt auf Biegen und Brechen Einigkeit zu | |
demonstrieren, zeigt, dass dieses Spiel ausgereizt ist. Die Inszenierung | |
wirkt nur so lange, wie sie mit dem nötigen Ernst vorgetragen und vom | |
Publikum nicht für ein taktisches Manöver gehalten wird. Wenn nun künftig | |
Markus Söder den Haudrauf in München gibt und Seehofer den gereiften | |
Staatsmann, ist das eine zu offenkundige Rollenverteilung. | |
Die CSU steht vor einem strategischen Dilemma. Soll man plötzlich zum | |
loyalen Merkel-Fan werden – oder, ausgerechnet im Wahlkampf, weiter den | |
Springteufel spielen? Der Versuch, einfach beides zu tun, ist nicht | |
aussichtsreich. Bei der Europawahl 2014 scheiterte die CSU mit dem Plan, | |
gleichzeitig seriös und rechtspopulistisch aufzutreten – und verlor in der | |
Mitte und am Rand. Das kann noch interessant werden. | |
6 Feb 2017 | |
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## AUTOREN | |
Stefan Reinecke | |
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