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# taz.de -- Markus Söders Karriere: Minister fürs Leben
> Schon richtig, Markus Söder wurde vom Ego Horst Seehofers ausgebremst.
> Doch der ewige Zweite hat Zeit. Ein Portrait.
Bild: Der bayerische Finanz- und Heimatminister Markus Söder fährt Boot
MÜNCHEN taz | Jetzt sitzt er hier vor dem Wirtschaftsausschuss des
Bayerischen Landtags. Muss Bericht erstatten. Es geht um die Reform des
Landesentwicklungsprogramms, den krönenden Abschluss seiner
„Heimatstrategie“. Es geht um Gewerbegebiete, um Bodenversiegelung und
Naturschutz. Im Raum steht die deutliche Kritik von Experten an dieser
Heimatstrategie; und im Raum sitzt Markus Söder, Heimat- und Finanzminister
der Bayern, der die Argumente der Skeptiker mit einer Handbewegung vom
Tisch wischt. „Kokolores“, sagt er.
Vor gut einem Jahr hat Söder mal gealbert: „Als bayerischer Finanzminister
habe ich mir unheimlich viel Wissen angeeignet. Schade, dass ich damit ab
2018 nichts mehr anfangen kann.“ Die weitere Karriere des Markus Söder nach
der nächsten Landtagswahl schien vorgezeichnet: Staatskanzlei, vermutlich
auch CSU-Vorsitz. Davon war nicht nur er selbst überzeugt.
Jetzt sitzt er hier im Saal 1 des Maximilianeums, mokiert sich über die
angebliche Sorge, dass Bayern „kurz vor der Totalbetonierung“ stehe,
verweist darauf, dass 83 Prozent des Freistaats Landwirtschafts- und
Waldflächen seien, und sagt: „Wäre Bayern ein Fußballfeld, wäre nur etwa
die Hälfte des Strafraums versiegelt.“
Ja, wenn Bayern ein Fußballfeld wäre … dann wären da die Jüngeren die
Spielführer, mag Söder in diesem Moment denken. Und er der
Mannschaftskapitän. Aber Bayern ist kein Fußballfeld, und Kapitän ist und
bleibt der bald 68 Jahre alte Horst Seehofer, der kürzlich dem Stern
verriet: „Die Jungen laufen schneller. Aber ich kenne die Abkürzungen.“
Nach Söders Bericht an den Ausschuss folgt die Aussprache. „Unser
Minister“, heißt es nun, wenn ein Christsozialer das Wort ergreift. „Unser
Minister hat’s ja aufgezeigt.“ Oder: „Da bin ich voll bei unserem
Minister.“ Und: „Ich hätte mir gewünscht, ich hätte damals einen solchen
Minister gehabt.“ Ein Heimspiel.
Söder selbst spricht frei und gestikuliert viel. Je leidenschaftlicher er
argumentiert, desto stärker wird sein fränkischer Akzent. Wenn er den
Ausschussmitgliedern zuhört, macht er sich Notizen, wischt für seine
Verhältnisse nur selten auf dem Smartphone herum. Dann fläzt er sich auch
mal in seinen Sessel, so dass die rosafarbene Krawatte mehr liegt als
hängt. Sollte dieser Mann mit seinem Schicksal hadern, weiß er es gut zu
verbergen. Söder, dem man schon oft vorgehalten hat, er habe sich nicht
ganz im Griff, ist Vollprofi. Jetzt? Inzwischen? Schon immer?
## Verletzlicher Rammbock
Leute, die Söder besser kennen, erzählen, er, der Rammbock, sei eigentlich
sehr verletzlich. Die Ankündigung von Horst Seehofer, doch nicht
abzutreten, habe Söder schon sehr getroffen, erzählt ein namhaftes
CSU-Mitglied. „Seine Erwartung war ja berechtigterweise da. Und jetzt sagt
Seehofer: Ätsch, da wird nix draus.“
Es ist Montag, der 24. April, als Seehofer feierlich seine erneuten
Kandidaturen ankündigt. Als Parteichef. Aber auch als Ministerpräsident. Es
sind noch anderthalb Jahre bis zur Landtagswahl.
Auch Söder ist an diesem Vormittag in der CSU-Zentrale. „Politik ist ein
Mannschaftsspiel“, sagt er nach der Vorstandssitzung draußen vor der Tür,
„jeder bringt seinen Anteil.“ Und dann deklariert er Seehofers Entscheidung
sogar noch zum eigenen Erfolg um: Er habe sich ja immer dafür
ausgesprochen, dass beide Ämter in einer Hand bleiben sollten. Jetzt sei es
so gekommen, er sei froh, dass es eine klare Entscheidung gebe. „So“, sagt
Söder, winkt noch einmal kurz und steigt in seinen Dienstwagen.
Markus Söder ist ein Faszinosum. Ob er nun Hundebilder bei Facebook postet,
sich zur Flüchtlingspolitik der Kanzlerin äußert oder sich als Homer
Simpson, Gandhi oder Ludwig II. in den Fasching stürzt – er erreicht
Medien und Menschen. Man stelle sich nur mal für einen Moment vor, ein
Thomas Schäfer würde dieselbe Aufmerksamkeit auf sich ziehen. Man kann es
sich nicht vorstellen. Zum besseren Verständnis: Schäfer ist auch
Finanzminister. In Hessen. Und nein, natürlich muss man ihn außerhalb
Hessens nicht unbedingt kennen. Aber Söder kennt man. In Buxtehude wie in
Konstanz.
Gerade hat er in Athen nach dem Rechten geschaut, dann noch Emmanuel Macron
ein paar Ratschläge ausrichten lassen. Frankreich brauche Reformen im
Arbeitsrecht sowie im Renten- und Steuersystem, um seine
Wettbewerbsfähigkeit zu steigern, ließ er den neuen französischen
Präsidenten via WamS-Interview wissen und empfahl ihm „eine französische
Agenda 2010“.
Am Königssee tauft er diese Woche ein Elektromotorboot, dann wieder
präsentiert er die erste deutsche 50-Euro-Goldmünze. Markus Söder, das ist
der gefühlte Minister für das Leben, das Universum und den ganzen Rest. Es
gibt kaum ein Thema, zu dem er sich nicht zu Wort meldet. Aber auch kaum
eines, zu dem er nicht befragt wird.
Mit 16 Jahren tritt der Maurersohn aus Nürnberg in die CSU ein, mit 27 wird
er in den Landtag gewählt, er ist Chef der Jungen Union in Bayern, kämpft
als CSU-Generalsekretär für die Mainzelmännchen, ist Europa-, Umwelt- und
schließlich Finanzminister. Dass er als Jugendlicher ein
Franz-Josef-Strauß-Plakat über seinem Bett hängen hatte, mag befremdlich
sein. Dass er die Anekdote noch heute gern erzählt, ist es definitiv. Seine
Karriere verdankt Söder zu einem großen Teil seinem Förderer Edmund
Stoiber. Er versteht es aber auch, sich Freunde zu machen. Söder ist gut
vernetzt – in der CSU, im Land.
„Wer jeden Tag einen Förderbescheid überreicht, ist noch lange kein
Stratege“, lästerte Horst Seehofer über den politischen Konkurrenten. Auch
über die „charakterlichen Schwächen“ seines Ministers hat er sich
ausgelassen. Und zu Söders 50. Geburtstag gratulierte er dessen Frau: „Ich
bilde mir ein, dass ich den Markus besonders gut kenne, und deshalb haben
Sie heute eine besondere Anerkennung verdient.“ Manche sagen, Seehofer und
Söder könnten sich nicht ausstehen. Söder sagt dazu, man müsse ja nicht
unbedingt zusammen in den Urlaub fahren.
## Halb Thomas Gottschalk, halb Papst
Söder als Nachfolger zu verhindern sei aber sicher nicht der Hauptgrund für
Seehofers Entscheidung gewesen, sagt der prominente CSUler. Seehofer sei
einfach süchtig. „Der kann gar nicht aufhören.“ Dennoch sei nun alles
wieder offen. Bis sich die Nachfolgefrage wieder stelle, könnten ganz neue
Anwärter auf der Matte stehen. Ob Söder dann noch der „geborene Nachfolger�…
sei, werde sich zeigen.
Drei Tage nach Seehofers Rückzug vom Rückzug hält Markus Söder Einzug ins
Münchner Hofbräuhaus. Die Kapelle Kaiserschmarrn spielt den
Erzherzog-Albrecht-Marsch, Söder schreitet zwischen den Biertischen quer
durch den Festsaal. Er grüßt nach links und nach rechts, halb Thomas
Gottschalk, halb Papst. Seine Frau, die Karin, hat er untergehakt.
Schließlich steht er auf der Bühne.
Es ist Maibockanstich. Dem Finanzministerium obliegt die Aufsicht über die
bayerischen Schlösser, Gärten und Seen – und über das Hofbräuhaus. Der
Hausherr darf anzapfen. Drei Schläge. Söder lobt den hochprozentigen
Maibock. Er selbst trinkt lieber Wasser.
„Sie werden heute einen neuen, sanften Söder erleben“, sagt Söder. Es geht
ein langgezogenes „Oooh“ durch die Menge. Söder nutzt den Maibockanstich
jedes Jahr für einen komödiantischen Auftritt, scheut dabei auch nicht den
Direktvergleich mit dem Kabarettisten Django Asül, der nach ihm dran ist.
„Ich jedenfalls freue mich, dass ich weitermachen darf“, erzählt Söder dem
Publikum. „Ich darf weitermachen, weil er weitermacht.“ Aber ein Franke
werde erst Ministerpräsident, wenn der 1. FC Nürnberg deutscher Meister
wird, habe man ihm in der Staatskanzlei zu verstehen gegeben. „Meine
zeitliche Perspektive ist deutlich schlechter als die von Prinz Charles.“
25 May 2017
## AUTOREN
Dominik Baur
## TAGS
Markus Söder
Horst Seehofer
CSU
Flüchtlinge
Horst Seehofer
Bayern
Schwerpunkt Rot-Rot-Grün in Berlin
CSU
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