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# taz.de -- Debatte Finanzcasino: Die Erben der Neoliberalen
> Sie präsentieren sich als Partner – und Gewinner. Doch für Großbritannien
> und die USA kann es wirtschaftlich nur bergab gehen.
Bild: Das Volk ist schlauer als Trump – der will Jobs schaffen, dabei bräuch…
Die britische Premierministerin Theresa May und der neue US-Präsident
Donald Trump sind bekennende Nationalisten. Für sie zählt nur das eigene
Land. „Britain first“ trifft auf „America first“, wenn May an diesem
Freitag nach Washington reist.
May ist der erste Staatsgast, den Trump im Weißen Haus empfängt, was
natürlich kein Zufall ist. Beide wollen ihre „besondere Beziehung“
inszenieren. Bewusst wird an das Jahr 1980 erinnert, als es zu einer
ähnlichen Paarung kam. Wie Trump und May waren damals Ronald Reagan und
Margaret Thatcher neu im Amt – und sofort ein Herz und eine Seele. „Meine
Maggie“, sagte denn Trump auch schon über May.
Trotzdem passt die Analogie nur scheinbar. 1980 hatten Reagan und Thatcher
tatsächlich ein gemeinsames Projekt. Beide waren gläubige Jünger der
neoliberalen Theorie; sie wollten die Finanzmärkte entfesseln, die Steuern
für die Reichen senken und die heimischen Gewerkschaften zerstören.
## Nur einer kann vorne liegen
Dieses Projekt können Trump und May schon deswegen nicht neu starten, weil
Reagan und Thatcher bereits maximal erfolgreich waren: In den USA und in
Großbritannien dominieren die Investmentbanken. Eine kleine Oligarchie
bedient sich, während die Löhne der Normalbürger nicht mehr steigen. Es
gibt keine mächtigen Gewerkschaften mehr, die man zerschlagen könnte.
Trump und May können ihre Vorgänger nicht kopieren, sondern erben die
Folgen: In beiden Ländern fühlt sich die Mehrheit verraten. Die Bürger
wählen zwar nicht die neoliberale Doktrin ab – aber schwenken in einen
ökonomischen Nationalismus ein. „British first“ und „America first“ kl…
zwar ebenfalls wie ein gemeinsamer Ansatz, ist jedoch gleichzeitig
unmöglich. Nur einer kann Erster sein.
Die Verliererin steht bereits fest: Theresa May. Wie ihrer Brexit-Rede vor
einer Woche zu entnehmen war, ist ihre Vorstellung, dass die Briten in den
USA neue Märkte erobern. Sie verbreitet die Mär, dass man ruhig auf den
EU-Binnenmarkt verzichten könne – weil „neue Küsten“ auf die Engländer
warten würden.
Wo immer diese „neuen Küsten“ sein sollen – sie werden sich nicht in Tru…
Amerika befinden. Dazu reicht schon ein Blick auf die Exportgüter der
Briten, von denen es sowieso nicht allzu viele gibt. Die vier wichtigsten
Ausfuhrprodukte sind: 1) Autos, 2) nichtraffiniertes Öl, 3) raffiniertes
Öl, 4) abgepackte Medikamente. Das britische Öl geht bereits zur Neige; und
beim Thema Autos weiß inzwischen jeder, was Trump darüber denkt: „Buy
American, hire American.“ Die Briten sollten also nicht auf
Sonderkonditionen hoffen, die mehr als nur kleine symbolische
Zugeständnisse sind.
May wird scheitern, aber was ist mit Trump? Zumindest die Börsianer
scheinen noch zu glauben, dass sein „America first“ mehr als nur ein Slogan
ist. Am Mittwoch durchbrach der Dow Jones Index die magische Grenze von
20.000 Punkten.
Sollte die US-Wirtschaft unter Trump tatsächlich brummen, hätte dies nichts
mit dem neuen Präsidenten zu tun. Denn seine ökonomischen Überzeugungen
sind falsch. Dies beginnt schon beim Thema Arbeitsplätze. Beharrlich
zeichnet Trump das Bild, dass viele Amerikaner arbeitslos wären, weil die
Fabriken nun alle in Mexiko, Kanada, China oder auch Deutschland stehen
würden. Doch in Wahrheit ist kaum jemand ohne Stelle. In den USA herrscht
fast Vollbeschäftigung. Aktuell sind nur noch 4,6 Prozent der Einwohner
arbeitslos.
## Finanzpolitik im Playboy
Jobs sind vorhanden, aber sie werden zu schlecht bezahlt. Denn es gibt ja
keine schlagkräftigen Gewerkschaften mehr, sodass es für Unternehmen leicht
ist, ihre Beschäftigten auszubeuten. Seit 1975 sind die mittleren Reallöhne
in den USA nicht mehr gestiegen. Dies ist ein Skandal – aber er lässt sich
nicht beheben, indem man plötzlich Importzölle von 35 Prozent erhebt, wie
Trump es vorschlägt.
Überhaupt, die Zölle: Sie sind eine fixe Idee von Trump, die er seit
mindestens 1990 hegt. Damals erschien ein Interview im Playboy, wo er
weitsichtig gefragt wurde, was er als Erstes täte, wäre er US-Präsident.
Antwort: „Ich würde eine Steuer auf jeden Mercedes-Benz und alle
japanischen Produkte erheben, die ins Land kommen.“ Trump wusste übrigens
auch damals schon, wie er an die Macht kommen würde: „Die Arbeiter würden
mich wählen. Sie mögen mich.“ Diese Arbeiter verrät Trump nun, indem er
nicht die Gewerkschaften stärkt, sondern sinnlose Zölle erhebt.
Trump lebt in einer gedanklichen Parallelwelt, und nach dieser
„Trumpologie“ ist es Diebstahl, wenn andere Länder mehr exportieren als das
eigene. Bekanntlich hat es Trump besonders auf Mexiko abgesehen, weil der
südliche Nachbar einen Exportüberschuss von 70 Milliarden Dollar gegenüber
den USA verzeichnet. Das klingt viel, ist aber nur der berühmte
Fliegenschiss. Diese 70 Milliarden machen ganze 0,39 Prozent der
Wirtschaftsleistung der USA aus. Alle außer Trump erkennen sofort: Es würde
kaum neue Arbeitsplätze bringen, wenn man einen Handelskrieg mit Mexiko
anzettelt.
Trump denkt sehr sinnlich. Er sieht deutsche Autos in New York – also
müssen diese Mercedes-Benz daran schuld sein, wenn die amerikanischen
Arbeiter zu wenig verdienen. Wie bei jedem Nationalisten kommt für ihn die
Bedrohung immer von außen, und daher kann er die eigentliche Gefahr gar
nicht erkennen, die seine Amtszeit bedroht: Die Konjunktur in den USA läuft
bereits bestens. Es kann nur noch abwärtsgehen. Eine kleine Rezession ist
durchaus wahrscheinlich, sodass Trump am Ende als der Präsident in
Erinnerung bleiben könnte, dessen Wahlspruch hätte lauten müssen „Make
America poor again“.
Trump und May sind die Erben ihrer neoliberalen Vorgänger, aber sie sind
nur noch die Abwickler dieses Projekts. Denn schlichter Nationalismus kann
auf Dauer nicht übertünchen, dass die Mehrheit der Wähler ökonomisch
abgehängt wird. Das ist nicht unbedingt ein Grund zur Hoffnung, denn wer
weiß, wer nach Trump und May gewählt wird.
29 Jan 2017
## AUTOREN
Ulrike Herrmann
## TAGS
Schwerpunkt USA unter Donald Trump
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